muß die Welt erst zerstören, um sie aufzubauen, sie ist der Tod der Sinne und der Sinnlichkeit, und schon Plato definirte sie als ein langsames Absterben für die bunten und wechselnden Gestal¬ ten und Erscheinungen der Welt und ein Festwer¬ den in den Ideen der Ewigkeit. Auch hängt sie in höherem Grade, als eine blos dialektische, kri¬ tische und psychologische Sekte der modernen Phi¬ losophie zugestehen mochte, mit dem religiösen Mystizismus eng zusammen.
Neben und außer der Philosophie, die sich in der Gesellschaft gleichsam isolirt, herrscht ein weites Reich des Gedankens, das sich, gleich je¬ ner, über den Zwang des Gegebenen, Historischen und Positiven erhebt, keinesweges aber mit ihr gleichsam an die äußersten Grenzen der erschaffe¬ nen Welt verliert, sondern in der Mitte und Fülle der lebendigen Schöpfung stehen bleibt und sich an den organischen und gebildeten Naturen dersel¬ ben erfreut. Auch hier ist Zweck und Resultat ein Wissen und zwar ebenfalls ein solches, das sich sowohl durch die Analogie der Erscheinungen, als durch die Harmonie mit den Gesetzen unseres Denkvermögens bewährte, ein Wissen, zu dem am Ende auch die abstrakte Philosophie gelangen muß, wenn sie, wie Herbart in Königsberg dies witzig und scharfsinnig ausgedrückt hat, wenn sie Rech¬
muß die Welt erſt zerſtoͤren, um ſie aufzubauen, ſie iſt der Tod der Sinne und der Sinnlichkeit, und ſchon Plato definirte ſie als ein langſames Abſterben fuͤr die bunten und wechſelnden Geſtal¬ ten und Erſcheinungen der Welt und ein Feſtwer¬ den in den Ideen der Ewigkeit. Auch haͤngt ſie in hoͤherem Grade, als eine blos dialektiſche, kri¬ tiſche und pſychologiſche Sekte der modernen Phi¬ loſophie zugeſtehen mochte, mit dem religioͤſen Myſtizismus eng zuſammen.
Neben und außer der Philoſophie, die ſich in der Geſellſchaft gleichſam iſolirt, herrſcht ein weites Reich des Gedankens, das ſich, gleich je¬ ner, uͤber den Zwang des Gegebenen, Hiſtoriſchen und Poſitiven erhebt, keinesweges aber mit ihr gleichſam an die aͤußerſten Grenzen der erſchaffe¬ nen Welt verliert, ſondern in der Mitte und Fuͤlle der lebendigen Schoͤpfung ſtehen bleibt und ſich an den organiſchen und gebildeten Naturen derſel¬ ben erfreut. Auch hier iſt Zweck und Reſultat ein Wiſſen und zwar ebenfalls ein ſolches, das ſich ſowohl durch die Analogie der Erſcheinungen, als durch die Harmonie mit den Geſetzen unſeres Denkvermoͤgens bewaͤhrte, ein Wiſſen, zu dem am Ende auch die abſtrakte Philoſophie gelangen muß, wenn ſie, wie Herbart in Koͤnigsberg dies witzig und ſcharfſinnig ausgedruͤckt hat, wenn ſie Rech¬
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muß die Welt erſt zerſtoͤren, um ſie aufzubauen,
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und ſchon Plato definirte ſie als ein langſames
Abſterben fuͤr die bunten und wechſelnden Geſtal¬
ten und Erſcheinungen der Welt und ein Feſtwer¬
den in den Ideen der Ewigkeit. Auch haͤngt ſie
in hoͤherem Grade, als eine blos dialektiſche, kri¬
tiſche und pſychologiſche Sekte der modernen Phi¬
loſophie zugeſtehen mochte, mit dem religioͤſen
Myſtizismus eng zuſammen.
Neben und außer der Philoſophie, die ſich
in der Geſellſchaft gleichſam iſolirt, herrſcht ein
weites Reich des Gedankens, das ſich, gleich je¬
ner, uͤber den Zwang des Gegebenen, Hiſtoriſchen
und Poſitiven erhebt, keinesweges aber mit ihr
gleichſam an die aͤußerſten Grenzen der erſchaffe¬
nen Welt verliert, ſondern in der Mitte und Fuͤlle
der lebendigen Schoͤpfung ſtehen bleibt und ſich
an den organiſchen und gebildeten Naturen derſel¬
ben erfreut. Auch hier iſt Zweck und Reſultat
ein Wiſſen und zwar ebenfalls ein ſolches, das
ſich ſowohl durch die Analogie der Erſcheinungen,
als durch die Harmonie mit den Geſetzen unſeres
Denkvermoͤgens bewaͤhrte, ein Wiſſen, zu dem am
Ende auch die abſtrakte Philoſophie gelangen muß,
wenn ſie, wie Herbart in Koͤnigsberg dies witzig
und ſcharfſinnig ausgedruͤckt hat, wenn ſie Rech¬
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/90>, abgerufen am 23.11.2024.
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