Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.47. Laut schrie er auf in unnennbarem schmerz;Dann sank er hin, und lag in fürchterlicher stille. Doch endlich fällt ein stral von glauben in sein herz; Er raft sich aus des Trübsinns schwarzer hülle, Spricht mut sich ein, und fängt mit neuem eifer an Zu suchen. Lang umsonst! Schon schmilzt im Ocean Der Sonnenrand zu gold -- auf einmal, o entzücken! Entdekt die schönste frucht sich seinen gier'gen blicken. 48. Halb unter laub verstekt, halb glühend angestralt,Sah er an breitbelaubten ranken, Melonen gleich, sie auf die erde wanken, Einladend von geruch, und wunderschön bemalt. Wie hält er reichlich sich für alle müh bezahlt! Er eilt hinzu, und bricht sie; glänzend danken Zum Himmel seine augen auf, Und Freudetrunkenheit beflügelt seinen lauf. 49. Amanden, die drey tödlichlange stundenAn diesem öden strand, wo alles furcht erwekt, Wo jeder laut bedroht und selbst die stille schrekt, Sich ohne den, der nun ihr Alles ist, befunden, Ihr war ein theil der langen zeit verschwunden, Zum lager, wie es hier die noth der liebe dekt, Mit ungewohntem arm vom ufer ganze lagen Von meergras, schilf und moos der höle zuzutragen. 50. Matt
47. Laut ſchrie er auf in unnennbarem ſchmerz;Dann ſank er hin, und lag in fuͤrchterlicher ſtille. Doch endlich faͤllt ein ſtral von glauben in ſein herz; Er raft ſich aus des Truͤbſinns ſchwarzer huͤlle, Spricht mut ſich ein, und faͤngt mit neuem eifer an Zu ſuchen. Lang umſonſt! Schon ſchmilzt im Ocean Der Sonnenrand zu gold — auf einmal, o entzuͤcken! Entdekt die ſchoͤnſte frucht ſich ſeinen gier'gen blicken. 48. Halb unter laub verſtekt, halb gluͤhend angeſtralt,Sah er an breitbelaubten ranken, Melonen gleich, ſie auf die erde wanken, Einladend von geruch, und wunderſchoͤn bemalt. Wie haͤlt er reichlich ſich fuͤr alle muͤh bezahlt! Er eilt hinzu, und bricht ſie; glaͤnzend danken Zum Himmel ſeine augen auf, Und Freudetrunkenheit befluͤgelt ſeinen lauf. 49. Amanden, die drey toͤdlichlange ſtundenAn dieſem oͤden ſtrand, wo alles furcht erwekt, Wo jeder laut bedroht und ſelbſt die ſtille ſchrekt, Sich ohne den, der nun ihr Alles iſt, befunden, Ihr war ein theil der langen zeit verſchwunden, Zum lager, wie es hier die noth der liebe dekt, Mit ungewohntem arm vom ufer ganze lagen Von meergras, ſchilf und moos der hoͤle zuzutragen. 50. Matt
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0179"/> <lg n="47"> <head> <hi rendition="#c">47.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">L</hi>aut ſchrie er auf in unnennbarem ſchmerz;</l><lb/> <l>Dann ſank er hin, und lag in fuͤrchterlicher ſtille.</l><lb/> <l>Doch endlich faͤllt ein ſtral von glauben in ſein herz;</l><lb/> <l>Er raft ſich aus des Truͤbſinns ſchwarzer huͤlle,</l><lb/> <l>Spricht mut ſich ein, und faͤngt mit neuem eifer an</l><lb/> <l>Zu ſuchen. Lang umſonſt! Schon ſchmilzt im Ocean</l><lb/> <l>Der Sonnenrand zu gold — auf einmal, o entzuͤcken!</l><lb/> <l>Entdekt die ſchoͤnſte frucht ſich ſeinen gier'gen blicken.</l> </lg><lb/> <lg n="48"> <head> <hi rendition="#c">48.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">H</hi>alb unter laub verſtekt, halb gluͤhend angeſtralt,</l><lb/> <l>Sah er an breitbelaubten ranken,</l><lb/> <l>Melonen gleich, ſie auf die erde wanken,</l><lb/> <l>Einladend von geruch, und wunderſchoͤn bemalt.</l><lb/> <l>Wie haͤlt er reichlich ſich fuͤr alle muͤh bezahlt!</l><lb/> <l>Er eilt hinzu, und bricht ſie; glaͤnzend danken</l><lb/> <l>Zum Himmel ſeine augen auf,</l><lb/> <l>Und Freudetrunkenheit befluͤgelt ſeinen lauf.</l> </lg><lb/> <lg n="49"> <head> <hi rendition="#c">49.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">A</hi>manden, die drey toͤdlichlange ſtunden</l><lb/> <l>An dieſem oͤden ſtrand, wo alles furcht erwekt,</l><lb/> <l>Wo jeder laut bedroht und ſelbſt die ſtille ſchrekt,</l><lb/> <l>Sich ohne den, der nun ihr Alles iſt, befunden,</l><lb/> <l>Ihr war ein theil der langen zeit verſchwunden,</l><lb/> <l>Zum lager, wie es hier die noth der liebe dekt,</l><lb/> <l>Mit ungewohntem arm vom ufer ganze lagen</l><lb/> <l>Von meergras, ſchilf und moos der hoͤle zuzutragen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">50. Matt</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
47.
Laut ſchrie er auf in unnennbarem ſchmerz;
Dann ſank er hin, und lag in fuͤrchterlicher ſtille.
Doch endlich faͤllt ein ſtral von glauben in ſein herz;
Er raft ſich aus des Truͤbſinns ſchwarzer huͤlle,
Spricht mut ſich ein, und faͤngt mit neuem eifer an
Zu ſuchen. Lang umſonſt! Schon ſchmilzt im Ocean
Der Sonnenrand zu gold — auf einmal, o entzuͤcken!
Entdekt die ſchoͤnſte frucht ſich ſeinen gier'gen blicken.
48.
Halb unter laub verſtekt, halb gluͤhend angeſtralt,
Sah er an breitbelaubten ranken,
Melonen gleich, ſie auf die erde wanken,
Einladend von geruch, und wunderſchoͤn bemalt.
Wie haͤlt er reichlich ſich fuͤr alle muͤh bezahlt!
Er eilt hinzu, und bricht ſie; glaͤnzend danken
Zum Himmel ſeine augen auf,
Und Freudetrunkenheit befluͤgelt ſeinen lauf.
49.
Amanden, die drey toͤdlichlange ſtunden
An dieſem oͤden ſtrand, wo alles furcht erwekt,
Wo jeder laut bedroht und ſelbſt die ſtille ſchrekt,
Sich ohne den, der nun ihr Alles iſt, befunden,
Ihr war ein theil der langen zeit verſchwunden,
Zum lager, wie es hier die noth der liebe dekt,
Mit ungewohntem arm vom ufer ganze lagen
Von meergras, ſchilf und moos der hoͤle zuzutragen.
50. Matt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |