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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Tisch zu drechseln, von dem er selbst die metalle¬
nen Verzierungen gegossen oder den Ueberzug ge¬
wirkt erhält. Es wird eine Zeit kommen, wo
man des faulen, geistigen Luxus, des ewigen Wie¬
derkäuens schimmeligter theologischer und philoso¬
phischer Streitpunkte satt und überdrüssig sein
wird, wo ein Jeder, reich oder arm, groß oder
klein sich freuen und Glück wünschen wird, durch
kunstreich geübte Hand Unterhaltung in ein Leben
zu wirken, das durch geistige Ueberladung vergan¬
gener Jahrtausende erschöpft und aufgerieben wor¬
den ist. Diese Aussichten, die jetzt beinahe nur
als Träume eines Traums erscheinen, werden sich
verwirklichen durch jenen allmähligen, still fortwir¬
kenden Akt der Weltgeschichte, welcher die Ueber¬
treibungen, Einseitigkeiten, Vorurtheile früherer
Jahrhunderte pulverisirt und aus der Asche eine
neue Blume entstehen läßt, welche die Farbe der
Gesundheit und Jugend trägt.

Byron, so groß er unter den Dichtern der
neuern Zeit dasteht, war nur der Vorläufer eines
Genius, der ungetrübt durch Vorurtheile der Ge¬
burt und Erziehung, die heranbrechende Messiade
der Menschheit besingen wird.

Ob in Versen, oder in Prosa -- das ist
gleichgültig. Poesie ist Alles, was aus der inner¬
sten Natur der Menschheit dringt und es scheint

Tiſch zu drechſeln, von dem er ſelbſt die metalle¬
nen Verzierungen gegoſſen oder den Ueberzug ge¬
wirkt erhaͤlt. Es wird eine Zeit kommen, wo
man des faulen, geiſtigen Luxus, des ewigen Wie¬
derkaͤuens ſchimmeligter theologiſcher und philoſo¬
phiſcher Streitpunkte ſatt und uͤberdruͤſſig ſein
wird, wo ein Jeder, reich oder arm, groß oder
klein ſich freuen und Gluͤck wuͤnſchen wird, durch
kunſtreich geuͤbte Hand Unterhaltung in ein Leben
zu wirken, das durch geiſtige Ueberladung vergan¬
gener Jahrtauſende erſchoͤpft und aufgerieben wor¬
den iſt. Dieſe Ausſichten, die jetzt beinahe nur
als Traͤume eines Traums erſcheinen, werden ſich
verwirklichen durch jenen allmaͤhligen, ſtill fortwir¬
kenden Akt der Weltgeſchichte, welcher die Ueber¬
treibungen, Einſeitigkeiten, Vorurtheile fruͤherer
Jahrhunderte pulveriſirt und aus der Aſche eine
neue Blume entſtehen laͤßt, welche die Farbe der
Geſundheit und Jugend traͤgt.

Byron, ſo groß er unter den Dichtern der
neuern Zeit daſteht, war nur der Vorlaͤufer eines
Genius, der ungetruͤbt durch Vorurtheile der Ge¬
burt und Erziehung, die heranbrechende Meſſiade
der Menſchheit beſingen wird.

Ob in Verſen, oder in Proſa — das iſt
gleichguͤltig. Poeſie iſt Alles, was aus der inner¬
ſten Natur der Menſchheit dringt und es ſcheint

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[283/0297] Tiſch zu drechſeln, von dem er ſelbſt die metalle¬ nen Verzierungen gegoſſen oder den Ueberzug ge¬ wirkt erhaͤlt. Es wird eine Zeit kommen, wo man des faulen, geiſtigen Luxus, des ewigen Wie¬ derkaͤuens ſchimmeligter theologiſcher und philoſo¬ phiſcher Streitpunkte ſatt und uͤberdruͤſſig ſein wird, wo ein Jeder, reich oder arm, groß oder klein ſich freuen und Gluͤck wuͤnſchen wird, durch kunſtreich geuͤbte Hand Unterhaltung in ein Leben zu wirken, das durch geiſtige Ueberladung vergan¬ gener Jahrtauſende erſchoͤpft und aufgerieben wor¬ den iſt. Dieſe Ausſichten, die jetzt beinahe nur als Traͤume eines Traums erſcheinen, werden ſich verwirklichen durch jenen allmaͤhligen, ſtill fortwir¬ kenden Akt der Weltgeſchichte, welcher die Ueber¬ treibungen, Einſeitigkeiten, Vorurtheile fruͤherer Jahrhunderte pulveriſirt und aus der Aſche eine neue Blume entſtehen laͤßt, welche die Farbe der Geſundheit und Jugend traͤgt. Byron, ſo groß er unter den Dichtern der neuern Zeit daſteht, war nur der Vorlaͤufer eines Genius, der ungetruͤbt durch Vorurtheile der Ge¬ burt und Erziehung, die heranbrechende Meſſiade der Menſchheit beſingen wird. Ob in Verſen, oder in Proſa — das iſt gleichguͤltig. Poeſie iſt Alles, was aus der inner¬ ſten Natur der Menſchheit dringt und es ſcheint

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/297>, abgerufen am 02.05.2024.