Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.24. Sein eifer wächst je mehr er raum gewinnt;Er fleht, sie weigert sich; und unvermerkt entspinnt Sich ein verständnis zwischen ihnen, Wovon die augen bloß die unterhändler sind. Denn Gangolf war nicht an den ohren blind, Und öfters kann ein ohr für hundert augen dienen. Der Alte spizt die seinen gleich und lauscht Wenn von Rosettens kleid nur eine falte rauscht. 25. Der zwang verkürzt die komplimenteDes widerstands, und in sehr kurzer zeit Sind Walter und die Dame schon so weit Daß nur die frage ist, wie man sich nähern könnte. Von ihrem Drachen, den sein husten tag und nacht Nicht ruhen läßt, gebannet und bewacht, Was wird die junge frau ersinnen, Um etwas raum und zeit für Waltern zu gewinnen? 26. Noth schärft den wiz. Indem sie hin und herAuf wege denkt, erwählt, verwirft, im besten Viel schwierigkeiten sieht, fällt ihr von ungefehr Ein Birnbaum ein mit stufengleichen ästen, Der, an der rasenbank im garten, wo sich, rund Um einen marmorbrunnen, Hecken Von myrten ziehn, hochüberhangend stund, Den schattensitz vor sonnenglut zu decken. 27. Zu
24. Sein eifer waͤchſt je mehr er raum gewinnt;Er fleht, ſie weigert ſich; und unvermerkt entſpinnt Sich ein verſtaͤndnis zwiſchen ihnen, Wovon die augen bloß die unterhaͤndler ſind. Denn Gangolf war nicht an den ohren blind, Und oͤfters kann ein ohr fuͤr hundert augen dienen. Der Alte ſpizt die ſeinen gleich und lauſcht Wenn von Roſettens kleid nur eine falte rauſcht. 25. Der zwang verkuͤrzt die komplimenteDes widerſtands, und in ſehr kurzer zeit Sind Walter und die Dame ſchon ſo weit Daß nur die frage iſt, wie man ſich naͤhern koͤnnte. Von ihrem Drachen, den ſein huſten tag und nacht Nicht ruhen laͤßt, gebannet und bewacht, Was wird die junge frau erſinnen, Um etwas raum und zeit fuͤr Waltern zu gewinnen? 26. Noth ſchaͤrft den wiz. Indem ſie hin und herAuf wege denkt, erwaͤhlt, verwirft, im beſten Viel ſchwierigkeiten ſieht, faͤllt ihr von ungefehr Ein Birnbaum ein mit ſtufengleichen aͤſten, Der, an der raſenbank im garten, wo ſich, rund Um einen marmorbrunnen, Hecken Von myrten ziehn, hochuͤberhangend ſtund, Den ſchattenſitz vor ſonnenglut zu decken. 27. Zu
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24.
Sein eifer waͤchſt je mehr er raum gewinnt;
Er fleht, ſie weigert ſich; und unvermerkt entſpinnt
Sich ein verſtaͤndnis zwiſchen ihnen,
Wovon die augen bloß die unterhaͤndler ſind.
Denn Gangolf war nicht an den ohren blind,
Und oͤfters kann ein ohr fuͤr hundert augen dienen.
Der Alte ſpizt die ſeinen gleich und lauſcht
Wenn von Roſettens kleid nur eine falte rauſcht.
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Der zwang verkuͤrzt die komplimente
Des widerſtands, und in ſehr kurzer zeit
Sind Walter und die Dame ſchon ſo weit
Daß nur die frage iſt, wie man ſich naͤhern koͤnnte.
Von ihrem Drachen, den ſein huſten tag und nacht
Nicht ruhen laͤßt, gebannet und bewacht,
Was wird die junge frau erſinnen,
Um etwas raum und zeit fuͤr Waltern zu gewinnen?
26.
Noth ſchaͤrft den wiz. Indem ſie hin und her
Auf wege denkt, erwaͤhlt, verwirft, im beſten
Viel ſchwierigkeiten ſieht, faͤllt ihr von ungefehr
Ein Birnbaum ein mit ſtufengleichen aͤſten,
Der, an der raſenbank im garten, wo ſich, rund
Um einen marmorbrunnen, Hecken
Von myrten ziehn, hochuͤberhangend ſtund,
Den ſchattenſitz vor ſonnenglut zu decken.
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/147>, abgerufen am 16.02.2025. |