Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.18. Oft lokte sie ein heller wintertag,Wenn fern die see von strenger kälte rauchte, Der blendendweiße schnee dicht auf den bergen lag, Und izt die abendsonn' ihn wie in purpur tauchte, Dann lokte sie der wunderschöne glanz Im reinen strom der kalten luft zu baden. Wie mächtig fühlten sie sich dann gestärkt! wie ganz Durchheitert, neubelebt, und alles grams entladen! 19. Unmerklich schlüpfte so die winterzeit vorbey.Und nun erwacht aus ihrem langen schlummer Die Erde, kleidet sich aufs neu In helles grün; der wald, nicht mehr ein stummer Verödeter Ruin, wo nur die pfeiler stehn Der prächtgen laubgewölb' und hohen schattengänge Des Tempels der Natur, steht wieder voll und schön, Und laub drükt sich an laub in lieblichem gedränge. 20. Mit blumen decket sich der busen der Natur,Aufblühend lacht der garten und die flur; Man hört die luft von vogelsang erschallen; Die felsen stehn bekränzt; die fließenden krystallen Der quellen perlen wieder rein Am frischem moos herab; den immer dichtern hayn Durchschmettert schon im lauen mondenschein, Die stille nacht hindurch, das lied der nachtigallen. 21. Aman-
18. Oft lokte ſie ein heller wintertag,Wenn fern die ſee von ſtrenger kaͤlte rauchte, Der blendendweiße ſchnee dicht auf den bergen lag, Und izt die abendſonn' ihn wie in purpur tauchte, Dann lokte ſie der wunderſchoͤne glanz Im reinen ſtrom der kalten luft zu baden. Wie maͤchtig fuͤhlten ſie ſich dann geſtaͤrkt! wie ganz Durchheitert, neubelebt, und alles grams entladen! 19. Unmerklich ſchluͤpfte ſo die winterzeit vorbey.Und nun erwacht aus ihrem langen ſchlummer Die Erde, kleidet ſich aufs neu In helles gruͤn; der wald, nicht mehr ein ſtummer Veroͤdeter Ruin, wo nur die pfeiler ſtehn Der praͤchtgen laubgewoͤlb' und hohen ſchattengaͤnge Des Tempels der Natur, ſteht wieder voll und ſchoͤn, Und laub druͤkt ſich an laub in lieblichem gedraͤnge. 20. Mit blumen decket ſich der buſen der Natur,Aufbluͤhend lacht der garten und die flur; Man hoͤrt die luft von vogelſang erſchallen; Die felſen ſtehn bekraͤnzt; die fließenden kryſtallen Der quellen perlen wieder rein Am friſchem moos herab; den immer dichtern hayn Durchſchmettert ſchon im lauen mondenſchein, Die ſtille nacht hindurch, das lied der nachtigallen. 21. Aman-
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18.
Oft lokte ſie ein heller wintertag,
Wenn fern die ſee von ſtrenger kaͤlte rauchte,
Der blendendweiße ſchnee dicht auf den bergen lag,
Und izt die abendſonn' ihn wie in purpur tauchte,
Dann lokte ſie der wunderſchoͤne glanz
Im reinen ſtrom der kalten luft zu baden.
Wie maͤchtig fuͤhlten ſie ſich dann geſtaͤrkt! wie ganz
Durchheitert, neubelebt, und alles grams entladen!
19.
Unmerklich ſchluͤpfte ſo die winterzeit vorbey.
Und nun erwacht aus ihrem langen ſchlummer
Die Erde, kleidet ſich aufs neu
In helles gruͤn; der wald, nicht mehr ein ſtummer
Veroͤdeter Ruin, wo nur die pfeiler ſtehn
Der praͤchtgen laubgewoͤlb' und hohen ſchattengaͤnge
Des Tempels der Natur, ſteht wieder voll und ſchoͤn,
Und laub druͤkt ſich an laub in lieblichem gedraͤnge.
20.
Mit blumen decket ſich der buſen der Natur,
Aufbluͤhend lacht der garten und die flur;
Man hoͤrt die luft von vogelſang erſchallen;
Die felſen ſtehn bekraͤnzt; die fließenden kryſtallen
Der quellen perlen wieder rein
Am friſchem moos herab; den immer dichtern hayn
Durchſchmettert ſchon im lauen mondenſchein,
Die ſtille nacht hindurch, das lied der nachtigallen.
21. Aman-
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