Dass Peisistratos sich in dem kriege wider Megara sein persön-Die erwerbung von Salamis. liches ansehn erworben hat, erzählt Aristoteles 14, 1 nach Herodotos 1, 59. aber er erklärt es für einen lächerlichen verstoss wider die zeit- rechnung, wenn man ihm die strategie in dem kriege mit Megara um Salamis zutrauen wollte (17, 2). er verwarf also die geschichte, die Plutarch Sol. 8 als demodes logos erzählt, nach der Peisistratos der ist, den des jungen Solon elegie Salamis vor allen zu kühner tat und zu der erwerbung der insel entflammt. aber diese erwerbung und die solonische elegie hat er in das siebente jahrhundert gerückt. die um- sichtige prüfung der reichlich vorliegenden tradition hat nun bekannt- lich viele verständige menschen dazu geführt, als geschichtlich anzunehmen, dass Salamis, ursprünglich entweder selbständig (Kukhreus) oder aeginetisch (Aias), im siebenten jahrhundert in Megaras händen war, als demos Kunosoura (oder Koloura, 'hundeschwanz' und 'stumpfschwanz', beides passt für die dem Peiraieus zugewandte spitze) megarischen kleruchen übergeben. seit den Athenern Eleusis gehörte, werden sie oft genug versuche gemacht haben, den für ihre paralia unentbehrlichen besitz zu erwerben; aber gelungen ist das erst, als Peisistratos durch einen hand- streich Nisaia genommen hatte, und die entscheidung hat ein schieds- gericht von 5 Spartiaten gegeben, deren namen, wie manches gute detail, die chronik bewahrt hatte. das ist um 570 gewesen. ausserdem gab es eine solonische elegie, welche die Athener in lebhaftester weise anfeuerte ihre insel (wenn sie sie haben wollten, wie hätten sie nicht geschworen, dass sie von alters und rechts wegen die ihre wäre) nicht fahren zu lassen. da Solon in diesem gedichte sich einen herold nannte, nahm man das wörtlich, erzählte, er hätte sie vom heroldstein herab hergesagt, und wenn er 'den schmuck der verse, poesie statt der an- sprache' bot, sollte die ansprache verboten gewesen sein, und da er irgendwo seinen 'wahnsinn' erwähnte 15), so ward die erheuchelung des wahnsinns daraus: das ende musste natürlich der triumph des volks- freundlichen dichters und die befreiung von Salamis sein. diese novelle ist vollkommen zeitlos. sobald man die unerfreuliche geschichtliche wahr- heit mit ihr zu combiniren begann, dass erst Peisistratos die insel er- obert hatte, war man gezwungen, entweder den Peisistratos bloss als helfer Solons auftreten zu lassen, wobei dieser doch um den besten teil seines ruhmes kam, und sein lebensalter störend ward, oder aber man
15) Der vers, in dem er dies tat, wird von Diogenes I 49 auf die tyrannis des Peisistratos bezogen. wir können es nicht controlliren, aber auch wenn es richtig sein sollte, stand der sage frei, die äusserungen verschiedener gedichte zu combiniren.
Die erwerbung von Salamis.
Daſs Peisistratos sich in dem kriege wider Megara sein persön-Die erwerbung von Salamis. liches ansehn erworben hat, erzählt Aristoteles 14, 1 nach Herodotos 1, 59. aber er erklärt es für einen lächerlichen verstoſs wider die zeit- rechnung, wenn man ihm die strategie in dem kriege mit Megara um Salamis zutrauen wollte (17, 2). er verwarf also die geschichte, die Plutarch Sol. 8 als δημώδης λόγος erzählt, nach der Peisistratos der ist, den des jungen Solon elegie Salamis vor allen zu kühner tat und zu der erwerbung der insel entflammt. aber diese erwerbung und die solonische elegie hat er in das siebente jahrhundert gerückt. die um- sichtige prüfung der reichlich vorliegenden tradition hat nun bekannt- lich viele verständige menschen dazu geführt, als geschichtlich anzunehmen, daſs Salamis, ursprünglich entweder selbständig (Κυχϱεύς) oder aeginetisch (Αἴας), im siebenten jahrhundert in Megaras händen war, als demos Κυνόσουϱα (oder Κόλουϱα, ‘hundeschwanz’ und ‘stumpfschwanz’, beides paſst für die dem Peiraieus zugewandte spitze) megarischen kleruchen übergeben. seit den Athenern Eleusis gehörte, werden sie oft genug versuche gemacht haben, den für ihre παϱαλία unentbehrlichen besitz zu erwerben; aber gelungen ist das erst, als Peisistratos durch einen hand- streich Nisaia genommen hatte, und die entscheidung hat ein schieds- gericht von 5 Spartiaten gegeben, deren namen, wie manches gute detail, die chronik bewahrt hatte. das ist um 570 gewesen. auſserdem gab es