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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Peisistratos und Solon.
glaublich, während weder Herodotos noch Aristoteles eine zahl nennen. 1)
der name des antragstellers wird schwerlich in den protokollen ge-
standen haben, wenigstens fehlt er auf den publicirten volksbeschlüssen
der ältesten zeit, die wir kennen. es liegt mir auch fern, an die er-
haltung oder benutzung der acten des jahres 561 zu glauben. aber
dass der name des mannes, der den verhängnisvollen antrag gestellt
hatte, im gedächtnis blieb, ist um so mehr glaublich, weil er sicher-
lich ein mann von gewicht und ein freund der tyrannen war, der die
folgen seiner tat in lohn und strafe getragen haben wird. ich glaube,
wir kennen den mann sehr gut von seinem grabstein. die stele des
Aristion hat auf einem grossen vornehmen grabe in Velanideza gestan-
den, nicht weit nördlich von Brauron, der Peisistratidenburg. der wehr-
hafte Aristion war also ein begüterter Diakrier, verstorben unter Pei-
sistratos späterer regierung: zeit, name, gegend stimmt. aber wie dem
auch sei: erhalten konnte sich der name nur in attischer tradition; er
gehört in die chronik.

Das verhalten des greisen Solon bei dieser gelegenheit ist von Ari-
stoteles als anekdote durch ein legetai gekennzeichnet, aber er erzählt
es doch, und er hat die anekdote ebendaher entnommen, wo er den
Aristion fand, denn sie stehn in der parallelerzählung Plutarchs bei
einander. die vergleichung der varianten dieser geschichte ist recht
belehrend.

Aristoteles berichtet, dass Solon dem gesuche des Peisistratos vor
dem volke vergeblich widersprach, dann seine kritik in einem scharf
zugespitzten worte zusammenfasste, nach hause gieng und, da sein greisen-
alter ihm tätigen widerstand verbot, doch dazu aufforderte, indem
er seine rüstung vor die tür stellte. wie Peisistratos sich dazu verhielt,
wird nicht ausdrücklich gesagt, aber man ergänzt es mit sicherheit daraus,
dass unmittelbar darauf hervorgehoben wird, wie wenig er den tyrannen
gespielt hätte. auf diese charakteristik greift Aristoteles zurück, nach-
dem er die äussere geschichte seiner herrschaften, wesentlich nach He-
rodot erzählt hat (16, 1) und nochmals (16, 8), am schlusse der schil-

1) Das sichert die überlieferung bei Herodotos gegen jene kümmerliche text-
kritik, die historische differenzen mit der conjectur beseitigen will. sie macht aus
einem toutous, das Herodotos mit der gesunden nonchalance der ionischen rede
auf das vorhergehende collective phulake bezogen hat, triekosious, um den an-
schluss an die secundäre überlieferung (Polyaen I 21, ausserdem schol. Plat. Rep.
8, 566a) zu erreichen. 300 trabanten wären die offene tyrannis gewesen: 50, wie
Plutarch hat, ist so bescheiden, dass es nicht nach erfindung aussieht. ich halte
für methodisch geboten, es zu beurteilen wie den antragsteller Aristion.

Peisistratos und Solon.
glaublich, während weder Herodotos noch Aristoteles eine zahl nennen. 1)
der name des antragstellers wird schwerlich in den protokollen ge-
standen haben, wenigstens fehlt er auf den publicirten volksbeschlüssen
der ältesten zeit, die wir kennen. es liegt mir auch fern, an die er-
haltung oder benutzung der acten des jahres 561 zu glauben. aber
daſs der name des mannes, der den verhängnisvollen antrag gestellt
hatte, im gedächtnis blieb, ist um so mehr glaublich, weil er sicher-
lich ein mann von gewicht und ein freund der tyrannen war, der die
folgen seiner tat in lohn und strafe getragen haben wird. ich glaube,
wir kennen den mann sehr gut von seinem grabstein. die stele des
Aristion hat auf einem groſsen vornehmen grabe in Velanideza gestan-
den, nicht weit nördlich von Brauron, der Peisistratidenburg. der wehr-
hafte Aristion war also ein begüterter Diakrier, verstorben unter Pei-
sistratos späterer regierung: zeit, name, gegend stimmt. aber wie dem
auch sei: erhalten konnte sich der name nur in attischer tradition; er
gehört in die chronik.

Das verhalten des greisen Solon bei dieser gelegenheit ist von Ari-
stoteles als anekdote durch ein λέγεται gekennzeichnet, aber er erzählt
es doch, und er hat die anekdote ebendaher entnommen, wo er den
Aristion fand, denn sie stehn in der parallelerzählung Plutarchs bei
einander. die vergleichung der varianten dieser geschichte ist recht
belehrend.

