Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.39. Dem Fürsten dünkt, er hab in seiner lebenszeitNie so vergnüglich mahl gehalten. Was der bewirthung fehlt, ersezt der guten Alten Vertrauliche geschwätzigkeit. Die Herren, spricht sie, kommen eben Zu einem großen fest -- "Wie so?" -- Ihr wißt es nicht? Es ist das einz'ge doch was man in Bagdad spricht; Die Tochter unsers Herrn wird morgen ausgegeben. 40. "Des Sultans Tochter? Und an wen?"Es ist der Drusen Fürst, und einer von den Neffen Des Sultans, mächtig reich und schön, Und auf dem Schachbret soll ihn keiner übertreffen; Ein Prinz, mit Einem wort, den alle welt Der schönen Rezia vollkommen würdig hält. Und doch -- gesagt in engestem vertrauen -- Sie ließe lieber sich mit einem Lindwurm trauen. 41. Das nenn' ich seltsam seyn, versezt der Paladin,Ihr werdets uns so leicht nicht glauben machen. "Ich sag's nicht ohne grund! Eh die Prinzessin ihn So nahe kommen läßt, umarmt sie einen drachen, Da bleibts dabey! -- Mir ist von langer hand Das wie und wenn der sache wohl bekannt. Zwar hab' ich reinen mund gar hoch versprechen müssen; Doch, gebt mir eure hand, so sollt ihr alles wissen. 42. Es F 2
39. Dem Fuͤrſten duͤnkt, er hab in ſeiner lebenszeitNie ſo vergnuͤglich mahl gehalten. Was der bewirthung fehlt, erſezt der guten Alten Vertrauliche geſchwaͤtzigkeit. Die Herren, ſpricht ſie, kommen eben Zu einem großen feſt — „Wie ſo?“ — Ihr wißt es nicht? Es iſt das einz'ge doch was man in Bagdad ſpricht; Die Tochter unſers Herrn wird morgen ausgegeben. 40. „Des Sultans Tochter? Und an wen?“Es iſt der Druſen Fuͤrſt, und einer von den Neffen Des Sultans, maͤchtig reich und ſchoͤn, Und auf dem Schachbret ſoll ihn keiner uͤbertreffen; Ein Prinz, mit Einem wort, den alle welt Der ſchoͤnen Rezia vollkommen wuͤrdig haͤlt. Und doch — geſagt in engeſtem vertrauen — Sie ließe lieber ſich mit einem Lindwurm trauen. 41. Das nenn' ich ſeltſam ſeyn, verſezt der Paladin,Ihr werdets uns ſo leicht nicht glauben machen. „Ich ſag's nicht ohne grund! Eh die Prinzeſſin ihn So nahe kommen laͤßt, umarmt ſie einen drachen, Da bleibts dabey! — Mir iſt von langer hand Das wie und wenn der ſache wohl bekannt. Zwar hab' ich reinen mund gar hoch verſprechen muͤſſen; Doch, gebt mir eure hand, ſo ſollt ihr alles wiſſen. 42. Es F 2
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39.
Dem Fuͤrſten duͤnkt, er hab in ſeiner lebenszeit
Nie ſo vergnuͤglich mahl gehalten.
Was der bewirthung fehlt, erſezt der guten Alten
Vertrauliche geſchwaͤtzigkeit.
Die Herren, ſpricht ſie, kommen eben
Zu einem großen feſt — „Wie ſo?“ — Ihr wißt es nicht?
Es iſt das einz'ge doch was man in Bagdad ſpricht;
Die Tochter unſers Herrn wird morgen ausgegeben.
40.
„Des Sultans Tochter? Und an wen?“
Es iſt der Druſen Fuͤrſt, und einer von den Neffen
Des Sultans, maͤchtig reich und ſchoͤn,
Und auf dem Schachbret ſoll ihn keiner uͤbertreffen;
Ein Prinz, mit Einem wort, den alle welt
Der ſchoͤnen Rezia vollkommen wuͤrdig haͤlt.
Und doch — geſagt in engeſtem vertrauen —
Sie ließe lieber ſich mit einem Lindwurm trauen.
41.
Das nenn' ich ſeltſam ſeyn, verſezt der Paladin,
Ihr werdets uns ſo leicht nicht glauben machen.
„Ich ſag's nicht ohne grund! Eh die Prinzeſſin ihn
So nahe kommen laͤßt, umarmt ſie einen drachen,
Da bleibts dabey! — Mir iſt von langer hand
Das wie und wenn der ſache wohl bekannt.
Zwar hab' ich reinen mund gar hoch verſprechen muͤſſen;
Doch, gebt mir eure hand, ſo ſollt ihr alles wiſſen.
42. Es
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/89>, abgerufen am 16.02.2025. |