eine solonische elegie, welche die Athener in lebhaftester weise anfeuerte ihre insel (wenn sie sie haben wollten, wie hätten sie nicht geschworen, daſs sie von alters und rechts wegen die ihre wäre) nicht fahren zu lassen. da Solon in diesem gedichte sich einen herold nannte, nahm man das wörtlich, erzählte, er hätte sie vom heroldstein herab hergesagt, und wenn er ‘den schmuck der verse, poesie statt der an- sprache’ bot, sollte die ansprache verboten gewesen sein, und da er irgendwo seinen ‘wahnsinn’ erwähnte 15), so ward die erheuchelung des wahnsinns daraus: das ende muſste natürlich der triumph des volks- freundlichen dichters und die befreiung von Salamis sein. diese novelle ist vollkommen zeitlos. sobald man die unerfreuliche geschichtliche wahr- heit mit ihr zu combiniren begann, daſs erst Peisistratos die insel er- obert hatte, war man gezwungen, entweder den Peisistratos bloſs als helfer Solons auftreten zu lassen, wobei dieser doch um den besten teil seines ruhmes kam, und sein lebensalter störend ward, oder aber man
15) Der vers, in dem er dies tat, wird von Diogenes I 49 auf die tyrannis des Peisistratos bezogen. wir können es nicht controlliren, aber auch wenn es richtig sein sollte, stand der sage frei, die äuſserungen verschiedener gedichte zu combiniren.
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Die erwerbung von Salamis.
Daſs Peisistratos sich in dem kriege wider Megara sein persön-
liches ansehn erworben hat, erzählt Aristoteles 14, 1 nach Herodotos
1, 59. aber er erklärt es für einen lächerlichen verstoſs wider die zeit-
rechnung, wenn man ihm die strategie in dem kriege mit Megara um
Salamis zutrauen wollte (17, 2). er verwarf also die geschichte, die
Plutarch Sol. 8 als δημώδης λόγος erzählt, nach der Peisistratos der
ist, den des jungen Solon elegie Salamis vor allen zu kühner tat und
zu der erwerbung der insel entflammt. aber diese erwerbung und die
solonische elegie hat er in das siebente jahrhundert gerückt. die um-
sichtige prüfung der reichlich vorliegenden tradition hat nun bekannt-
lich viele verständige menschen dazu geführt, als geschichtlich anzunehmen,
daſs Salamis, ursprünglich entweder selbständig (Κυχϱεύς) oder aeginetisch
(Αἴας), im siebenten jahrhundert in Megaras händen war, als demos
Κυνόσουϱα (oder Κόλουϱα, ‘hundeschwanz’ und ‘stumpfschwanz’, beides
paſst für die dem Peiraieus zugewandte spitze) megarischen kleruchen
übergeben. seit den Athenern Eleusis gehörte, werden sie oft genug
versuche gemacht haben, den für ihre παϱαλία unentbehrlichen besitz zu
erwerben; aber gelungen ist das erst, als Peisistratos durch einen hand-
streich Nisaia genommen hatte, und die entscheidung hat ein schieds-
gericht von 5 Spartiaten gegeben, deren namen, wie manches gute
detail, die chronik bewahrt hatte. das ist um 570 gewesen. auſserdem
gab es eine solonische elegie, welche die Athener in lebhaftester weise
anfeuerte ihre insel (wenn sie sie haben wollten, wie hätten sie nicht
geschworen, daſs sie von alters und rechts wegen die ihre wäre) nicht
fahren zu lassen. da Solon in diesem gedichte sich einen herold nannte,
nahm man das wörtlich, erzählte, er hätte sie vom heroldstein herab
hergesagt, und wenn er ‘den schmuck der verse, poesie statt der an-
sprache’ bot, sollte die ansprache verboten gewesen sein, und da er
irgendwo seinen ‘wahnsinn’ erwähnte 15), so ward die erheuchelung des
wahnsinns daraus: das ende muſste natürlich der triumph des volks-
freundlichen dichters und die befreiung von Salamis sein. diese novelle
ist vollkommen zeitlos. sobald man die unerfreuliche geschichtliche wahr-
heit mit ihr zu combiniren begann, daſs erst Peisistratos die insel er-
obert hatte, war man gezwungen, entweder den Peisistratos bloſs als
helfer Solons auftreten zu lassen, wobei dieser doch um den besten teil
seines ruhmes kam, und sein lebensalter störend ward, oder aber man
Die
erwerbung
von
Salamis.
15) Der vers, in dem er dies tat, wird von Diogenes I 49 auf die tyrannis des
Peisistratos bezogen. wir können es nicht controlliren, aber auch wenn es richtig
sein sollte, stand der sage frei, die äuſserungen verschiedener gedichte zu combiniren.
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/281>, abgerufen am 16.02.2025.
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