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Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.

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Trüben fischen will und ausgleitet - was helfen ihm rüstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm.

Die Sprache ist das Volk.



Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das niedersächsische Volk und die niedersächsische Sprache poetisch waren. Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kühnsten Gedichte aus dieser "rauhen Vorzeit," wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern angewittert und durch Mönchsfedern auf die Nachwelt gekommen, verrathen niedersächsischen Dialect.

Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich barbarischen und rohen Sittenzustande angehört. Diese müssen mir, und wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnäus der deutschen Sprachgeschichte auf's Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwärtig auf dem Erdboden gesprochen wird, die an Bau und Künstlichkeit jener alt-plattdeutschen Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit hatte sie mit den ältesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen Schwester gemein und übertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von ihrer leiblichen Schönheit und jugendlichen Anmuth eingebüßt, allein sie hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschärfe, vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafür eingetauscht. Die niedersächsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und stählerne Kraft verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre grammatischen Formen wurden zerstört und in noch höherem Grade, als die der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der scharfe Gährungsprozeß der antiheidnischen neueuropäischen Bildungsfermente an der Auflösung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch dumpfes trübes Verwittern,

Trüben fischen will und ausgleitet – was helfen ihm rüstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm.

Die Sprache ist das Volk.



Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das niedersächsische Volk und die niedersächsische Sprache poetisch waren. Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kühnsten Gedichte aus dieser „rauhen Vorzeit,“ wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern angewittert und durch Mönchsfedern auf die Nachwelt gekommen, verrathen niedersächsischen Dialect.

Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich barbarischen und rohen Sittenzustande angehört. Diese müssen mir, und wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnäus der deutschen Sprachgeschichte auf’s Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwärtig auf dem Erdboden gesprochen wird, die an Bau und Künstlichkeit jener alt-plattdeutschen Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit hatte sie mit den ältesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen Schwester gemein und übertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von ihrer leiblichen Schönheit und jugendlichen Anmuth eingebüßt, allein sie hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschärfe, vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafür eingetauscht. Die niedersächsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und stählerne Kraft verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre grammatischen Formen wurden zerstört und in noch höherem Grade, als die der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der scharfe Gährungsprozeß der antiheidnischen neueuropäischen Bildungsfermente an der Auflösung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch dumpfes trübes Verwittern,

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[13/0013] Trüben fischen will und ausgleitet – was helfen ihm rüstige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm. Die Sprache ist das Volk. Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das niedersächsische Volk und die niedersächsische Sprache poetisch waren. Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kühnsten Gedichte aus dieser „rauhen Vorzeit,“ wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern angewittert und durch Mönchsfedern auf die Nachwelt gekommen, verrathen niedersächsischen Dialect. Ich weiß nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich barbarischen und rohen Sittenzustande angehört. Diese müssen mir, und wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnäus der deutschen Sprachgeschichte auf’s Wort zu glauben, daß keine Sprache gegenwärtig auf dem Erdboden gesprochen wird, die an Bau und Künstlichkeit jener alt-plattdeutschen Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit hatte sie mit den ältesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen Schwester gemein und übertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von ihrer leiblichen Schönheit und jugendlichen Anmuth eingebüßt, allein sie hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschärfe, vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafür eingetauscht. Die niedersächsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und stählerne Kraft verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre grammatischen Formen wurden zerstört und in noch höherem Grade, als die der Schwestersprache, aber ohne daß man bemerken konnte, daß der scharfe Gährungsprozeß der antiheidnischen neueuropäischen Bildungsfermente an der Auflösung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch dumpfes trübes Verwittern,

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/13>, abgerufen am 21.11.2024.