Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.48. Die nie erhörte schwärmereyLokt bald aus jedem vorgemache Erst die verschnittenen herbey, Sodann das frauenvolk und endlich gar die wache. Sie all' ergreift die lustge raserey: Der zaubertaumel sezt den ganzen Harem frey, Die gärtner selbst in ihren bunten schürzen Sieht man sich in den reyhn mit jungen nymfen stürzen. 49. Als eine, die kaum ihren augen glaubt,Steht Rezia, des athems fast beraubt. Welch wunder, ruft sie aus, und just in dem momente, Wo nichts als dies uns beyde retten könnte! Ein guter Genius ist mit uns, Königin, Versezt der Held. Indem kömmt, durch die hauffen Der tanzenden, sein treuer Scherasmin Mit Fatmen gegen sie gelauffen. 50. Kommt, keucht er, lieber Herr! Wir haben keine zeitDem tanzen zuzusehn. Die pferde stehn bereit. Die ganze Burg ist toll, die thüren stehen offen Und unbewacht; was säumen wir? Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen, Zur flucht bepakt als wie ein lastbar thier. Sey ruhig, spricht der Held, noch ists nicht zeit zu gehen, Erst muß das schwerste noch geschehen. 51. Die
48. Die nie erhoͤrte ſchwaͤrmereyLokt bald aus jedem vorgemache Erſt die verſchnittenen herbey, Sodann das frauenvolk und endlich gar die wache. Sie all' ergreift die luſtge raſerey: Der zaubertaumel ſezt den ganzen Harem frey, Die gaͤrtner ſelbſt in ihren bunten ſchuͤrzen Sieht man ſich in den reyhn mit jungen nymfen ſtuͤrzen. 49. Als eine, die kaum ihren augen glaubt,Steht Rezia, des athems faſt beraubt. Welch wunder, ruft ſie aus, und juſt in dem momente, Wo nichts als dies uns beyde retten koͤnnte! Ein guter Genius iſt mit uns, Koͤnigin, Verſezt der Held. Indem koͤmmt, durch die hauffen Der tanzenden, ſein treuer Scherasmin Mit Fatmen gegen ſie gelauffen. 50. Kommt, keucht er, lieber Herr! Wir haben keine zeitDem tanzen zuzuſehn. Die pferde ſtehn bereit. Die ganze Burg iſt toll, die thuͤren ſtehen offen Und unbewacht; was ſaͤumen wir? Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen, Zur flucht bepakt als wie ein laſtbar thier. Sey ruhig, ſpricht der Held, noch iſts nicht zeit zu gehen, Erſt muß das ſchwerſte noch geſchehen. 51. Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0114"/> <lg n="48"> <head> <hi rendition="#c">48.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie nie erhoͤrte ſchwaͤrmerey</l><lb/> <l>Lokt bald aus jedem vorgemache</l><lb/> <l>Erſt die verſchnittenen herbey,</l><lb/> <l>Sodann das frauenvolk und endlich gar die wache.</l><lb/> <l>Sie all' ergreift die luſtge raſerey:</l><lb/> <l>Der zaubertaumel ſezt den ganzen Harem frey,</l><lb/> <l>Die gaͤrtner ſelbſt in ihren bunten ſchuͤrzen</l><lb/> <l>Sieht man ſich in den reyhn mit jungen nymfen ſtuͤrzen.</l> </lg><lb/> <lg n="49"> <head> <hi rendition="#c">49.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">A</hi>ls eine, die kaum ihren augen glaubt,</l><lb/> <l>Steht Rezia, des athems faſt beraubt.</l><lb/> <l>Welch wunder, ruft ſie aus, und juſt in dem momente,</l><lb/> <l>Wo nichts als dies uns beyde retten koͤnnte!</l><lb/> <l>Ein guter Genius iſt mit uns, Koͤnigin,</l><lb/> <l>Verſezt der Held. Indem koͤmmt, durch die hauffen</l><lb/> <l>Der tanzenden, ſein treuer Scherasmin</l><lb/> <l>Mit Fatmen gegen ſie gelauffen.</l> </lg><lb/> <lg n="50"> <head> <hi rendition="#c">50.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">K</hi>ommt, keucht er, lieber Herr! Wir haben keine zeit</l><lb/> <l>Dem tanzen zuzuſehn. Die pferde ſtehn bereit.</l><lb/> <l>Die ganze Burg iſt toll, die thuͤren ſtehen offen</l><lb/> <l>Und unbewacht; was ſaͤumen wir?</l><lb/> <l>Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen,</l><lb/> <l>Zur flucht bepakt als wie ein laſtbar thier.</l><lb/> <l>Sey ruhig, ſpricht der Held, noch iſts nicht zeit zu gehen,</l><lb/> <l>Erſt muß das ſchwerſte noch geſchehen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">51. Die</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
48.
Die nie erhoͤrte ſchwaͤrmerey
Lokt bald aus jedem vorgemache
Erſt die verſchnittenen herbey,
Sodann das frauenvolk und endlich gar die wache.
Sie all' ergreift die luſtge raſerey:
Der zaubertaumel ſezt den ganzen Harem frey,
Die gaͤrtner ſelbſt in ihren bunten ſchuͤrzen
Sieht man ſich in den reyhn mit jungen nymfen ſtuͤrzen.
49.
Als eine, die kaum ihren augen glaubt,
Steht Rezia, des athems faſt beraubt.
Welch wunder, ruft ſie aus, und juſt in dem momente,
Wo nichts als dies uns beyde retten koͤnnte!
Ein guter Genius iſt mit uns, Koͤnigin,
Verſezt der Held. Indem koͤmmt, durch die hauffen
Der tanzenden, ſein treuer Scherasmin
Mit Fatmen gegen ſie gelauffen.
50.
Kommt, keucht er, lieber Herr! Wir haben keine zeit
Dem tanzen zuzuſehn. Die pferde ſtehn bereit.
Die ganze Burg iſt toll, die thuͤren ſtehen offen
Und unbewacht; was ſaͤumen wir?
Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen,
Zur flucht bepakt als wie ein laſtbar thier.
Sey ruhig, ſpricht der Held, noch iſts nicht zeit zu gehen,
Erſt muß das ſchwerſte noch geſchehen.
51. Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |