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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 5. Thukydides.
die namen der söhne und ihr altersverhältnis, wie es bei Aristoteles steht.
er kann also aus Aristoteles geschöpft haben, z. b. wenn es ein philo-
soph war, und bei Plutarch ist ja, wenn er aus dem gedächtnis anführt,
an einen solchen in erster linie zu denken. natürlich kann die angabe
eben so gut auf die quellen des Aristoteles zurückgehn.

Erwachsen waren die beiden ehelichen söhne um 555, der alters-
unterschied wird von Aristoteles für den damals eben gezeugten Thes-
salos ausdrücklich als sehr beträchtlich angegeben. aber Hippias soll
490 im heere des Datis gewesen sein: wenn er es war, war er ein
achtziger. ich gestehe, dass ich nicht erst jetzt die ganze geschichte bei
Herodot für sage gehalten habe. Hippias träumt den tyrannentraum21)
metri meignusthai, der sich in wunderbarer weise erfüllt (Her. VI 107):
das ist fabel; und er rät den Persern, bei Marathon zu landen, weil die
ebene für ihre reiterei vorteilhaft sei (Her. 102). das ist noch viel mehr
fabel. denn die unerträgliche debatte über diese schlacht kommt nicht zur
ruhe, so lange die völlig fabelhafte Persische reiterei nicht in ihr reich
zurückverwiesen ist. diese reiterei erscheint lediglich bei den ins un-
geheure aufgebauschten vorbereitungen (VI 95) und im rate des Hippias,
nirgend im kriegsberichte. die torheit, gegen inseln (aithuiais kai
mallon epidromoi eeper ippois) mit cavallerie vorzugehn, oder mit
cavallerie von Marathon auf Athen zu marschiren, ist den Persern nicht
leicht zuzutrauen: am wenigsten konnte ein Athener dazu raten. aber
nicht durch die erfindung einer neuen tatsache, von der keiner was
weiss, sondern durch analyse des einzigen schlachtberichtes sind die reiter
zu beseitigen. die daneben allein noch bestehende überlieferung, Mikons
gemälde, hatte sie auch nicht. so halte ich denn auch Hippias' anwesen-
heit für fabel: die Peisistratiden in Athen sind auch 490 nicht com-
promittirt gewesen, sondern haben ruhig weiter gelebt.

Die söhne der Timonassa sind Hegesistratos mit dem beinamen Thes-
salos, den er den verbindungen seines vaters mit dem thessalischen adel
verdankt haben wird, und Iophon. das ergibt eine doppelte schwierigkeit.
einmal hat es in Athen keinen Iophon unter den Peisistratiden gegeben; das
ist sicher, da Thukydides nur die drei andern auf der eheren stele gelesen
hat, die das geschlecht verbannte und dabei natürlich die personen vollzählig
nennen musste (VI 55). ferner sagt Herodotos, dass Hegesistratos tyrann

21) Soph. O. T. 982, Plat. Staat 571d, erläutert von Plutarch de prof. in virt.
12. noch Caesar soll den traum gehabt haben (Sueton 9), und die plumpere erfindung
lässt das scheussliche tatsächlich vollziehen, so von Periandros (Aristippos p. pal.
truphes bei Diogen. 1, 96) und Nero.

I. 5. Thukydides.
die namen der söhne und ihr altersverhältnis, wie es bei Aristoteles steht.
er kann also aus Aristoteles geschöpft haben, z. b. wenn es ein philo-
soph war, und bei Plutarch ist ja, wenn er aus dem gedächtnis anführt,
an einen solchen in erster linie zu denken. natürlich kann die angabe
eben so gut auf die quellen des Aristoteles zurückgehn.

Erwachsen waren die beiden ehelichen söhne um 555, der alters-
unterschied wird von Aristoteles für den damals eben gezeugten Thes-
salos ausdrücklich als sehr beträchtlich angegeben. aber Hippias soll
490 im heere des Datis gewesen sein: wenn er es war, war er ein
achtziger. ich gestehe, daſs ich nicht erst jetzt die ganze geschichte bei
Herodot für sage gehalten habe. Hippias träumt den tyrannentraum21)
μητϱὶ μείγνυσϑαι, der sich in wunderbarer weise erfüllt (Her. VI 107):
das ist fabel; und er rät den Persern, bei Marathon zu landen, weil die
ebene für ihre reiterei vorteilhaft sei (Her. 102). das ist noch viel mehr
fabel. denn die unerträgliche debatte über diese schlacht kommt nicht zur
ruhe, so lange die völlig fabelhafte Persische reiterei nicht in ihr reich
zurückverwiesen ist. diese reiterei erscheint lediglich bei den ins un-
geheure aufgebauschten vorbereitungen (VI 95) und im rate des Hippias,
nirgend im kriegsberichte. die torheit, gegen inseln (αἰϑυίαις καὶ
μᾶλλον ἐπίδϱομοι ἠέπεϱ ἵπποις) mit cavallerie vorzugehn, oder mit
cavallerie von Marathon auf Athen zu marschiren, ist den Persern nicht
leicht zuzutrauen: am wenigsten konnte ein Athener dazu raten. aber
nicht durch die erfindung einer neuen tatsache, von der keiner was
weiſs, sondern durch analyse des einzigen schlachtberichtes sind die reiter
zu beseitigen. die daneben allein noch bestehende überlieferung, Mikons
gemälde, hatte sie auch nicht. so halte ich denn auch Hippias’ anwesen-
heit für fabel: die Peisistratiden in Athen sind auch 490 nicht com-
promittirt gewesen, sondern haben ruhig weiter gelebt.

