warm macht und mit der man, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verschie¬ denen Alter, der verschiedenen Stände, Talente, Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der verschiedenen Zeitalter und Weltanschauungen, eben so, wie es in den genannten Rücksichten eine ver¬ schiedene Theorie der Kunst und Poesie gibt. Daß man nicht von spanischer, französischer, deutscher Moral in ihren Schulen spricht, ist kein Grund, um die sprechende Thatsache zu läugnen. Ein Gemälde vom spanischen Maler Morillo, ein Ge¬ mälde vom französischen Maler David, ein ande¬ res von unserm Albrecht Dürer, jedes derselben kann nicht entschiedener die charakteristischen Züge der Nationalität an sich tragen, als die sittliche Persönlichkeit seines Malers selbst, angeschaut vom feinen und geübten Auge des Menschenkenners und nicht vom todten des Gelehrten, das sich eben so wenig auf die Individualität der Kunst, als auf die der Moral versteht.
Diese Andeutungen stehen leicht weiter auszufüh¬ ren und mit andern zu befestigen, allein, ich hoffe, sie werden genügen, um die Ansicht vom Zusammenhange des Aesthetischen und Moralischen und von der Moral als einer Kunst unter den Künsten zu rechtfertigen
warm macht und mit der man, um mich dieſes Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verſchie¬ denen Alter, der verſchiedenen Staͤnde, Talente, Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der verſchiedenen Zeitalter und Weltanſchauungen, eben ſo, wie es in den genannten Ruͤckſichten eine ver¬ ſchiedene Theorie der Kunſt und Poeſie gibt. Daß man nicht von ſpaniſcher, franzoͤſiſcher, deutſcher Moral in ihren Schulen ſpricht, iſt kein Grund, um die ſprechende Thatſache zu laͤugnen. Ein Gemaͤlde vom ſpaniſchen Maler Morillo, ein Ge¬ maͤlde vom franzoͤſiſchen Maler David, ein ande¬ res von unſerm Albrecht Duͤrer, jedes derſelben kann nicht entſchiedener die charakteriſtiſchen Zuͤge der Nationalitaͤt an ſich tragen, als die ſittliche Perſoͤnlichkeit ſeines Malers ſelbſt, angeſchaut vom feinen und geuͤbten Auge des Menſchenkenners und nicht vom todten des Gelehrten, das ſich eben ſo wenig auf die Individualitaͤt der Kunſt, als auf die der Moral verſteht.
Dieſe Andeutungen ſtehen leicht weiter auszufuͤh¬ ren und mit andern zu befeſtigen, allein, ich hoffe, ſie werden genuͤgen, um die Anſicht vom Zuſammenhange des Aeſthetiſchen und Moraliſchen und von der Moral als einer Kunſt unter den Kuͤnſten zu rechtfertigen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0198"n="184"/>
warm macht und mit der man, um mich dieſes<lb/>
Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen<lb/>
hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verſchie¬<lb/>
denen Alter, der verſchiedenen Staͤnde, Talente,<lb/>
Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der<lb/>
verſchiedenen Zeitalter und Weltanſchauungen, eben<lb/>ſo, wie es in den genannten Ruͤckſichten eine ver¬<lb/>ſchiedene Theorie der Kunſt und Poeſie gibt. Daß<lb/>
man nicht von ſpaniſcher, franzoͤſiſcher, deutſcher<lb/>
Moral in ihren Schulen <hirendition="#g">ſpricht</hi>, iſt kein Grund,<lb/>
um die <hirendition="#g">ſprechende</hi> Thatſache zu laͤugnen. Ein<lb/>
Gemaͤlde vom ſpaniſchen Maler Morillo, ein Ge¬<lb/>
maͤlde vom franzoͤſiſchen Maler David, ein ande¬<lb/>
res von unſerm Albrecht Duͤrer, jedes derſelben<lb/>
kann nicht entſchiedener die charakteriſtiſchen Zuͤge<lb/>
der Nationalitaͤt an ſich tragen, als die ſittliche<lb/>
Perſoͤnlichkeit ſeines Malers ſelbſt, angeſchaut vom<lb/>
feinen und geuͤbten Auge des Menſchenkenners und<lb/>
nicht vom todten des Gelehrten, das ſich eben ſo<lb/>
wenig auf die Individualitaͤt der Kunſt, als auf<lb/>
die der Moral verſteht.</p><lb/><p>Dieſe Andeutungen ſtehen leicht weiter auszufuͤh¬<lb/>
ren und mit andern zu befeſtigen, allein, ich hoffe, ſie<lb/>
werden genuͤgen, um die Anſicht vom Zuſammenhange<lb/>
des Aeſthetiſchen und Moraliſchen und von der Moral<lb/>
als einer Kunſt unter den Kuͤnſten zu rechtfertigen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0198]
warm macht und mit der man, um mich dieſes
Ausdrucks zu bedienen, keinen Hund hinterm Ofen
hervorlockt. Ja es gibt eine Moral der verſchie¬
denen Alter, der verſchiedenen Staͤnde, Talente,
Stellungen, Charaktere, es gibt eine Moral der
verſchiedenen Zeitalter und Weltanſchauungen, eben
ſo, wie es in den genannten Ruͤckſichten eine ver¬
ſchiedene Theorie der Kunſt und Poeſie gibt. Daß
man nicht von ſpaniſcher, franzoͤſiſcher, deutſcher
Moral in ihren Schulen ſpricht, iſt kein Grund,
um die ſprechende Thatſache zu laͤugnen. Ein
Gemaͤlde vom ſpaniſchen Maler Morillo, ein Ge¬
maͤlde vom franzoͤſiſchen Maler David, ein ande¬
res von unſerm Albrecht Duͤrer, jedes derſelben
kann nicht entſchiedener die charakteriſtiſchen Zuͤge
der Nationalitaͤt an ſich tragen, als die ſittliche
Perſoͤnlichkeit ſeines Malers ſelbſt, angeſchaut vom
feinen und geuͤbten Auge des Menſchenkenners und
nicht vom todten des Gelehrten, das ſich eben ſo
wenig auf die Individualitaͤt der Kunſt, als auf
die der Moral verſteht.
Dieſe Andeutungen ſtehen leicht weiter auszufuͤh¬
ren und mit andern zu befeſtigen, allein, ich hoffe, ſie
werden genuͤgen, um die Anſicht vom Zuſammenhange
des Aeſthetiſchen und Moraliſchen und von der Moral
als einer Kunſt unter den Kuͤnſten zu rechtfertigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/198>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.