Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.18. Das feuer, das aus ihren augen strahlt,Die ungeduld, das lauschende verlangen Das ihre lippen schwellt und ihre vollen wangen Mit ungewohntem purpur mahlt, Sezt ihre Jungfrau'n in erstaunen. Ist dies die widerspenst'ge braut, (Beginnen sie einander zuzuraunen) Der gestern noch so sehr vor diesem tag gegraut? 19. Indessen sammeln sich die Emirn und Wessire,Zum fest geschmükt, im stolzen hochzeitsaal. Gerüstet steht das königliche mahl, Und, bey trompetenklang, tritt aus der goldnen thüre Des heiligen palasts, von sclaven aller art Umflossen, der Kalif mit seinem grauen bart. Der Drusenfürst, noch etwas blaß von wangen, Kömmt stattlich hinter ihm als Bräutigam gegangen. 20. Und gegenüber thut die thür von elfenbeinSich aus dem Harem auf, und, schöner als die Frauen In Mahoms Paradies, tritt auch die Braut herein. Ein schleyer zwar, gleich einem silbergrauen Gewölke wehrt dem Engelsangesicht Den vollen glanz allblendend zu enthüllen; Und dennoch scheint ein überirdisch licht Bey ihrem eintritt straks den ganzen saal zu füllen. 21. Dem
18. Das feuer, das aus ihren augen ſtrahlt,Die ungeduld, das lauſchende verlangen Das ihre lippen ſchwellt und ihre vollen wangen Mit ungewohntem purpur mahlt, Sezt ihre Jungfrau'n in erſtaunen. Iſt dies die widerſpenſt'ge braut, (Beginnen ſie einander zuzuraunen) Der geſtern noch ſo ſehr vor dieſem tag gegraut? 19. Indeſſen ſammeln ſich die Emirn und Weſſire,Zum feſt geſchmuͤkt, im ſtolzen hochzeitſaal. Geruͤſtet ſteht das koͤnigliche mahl, Und, bey trompetenklang, tritt aus der goldnen thuͤre Des heiligen palaſts, von ſclaven aller art Umfloſſen, der Kalif mit ſeinem grauen bart. Der Druſenfuͤrſt, noch etwas blaß von wangen, Koͤmmt ſtattlich hinter ihm als Braͤutigam gegangen. 20. Und gegenuͤber thut die thuͤr von elfenbeinSich aus dem Harem auf, und, ſchoͤner als die Frauen In Mahoms Paradies, tritt auch die Braut herein. Ein ſchleyer zwar, gleich einem ſilbergrauen Gewoͤlke wehrt dem Engelsangeſicht Den vollen glanz allblendend zu enthuͤllen; Und dennoch ſcheint ein uͤberirdiſch licht Bey ihrem eintritt ſtraks den ganzen ſaal zu fuͤllen. 21. Dem
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18.
Das feuer, das aus ihren augen ſtrahlt,
Die ungeduld, das lauſchende verlangen
Das ihre lippen ſchwellt und ihre vollen wangen
Mit ungewohntem purpur mahlt,
Sezt ihre Jungfrau'n in erſtaunen.
Iſt dies die widerſpenſt'ge braut,
(Beginnen ſie einander zuzuraunen)
Der geſtern noch ſo ſehr vor dieſem tag gegraut?
19.
Indeſſen ſammeln ſich die Emirn und Weſſire,
Zum feſt geſchmuͤkt, im ſtolzen hochzeitſaal.
Geruͤſtet ſteht das koͤnigliche mahl,
Und, bey trompetenklang, tritt aus der goldnen thuͤre
Des heiligen palaſts, von ſclaven aller art
Umfloſſen, der Kalif mit ſeinem grauen bart.
Der Druſenfuͤrſt, noch etwas blaß von wangen,
Koͤmmt ſtattlich hinter ihm als Braͤutigam gegangen.
20.
Und gegenuͤber thut die thuͤr von elfenbein
Sich aus dem Harem auf, und, ſchoͤner als die Frauen
In Mahoms Paradies, tritt auch die Braut herein.
Ein ſchleyer zwar, gleich einem ſilbergrauen
Gewoͤlke wehrt dem Engelsangeſicht
Den vollen glanz allblendend zu enthuͤllen;
Und dennoch ſcheint ein uͤberirdiſch licht
Bey ihrem eintritt ſtraks den ganzen ſaal zu fuͤllen.
21. Dem
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/104>, abgerufen am 31.07.2024. |