Beziehung auf dichterische Form und geselliges Leben, dagegen Goethe mehr die bildenden Künste, insbesondere die Antike ins Auge faßte. Bilden¬ der für den Geschmack sind bei weitem die Be¬ merkungen von Goethe, in sofern sie mehr aus dem einheitlichen Quell des Goethischen Lebens her¬ vordringen und die ungetrübtesten Anschauungen der Welt und ihrer Schönheiten in Natur, Kunst und Leben enthalten, wie die sämmtlichen Goethi¬ schen Werke, seien sie Gedichte oder Prosa. Wäh¬ rend Goethe's geistige Magnetnadel sich unverwandt gegen den schönen Kunstpol neigte, bewegt sich Schiller's ringende Natur nach den entgegengesetz¬ testen Richtungen und strebt vergebens nach dem Schwerpunkt, der seiner geistigen Natur angemes¬ sen war. Reinhold hatte ihn in Jena in die Kan¬ tische Philosophie eingeführt, als Schiller auf dor¬ tiger Akademie historische Vorlesungen hielt. Nun gerieth er zwischen zwei Feuer, das griechische der Kunst und Poesie, das in Weimar glühte, und das nordische der Philosophie, welches zu jener Zeit mit kritisch verzehrendem Feuer, von der Ostsee, aus Königsberg ausgebrochen war. Es ist gewiß, daß seine schönere Natur zuletzt den Sieg davontrug, was besonders seit der Zeit merklich wird, als die Vorurtheile zwischen ihm und Goethe hinweggefallen waren und beide große
Beziehung auf dichteriſche Form und geſelliges Leben, dagegen Goethe mehr die bildenden Kuͤnſte, insbeſondere die Antike ins Auge faßte. Bilden¬ der fuͤr den Geſchmack ſind bei weitem die Be¬ merkungen von Goethe, in ſofern ſie mehr aus dem einheitlichen Quell des Goethiſchen Lebens her¬ vordringen und die ungetruͤbteſten Anſchauungen der Welt und ihrer Schoͤnheiten in Natur, Kunſt und Leben enthalten, wie die ſaͤmmtlichen Goethi¬ ſchen Werke, ſeien ſie Gedichte oder Proſa. Waͤh¬ rend Goethe's geiſtige Magnetnadel ſich unverwandt gegen den ſchoͤnen Kunſtpol neigte, bewegt ſich Schiller's ringende Natur nach den entgegengeſetz¬ teſten Richtungen und ſtrebt vergebens nach dem Schwerpunkt, der ſeiner geiſtigen Natur angemeſ¬ ſen war. Reinhold hatte ihn in Jena in die Kan¬ tiſche Philoſophie eingefuͤhrt, als Schiller auf dor¬ tiger Akademie hiſtoriſche Vorleſungen hielt. Nun gerieth er zwiſchen zwei Feuer, das griechiſche der Kunſt und Poeſie, das in Weimar gluͤhte, und das nordiſche der Philoſophie, welches zu jener Zeit mit kritiſch verzehrendem Feuer, von der Oſtſee, aus Koͤnigsberg ausgebrochen war. Es iſt gewiß, daß ſeine ſchoͤnere Natur zuletzt den Sieg davontrug, was beſonders ſeit der Zeit merklich wird, als die Vorurtheile zwiſchen ihm und Goethe hinweggefallen waren und beide große
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[4/0018]
Beziehung auf dichteriſche Form und geſelliges
Leben, dagegen Goethe mehr die bildenden Kuͤnſte,
insbeſondere die Antike ins Auge faßte. Bilden¬
der fuͤr den Geſchmack ſind bei weitem die Be¬
merkungen von Goethe, in ſofern ſie mehr aus
dem einheitlichen Quell des Goethiſchen Lebens her¬
vordringen und die ungetruͤbteſten Anſchauungen
der Welt und ihrer Schoͤnheiten in Natur, Kunſt
und Leben enthalten, wie die ſaͤmmtlichen Goethi¬
ſchen Werke, ſeien ſie Gedichte oder Proſa. Waͤh¬
rend Goethe's geiſtige Magnetnadel ſich unverwandt
gegen den ſchoͤnen Kunſtpol neigte, bewegt ſich
Schiller's ringende Natur nach den entgegengeſetz¬
teſten Richtungen und ſtrebt vergebens nach dem
Schwerpunkt, der ſeiner geiſtigen Natur angemeſ¬
ſen war. Reinhold hatte ihn in Jena in die Kan¬
tiſche Philoſophie eingefuͤhrt, als Schiller auf dor¬
tiger Akademie hiſtoriſche Vorleſungen hielt. Nun
gerieth er zwiſchen zwei Feuer, das griechiſche
der Kunſt und Poeſie, das in Weimar gluͤhte,
und das nordiſche der Philoſophie, welches zu
jener Zeit mit kritiſch verzehrendem Feuer, von
der Oſtſee, aus Koͤnigsberg ausgebrochen war. Es
iſt gewiß, daß ſeine ſchoͤnere Natur zuletzt den
Sieg davontrug, was beſonders ſeit der Zeit
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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