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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 6. Die demagogen des fünften jahrhunderts.

Aischylos, der einen dieser feldzüge in Thrakien mitgemacht hat,
konnte nun den sieg Europas über Asien als entschieden betrachten.
Sparta, das noch während der belagerung von Eion eine unrühmlich
verlaufende expedition gegen Thessalien gemacht hatte, verzichtete nun
auf die see; um der Perser willen konnte es das, und um seiner selbst willen
musste es das, weil die beiden archegeten, könig Leotychides und regent
Pausanias ihren staat so schwer compromittirt hatten, dass er die führung
im Hellenenbunde nicht mehr beanspruchen konnte; und im Peloponne-
sischen bunde erhob sich unbotmässigkeit. man sieht die not am besten
daran, dass Sparta weder den Leotychides abzusetzen noch den Pausanias
vor gericht zu ziehen wagt: der sieger von Plataiai war immer noch
eine macht, deren man gelegentlich sich zu bedienen hoffen mochte. was
die verhältnisse so in Sparta erzwangen, stellt die rhetorische geschichts-
schreibung als das ergebnis einer überlegung dar und legt es als
actionsprogramm den Hetoimaridas in den mund. 60)

allem aber sind die verse ein bedeutendes geschichtliches document -- wenn man
sie versteht. die geehrten feldherrn "brachten den Medern in Eion brennenden
hunger und eisigen kampf und waren so die ersten, die den feind bis zur verzweif-
lung zu treiben verstanden". Medon paisin ep Eioni limon t aithona krueron
t epagontes Area protoi dusmeneon euron amekhanien. wer den sprachgebrauch
der Griechen kennt, ändert ein protoi euron nicht. wer sich überlegt, dass hier
das hervorgehoben werden muss, was die besondere auszeichnung der feldherrn be-
gründet, wird sich nicht wundern, dass sie etwas zuerst getan haben sollen. wie
man den Perser schlägt, brauchte Kimon nicht erst zu erfinden, das hatte sein vater
getan. was er zuerst fertig gebracht hat, ist dusmeneon amekhanie. wenn wir weiter
nichts wüssten, so würde dies gedicht lehren, dass hunger und kampf die Perser in
Eion zu einer besonders sinnfälligen äusserung der verzweiflung getrieben hätten.
das concrete könnte man nicht erraten, dürfte deshalb aber immer noch nicht ändern,
geschweige einen zweiten dativ einführen und ein rätselwort wie proto dusmeneon,
was niemand versteht. nun wissen wir aber, dass der persische platzcommandant
diekarterei eis to eskhaton, und als sein proviant zu ende war, baute er einen
scheiterhaufen, tö tete seine kinder und haremsfrauen, versenkte seine schätze und
stürzte sich in die flammen (Herod. VII 109). eine vollkommnere amekhanie dusme-
neon kann man wirklich nicht verlangen, und wer dafür das recept erfunden hatte,
verdiente die gedichte. das hatten die sieger von Mykale und Plataiai noch nicht
erreicht. -- interessant ist, dass man sich in der hellenistischen zeit, als die schrift-
stellerei peri eurematon blühte, schon bemüht hat, eine concrete antwort zu finden,
was denn Kimon protos euren, und man erfand im widerspruch mit Herodot, dass
er die lehmziegel der mauer durch ableitung des flusses weggeschwemmt hätte, wie
es 382 Agesipolis mit Mantineia gemacht hat. das erzählt Pausanias VIII 8, 9, wo
die beziehung auf die gedichte in adomenou upo Ellenon deutlich ist. datirt ist
die notiz durch Fabricius (Theben 16).
60) Diodor XI 50, vgl. Kydathen 115. Diodor verteilt in dieser partie die
I. 6. Die demagogen des fünften jahrhunderts.

