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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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66.
Man hat exempel, Herr -- Und wahrlich, seit ich euch
Begleite, läugn' ich nichts, erwiedert ihm der Alte.
Doch, wenn ich euch die reine wahrheit gleich
Gestehen soll, so sag ich frey, ich halte
Nicht viel von Träumen. Fleisch und blut
Hat, wenigstens bey mir, sein spiel so oft ich träume;
Dies wußten unsre Alten gut,
Und lehrten's uns im wohlbekannten reime.
67.
Indessen, wenn ihr mir den inhalt euers traums
Vertrautet, könnt' ich euch vielleicht was bessers reimen.
Das will ich auch, spricht Hüon, ohne säumen.
Kaum rötet noch den gipfel jenes baums
Der morgenstral. Wir haben zeit zum werke.
Nur reiche mir zuvor den becher her,
Damit ich meine geister stärke;
Es liegt mir auf der brust noch immer zentnerschwer.
68.
Indeß der wundervolle becher
Den Ritter labt, sieht ihn der Alte, mäuschenstill,
Als einer an, dem's nicht gefallen will,
Den wackern sohn des braven Siegwins schwächer,
Als einem manne ziemt, zu sehn.
Ey (denkt er bey sich selbst, kopfschüttelnd) im erwachen
Noch so viel werks aus einem traum zu machen!
Doch, weil's nun so ist, mag's zum frühstück immer gehn!
Obe-
E 3
66.
Man hat exempel, Herr — Und wahrlich, ſeit ich euch
Begleite, laͤugn' ich nichts, erwiedert ihm der Alte.
Doch, wenn ich euch die reine wahrheit gleich
Geſtehen ſoll, ſo ſag ich frey, ich halte
Nicht viel von Traͤumen. Fleiſch und blut
Hat, wenigſtens bey mir, ſein ſpiel ſo oft ich traͤume;
Dies wußten unſre Alten gut,
Und lehrten's uns im wohlbekannten reime.
67.
Indeſſen, wenn ihr mir den inhalt euers traums
Vertrautet, koͤnnt' ich euch vielleicht was beſſers reimen.
Das will ich auch, ſpricht Huͤon, ohne ſaͤumen.
Kaum roͤtet noch den gipfel jenes baums
Der morgenſtral. Wir haben zeit zum werke.
Nur reiche mir zuvor den becher her,
Damit ich meine geiſter ſtaͤrke;
Es liegt mir auf der bruſt noch immer zentnerſchwer.
68.
Indeß der wundervolle becher
Den Ritter labt, ſieht ihn der Alte, maͤuschenſtill,
Als einer an, dem's nicht gefallen will,
Den wackern ſohn des braven Siegwins ſchwaͤcher,
Als einem manne ziemt, zu ſehn.
Ey (denkt er bey ſich ſelbſt, kopfſchuͤttelnd) im erwachen
Noch ſo viel werks aus einem traum zu machen!
Doch, weil's nun ſo iſt, mag's zum fruͤhſtuͤck immer gehn!
Obe-
E 3
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[0075] 66. Man hat exempel, Herr — Und wahrlich, ſeit ich euch Begleite, laͤugn' ich nichts, erwiedert ihm der Alte. Doch, wenn ich euch die reine wahrheit gleich Geſtehen ſoll, ſo ſag ich frey, ich halte Nicht viel von Traͤumen. Fleiſch und blut Hat, wenigſtens bey mir, ſein ſpiel ſo oft ich traͤume; Dies wußten unſre Alten gut, Und lehrten's uns im wohlbekannten reime. 67. Indeſſen, wenn ihr mir den inhalt euers traums Vertrautet, koͤnnt' ich euch vielleicht was beſſers reimen. Das will ich auch, ſpricht Huͤon, ohne ſaͤumen. Kaum roͤtet noch den gipfel jenes baums Der morgenſtral. Wir haben zeit zum werke. Nur reiche mir zuvor den becher her, Damit ich meine geiſter ſtaͤrke; Es liegt mir auf der bruſt noch immer zentnerſchwer. 68. Indeß der wundervolle becher Den Ritter labt, ſieht ihn der Alte, maͤuschenſtill, Als einer an, dem's nicht gefallen will, Den wackern ſohn des braven Siegwins ſchwaͤcher, Als einem manne ziemt, zu ſehn. Ey (denkt er bey ſich ſelbſt, kopfſchuͤttelnd) im erwachen Noch ſo viel werks aus einem traum zu machen! Doch, weil's nun ſo iſt, mag's zum fruͤhſtuͤck immer gehn! Obe- E 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/75>, abgerufen am 24.11.2024.