Aristoteles berichtet, daſs Solon dem gesuche des Peisistratos vor
dem volke vergeblich widersprach, dann seine kritik in einem scharf
zugespitzten worte zusammenfaſste, nach hause gieng und, da sein greisen-
alter ihm tätigen widerstand verbot, doch dazu aufforderte, indem
er seine rüstung vor die tür stellte. wie Peisistratos sich dazu verhielt,
wird nicht ausdrücklich gesagt, aber man ergänzt es mit sicherheit daraus,
daſs unmittelbar darauf hervorgehoben wird, wie wenig er den tyrannen
gespielt hätte. auf diese charakteristik greift Aristoteles zurück, nach-
dem er die äuſsere geschichte seiner herrschaften, wesentlich nach He-
rodot erzählt hat (16, 1) und nochmals (16, 8), am schlusse der schil-

1) Das sichert die überlieferung bei Herodotos gegen jene kümmerliche text-
kritik, die historische differenzen mit der conjectur beseitigen will. sie macht aus
einem τούτους, das Herodotos mit der gesunden nonchalance der ionischen rede
auf das vorhergehende collective φυλακή bezogen hat, τϱιηκοσίους, um den an-
schluſs an die secundäre überlieferung (Polyaen I 21, auſserdem schol. Plat. Rep.
8, 566a) zu erreichen. 300 trabanten wären die offene tyrannis gewesen: 50, wie
Plutarch hat, ist so bescheiden, daſs es nicht nach erfindung aussieht. ich halte
für methodisch geboten, es zu beurteilen wie den antragsteller Aristion.
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[261/0275] Peisistratos und Solon. glaublich, während weder Herodotos noch Aristoteles eine zahl nennen. 1) der name des antragstellers wird schwerlich in den protokollen ge- standen haben, wenigstens fehlt er auf den publicirten volksbeschlüssen der ältesten zeit, die wir kennen. es liegt mir auch fern, an die er- haltung oder benutzung der acten des jahres 561 zu glauben. aber daſs der name des mannes, der den verhängnisvollen antrag gestellt hatte, im gedächtnis blieb, ist um so mehr glaublich, weil er sicher- lich ein mann von gewicht und ein freund der tyrannen war, der die folgen seiner tat in lohn und strafe getragen haben wird. ich glaube, wir kennen den mann sehr gut von seinem grabstein. die stele des Aristion hat auf einem groſsen vornehmen grabe in Velanideza gestan- den, nicht weit nördlich von Brauron, der Peisistratidenburg. der wehr- hafte Aristion war also ein begüterter Diakrier, verstorben unter Pei- sistratos späterer regierung: zeit, name, gegend stimmt. aber wie dem auch sei: erhalten konnte sich der name nur in attischer tradition; er gehört in die chronik. Das verhalten des greisen Solon bei dieser gelegenheit ist von Ari- stoteles als anekdote durch ein λέγεται gekennzeichnet, aber er erzählt es doch, und er hat die anekdote ebendaher entnommen, wo er den Aristion fand, denn sie stehn in der parallelerzählung Plutarchs bei einander. die vergleichung der varianten dieser geschichte ist recht belehrend. Aristoteles berichtet, daſs Solon dem gesuche des Peisistratos vor dem volke vergeblich widersprach, dann seine kritik in einem scharf zugespitzten worte zusammenfaſste, nach hause gieng und, da sein greisen- alter ihm tätigen widerstand verbot, doch dazu aufforderte, indem er seine rüstung vor die tür stellte. wie Peisistratos sich dazu verhielt, wird nicht ausdrücklich gesagt, aber man ergänzt es mit sicherheit daraus, daſs unmittelbar darauf hervorgehoben wird, wie wenig er den tyrannen gespielt hätte. auf diese charakteristik greift Aristoteles zurück, nach- dem er die äuſsere geschichte seiner herrschaften, wesentlich nach He- rodot erzählt hat (16, 1) und nochmals (16, 8), am schlusse der schil- 1) Das sichert die überlieferung bei Herodotos gegen jene kümmerliche text- kritik, die historische differenzen mit der conjectur beseitigen will. sie macht aus einem τούτους, das Herodotos mit der gesunden nonchalance der ionischen rede auf das vorhergehende collective φυλακή bezogen hat, τϱιηκοσίους, um den an- schluſs an die secundäre überlieferung (Polyaen I 21, auſserdem schol. Plat. Rep. 8, 566a) zu erreichen. 300 trabanten wären die offene tyrannis gewesen: 50, wie Plutarch hat, ist so bescheiden, daſs es nicht nach erfindung aussieht. ich halte für methodisch geboten, es zu beurteilen wie den antragsteller Aristion.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/275>, abgerufen am 22.11.2024.