Aischylos, der einen dieser feldzüge in Thrakien mitgemacht hat,
konnte nun den sieg Europas über Asien als entschieden betrachten.
Sparta, das noch während der belagerung von Eion eine unrühmlich
verlaufende expedition gegen Thessalien gemacht hatte, verzichtete nun
auf die see; um der Perser willen konnte es das, und um seiner selbst willen
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Pausanias ihren staat so schwer compromittirt hatten, daſs er die führung
im Hellenenbunde nicht mehr beanspruchen konnte; und im Peloponne-
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vor gericht zu ziehen wagt: der sieger von Plataiai war immer noch
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schreibung als das ergebnis einer überlegung dar und legt es als
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allem aber sind die verse ein bedeutendes geschichtliches document — wenn man
sie versteht. die geehrten feldherrn “brachten den Medern in Eion brennenden
hunger und eisigen kampf und waren so die ersten, die den feind bis zur verzweif-
lung zu treiben verstanden”. Μήδων παισὶν ἐπ̕ Ἠιόνι λιμόν τ̕ αἴϑωνα κϱυεϱόν
τ̕ ἐπάγοντες Ἄϱηα πϱῶτοι δυσμενέων ηὗϱον ἀμηχανίην. wer den sprachgebrauch
der Griechen kennt, ändert ein πϱῶτοι ηὗϱον nicht. wer sich überlegt, daſs hier
das hervorgehoben werden muſs, was die besondere auszeichnung der feldherrn be-
gründet, wird sich nicht wundern, daſs sie etwas zuerst getan haben sollen. wie
man den Perser schlägt, brauchte Kimon nicht erst zu erfinden, das hatte sein vater
getan. was er zuerst fertig gebracht hat, ist δυσμενέων ἀμηχανίη. wenn wir weiter
nichts wüſsten, so würde dies gedicht lehren, daſs hunger und kampf die Perser in
Eion zu einer besonders sinnfälligen äuſserung der verzweiflung getrieben hätten.
das concrete könnte man nicht erraten, dürfte deshalb aber immer noch nicht ändern,
geschweige einen zweiten dativ einführen und ein rätselwort wie πϱώτῳ δυσμενέων,
was niemand versteht. nun wissen wir aber, daſs der persische platzcommandant
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stürzte sich in die flammen (Herod. VII 109). eine vollkommnere ἀμηχανίη δυσμε-
νέων kann man wirklich nicht verlangen, und wer dafür das recept erfunden hatte,
verdiente die gedichte. das hatten die sieger von Mykale und Plataiai noch nicht
erreicht. — interessant ist, daſs man sich in der hellenistischen zeit, als die schrift-
stellerei πεϱὶ εὑϱημάτων blühte, schon bemüht hat, eine concrete antwort zu finden,
was denn Kimon πϱῶτος ηὗϱεν, und man erfand im widerspruch mit Herodot, daſs
er die lehmziegel der mauer durch ableitung des flusses weggeschwemmt hätte, wie
es 382 Agesipolis mit Mantineia gemacht hat. das erzählt Pausanias VIII 8, 9, wo
die beziehung auf die gedichte in ᾀδομένου ὑπὸ Ἑλλήνων deutlich ist. datirt ist
die notiz durch Fabricius (Theben 16).
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[156/0170] I. 6. Die demagogen des fünften jahrhunderts. Aischylos, der einen dieser feldzüge in Thrakien mitgemacht hat, konnte nun den sieg Europas über Asien als entschieden betrachten. Sparta, das noch während der belagerung von Eion eine unrühmlich verlaufende expedition gegen Thessalien gemacht hatte, verzichtete nun auf die see; um der Perser willen konnte es das, und um seiner selbst willen muſste es das, weil die beiden archegeten, könig Leotychides und regent Pausanias ihren staat so schwer compromittirt hatten, daſs er die führung im Hellenenbunde nicht mehr beanspruchen konnte; und im Peloponne- sischen bunde erhob sich unbotmäſsigkeit. man sieht die not am besten daran, daſs Sparta weder den Leotychides abzusetzen noch den Pausanias vor gericht zu ziehen wagt: der sieger von Plataiai war immer noch eine macht, deren man gelegentlich sich zu bedienen hoffen mochte. was die verhältnisse so in Sparta erzwangen, stellt die rhetorische geschichts- schreibung als das ergebnis einer überlegung dar und legt es als actionsprogramm den Hetoimaridas in den mund. 60) 59) 60) Diodor XI 50, vgl. Kydathen 115. Diodor verteilt in dieser partie die 59) allem aber sind die verse ein bedeutendes geschichtliches document — wenn man sie versteht. die geehrten feldherrn “brachten den Medern in Eion brennenden hunger und eisigen kampf und waren so die ersten, die den feind bis zur verzweif- lung zu treiben verstanden”. Μήδων παισὶν ἐπ̕ Ἠιόνι λιμόν τ̕ αἴϑωνα κϱυεϱόν τ̕ ἐπάγοντες Ἄϱηα πϱῶτοι δυσμενέων ηὗϱον ἀμηχανίην. wer den sprachgebrauch der Griechen kennt, ändert ein πϱῶτοι ηὗϱον nicht. wer sich überlegt, daſs hier das hervorgehoben werden muſs, was die besondere auszeichnung der feldherrn be- gründet, wird sich nicht wundern, daſs sie etwas zuerst getan haben sollen. wie man den Perser schlägt, brauchte Kimon nicht erst zu erfinden, das hatte sein vater getan. was er zuerst fertig gebracht hat, ist δυσμενέων ἀμηχανίη. wenn wir weiter nichts wüſsten, so würde dies gedicht lehren, daſs hunger und kampf die Perser in Eion zu einer besonders sinnfälligen äuſserung der verzweiflung getrieben hätten. das concrete könnte man nicht erraten, dürfte deshalb aber immer noch nicht ändern, geschweige einen zweiten dativ einführen und ein rätselwort wie πϱώτῳ δυσμενέων, was niemand versteht. nun wissen wir aber, daſs der persische platzcommandant διεκαϱτέϱει εἰς τὸ ἔσχατον, und als sein proviant zu ende war, baute er einen scheiterhaufen, tö tete seine kinder und haremsfrauen, versenkte seine schätze und stürzte sich in die flammen (Herod. VII 109). eine vollkommnere ἀμηχανίη δυσμε- νέων kann man wirklich nicht verlangen, und wer dafür das recept erfunden hatte, verdiente die gedichte. das hatten die sieger von Mykale und Plataiai noch nicht erreicht. — interessant ist, daſs man sich in der hellenistischen zeit, als die schrift- stellerei πεϱὶ εὑϱημάτων blühte, schon bemüht hat, eine concrete antwort zu finden, was denn Kimon πϱῶτος ηὗϱεν, und man erfand im widerspruch mit Herodot, daſs er die lehmziegel der mauer durch ableitung des flusses weggeschwemmt hätte, wie es 382 Agesipolis mit Mantineia gemacht hat. das erzählt Pausanias VIII 8, 9, wo die beziehung auf die gedichte in ᾀδομένου ὑπὸ Ἑλλήνων deutlich ist. datirt ist die notiz durch Fabricius (Theben 16).

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/170>, abgerufen am 24.11.2024.