Die söhne der Timonassa sind Hegesistratos mit dem beinamen Thes-
salos, den er den verbindungen seines vaters mit dem thessalischen adel
verdankt haben wird, und Iophon. das ergibt eine doppelte schwierigkeit.
einmal hat es in Athen keinen Iophon unter den Peisistratiden gegeben; das
ist sicher, da Thukydides nur die drei andern auf der eheren stele gelesen
hat, die das geschlecht verbannte und dabei natürlich die personen vollzählig
nennen muſste (VI 55). ferner sagt Herodotos, daſs Hegesistratos tyrann

21) Soph. O. T. 982, Plat. Staat 571d, erläutert von Plutarch de prof. in virt.
12. noch Caesar soll den traum gehabt haben (Sueton 9), und die plumpere erfindung
läſst das scheuſsliche tatsächlich vollziehen, so von Periandros (Aristippos π. παλ.
τϱυφῆς bei Diogen. 1, 96) und Nero.
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[112/0126] I. 5. Thukydides. die namen der söhne und ihr altersverhältnis, wie es bei Aristoteles steht. er kann also aus Aristoteles geschöpft haben, z. b. wenn es ein philo- soph war, und bei Plutarch ist ja, wenn er aus dem gedächtnis anführt, an einen solchen in erster linie zu denken. natürlich kann die angabe eben so gut auf die quellen des Aristoteles zurückgehn. Erwachsen waren die beiden ehelichen söhne um 555, der alters- unterschied wird von Aristoteles für den damals eben gezeugten Thes- salos ausdrücklich als sehr beträchtlich angegeben. aber Hippias soll 490 im heere des Datis gewesen sein: wenn er es war, war er ein achtziger. ich gestehe, daſs ich nicht erst jetzt die ganze geschichte bei Herodot für sage gehalten habe. Hippias träumt den tyrannentraum 21) μητϱὶ μείγνυσϑαι, der sich in wunderbarer weise erfüllt (Her. VI 107): das ist fabel; und er rät den Persern, bei Marathon zu landen, weil die ebene für ihre reiterei vorteilhaft sei (Her. 102). das ist noch viel mehr fabel. denn die unerträgliche debatte über diese schlacht kommt nicht zur ruhe, so lange die völlig fabelhafte Persische reiterei nicht in ihr reich zurückverwiesen ist. diese reiterei erscheint lediglich bei den ins un- geheure aufgebauschten vorbereitungen (VI 95) und im rate des Hippias, nirgend im kriegsberichte. die torheit, gegen inseln (αἰϑυίαις καὶ μᾶλλον ἐπίδϱομοι ἠέπεϱ ἵπποις) mit cavallerie vorzugehn, oder mit cavallerie von Marathon auf Athen zu marschiren, ist den Persern nicht leicht zuzutrauen: am wenigsten konnte ein Athener dazu raten. aber nicht durch die erfindung einer neuen tatsache, von der keiner was weiſs, sondern durch analyse des einzigen schlachtberichtes sind die reiter zu beseitigen. die daneben allein noch bestehende überlieferung, Mikons gemälde, hatte sie auch nicht. so halte ich denn auch Hippias’ anwesen- heit für fabel: die Peisistratiden in Athen sind auch 490 nicht com- promittirt gewesen, sondern haben ruhig weiter gelebt. Die söhne der Timonassa sind Hegesistratos mit dem beinamen Thes- salos, den er den verbindungen seines vaters mit dem thessalischen adel verdankt haben wird, und Iophon. das ergibt eine doppelte schwierigkeit. einmal hat es in Athen keinen Iophon unter den Peisistratiden gegeben; das ist sicher, da Thukydides nur die drei andern auf der eheren stele gelesen hat, die das geschlecht verbannte und dabei natürlich die personen vollzählig nennen muſste (VI 55). ferner sagt Herodotos, daſs Hegesistratos tyrann 21) Soph. O. T. 982, Plat. Staat 571d, erläutert von Plutarch de prof. in virt. 12. noch Caesar soll den traum gehabt haben (Sueton 9), und die plumpere erfindung läſst das scheuſsliche tatsächlich vollziehen, so von Periandros (Aristippos π. παλ. τϱυφῆς bei Diogen. 1, 96) und Nero.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/126>, abgerufen am 22.11.2024.