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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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14.
Sie hüllt sich ein. Herr Hüon, dem die liebe
Die sinnen schärft, sieht nicht sobald
Ihr herz beklemmt, ihr schönes auge trübe,
So drükt er sie, mit zärtlicher gewalt,
Den rechten arm um ihren leib gewunden,
Zum saal hinaus. -- Komm, spricht er, eh die nacht
Uns überrascht, und jeder arm erwacht,
Den uns zu lieb der Geist mit zauberschlaf gebunden.
15.
Komm, laß uns fliehn, eh uns den weg zur flucht
Ein neuer feind vielleicht zu sperren sucht;
Und sey gewiß, sind wir nur erst geborgen,
Wird unser Schützer auch für diese schläfer sorgen.
Dies sprechend trägt er sie mit jugendlicher kraft
Die marmortrepp' hinunter bis zum Wagen,
Den Oberon zu ihrer flucht verschafft,
Und eine süßre last hat nie ein mann getragen.
16.
Die ganze Burg ist furchtbarstill und leer,
Wie eine gruft, und leichen ähnlich liegen
In tiefem schlaf die Hüter hin und her;
Nichts hemmt der liebe flucht; der wagen wird bestiegen;
Doch traut das Fräulein sich dem Ritter nicht allein,
Mit Scherasmin steigt auch die Amme hastig ein.
Sie, die zum erstenmal so viele wunder siehet,
Die arme Frau weiß nicht wie ihr geschiehet.
17. Wie
14.
Sie huͤllt ſich ein. Herr Huͤon, dem die liebe
Die ſinnen ſchaͤrft, ſieht nicht ſobald
Ihr herz beklemmt, ihr ſchoͤnes auge truͤbe,
So druͤkt er ſie, mit zaͤrtlicher gewalt,
Den rechten arm um ihren leib gewunden,
Zum ſaal hinaus. — Komm, ſpricht er, eh die nacht
Uns uͤberraſcht, und jeder arm erwacht,
Den uns zu lieb der Geiſt mit zauberſchlaf gebunden.
15.
Komm, laß uns fliehn, eh uns den weg zur flucht
Ein neuer feind vielleicht zu ſperren ſucht;
Und ſey gewiß, ſind wir nur erſt geborgen,
Wird unſer Schuͤtzer auch fuͤr dieſe ſchlaͤfer ſorgen.
Dies ſprechend traͤgt er ſie mit jugendlicher kraft
Die marmortrepp' hinunter bis zum Wagen,
Den Oberon zu ihrer flucht verſchafft,
Und eine ſuͤßre laſt hat nie ein mann getragen.
16.
Die ganze Burg iſt furchtbarſtill und leer,
Wie eine gruft, und leichen aͤhnlich liegen
In tiefem ſchlaf die Huͤter hin und her;
Nichts hemmt der liebe flucht; der wagen wird beſtiegen;
Doch traut das Fraͤulein ſich dem Ritter nicht allein,
Mit Scherasmin ſteigt auch die Amme haſtig ein.
Sie, die zum erſtenmal ſo viele wunder ſiehet,
Die arme Frau weiß nicht wie ihr geſchiehet.
17. Wie
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[0124] 14. Sie huͤllt ſich ein. Herr Huͤon, dem die liebe Die ſinnen ſchaͤrft, ſieht nicht ſobald Ihr herz beklemmt, ihr ſchoͤnes auge truͤbe, So druͤkt er ſie, mit zaͤrtlicher gewalt, Den rechten arm um ihren leib gewunden, Zum ſaal hinaus. — Komm, ſpricht er, eh die nacht Uns uͤberraſcht, und jeder arm erwacht, Den uns zu lieb der Geiſt mit zauberſchlaf gebunden. 15. Komm, laß uns fliehn, eh uns den weg zur flucht Ein neuer feind vielleicht zu ſperren ſucht; Und ſey gewiß, ſind wir nur erſt geborgen, Wird unſer Schuͤtzer auch fuͤr dieſe ſchlaͤfer ſorgen. Dies ſprechend traͤgt er ſie mit jugendlicher kraft Die marmortrepp' hinunter bis zum Wagen, Den Oberon zu ihrer flucht verſchafft, Und eine ſuͤßre laſt hat nie ein mann getragen. 16. Die ganze Burg iſt furchtbarſtill und leer, Wie eine gruft, und leichen aͤhnlich liegen In tiefem ſchlaf die Huͤter hin und her; Nichts hemmt der liebe flucht; der wagen wird beſtiegen; Doch traut das Fraͤulein ſich dem Ritter nicht allein, Mit Scherasmin ſteigt auch die Amme haſtig ein. Sie, die zum erſtenmal ſo viele wunder ſiehet, Die arme Frau weiß nicht wie ihr geſchiehet. 17. Wie

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/124>, abgerufen am 21.11.2024.