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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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38.
Denn Dem hüpft hoch das herz, so oft er seinem lieben
Gascogne Hymnen singen kann.
Die schöne Rezia, wiewol ihr dann und wann
Viel worte unverständlich blieben,
Horcht unverwandt. Denn das, wovon ihr nichts entgeht,
Was mit unsäglichem behagen,
So neu ihr's ist, ihr herz unendlich leicht versteht,
Ist -- was ihr Hüons Augen sagen.
39.
Ein sanfter druk der warmen hand,
Ein seufzer, der das volle herz entladet,
Ein leiser kuß, der rosenwang' entwandt,
Und, o! ein blik, in Amors thau gebadet,
Was überzeugt, gewinnt und rührt wie dies?
Was geht so schnell, trotz dem behendsten pfeile
Von herz zu herz, trifft so gewiß
Den zweck, und macht so wenig langeweile?
40.
In seelgesprächen dieser art
Verlohr das wortgespräch sich stets bey unsern beyden.
Oft schlichen sie, um zeugen zu vermeiden,
In ihr gemach, und standen da gepaart
Am offnen fenster, oder saßen
Auf ihrem Sofa. Doch, auch dann nicht ganz allein,
Die Amme wenigstens muß stets zugegen seyn;
Denn Hüon selber bat ihn nie allein zu lassen.
41. Noch
38.
Denn Dem huͤpft hoch das herz, ſo oft er ſeinem lieben
Gaſcogne Hymnen ſingen kann.
Die ſchoͤne Rezia, wiewol ihr dann und wann
Viel worte unverſtaͤndlich blieben,
Horcht unverwandt. Denn das, wovon ihr nichts entgeht,
Was mit unſaͤglichem behagen,
So neu ihr's iſt, ihr herz unendlich leicht verſteht,
Iſt — was ihr Huͤons Augen ſagen.
39.
Ein ſanfter druk der warmen hand,
Ein ſeufzer, der das volle herz entladet,
Ein leiſer kuß, der roſenwang' entwandt,
Und, o! ein blik, in Amors thau gebadet,
Was uͤberzeugt, gewinnt und ruͤhrt wie dies?
Was geht ſo ſchnell, trotz dem behendſten pfeile
Von herz zu herz, trifft ſo gewiß
Den zweck, und macht ſo wenig langeweile?
40.
In ſeelgeſpraͤchen dieſer art
Verlohr das wortgeſpraͤch ſich ſtets bey unſern beyden.
Oft ſchlichen ſie, um zeugen zu vermeiden,
In ihr gemach, und ſtanden da gepaart
Am offnen fenſter, oder ſaßen
Auf ihrem Sofa. Doch, auch dann nicht ganz allein,
Die Amme wenigſtens muß ſtets zugegen ſeyn;
Denn Huͤon ſelber bat ihn nie allein zu laſſen.
41. Noch
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[0132] 38. Denn Dem huͤpft hoch das herz, ſo oft er ſeinem lieben Gaſcogne Hymnen ſingen kann. Die ſchoͤne Rezia, wiewol ihr dann und wann Viel worte unverſtaͤndlich blieben, Horcht unverwandt. Denn das, wovon ihr nichts entgeht, Was mit unſaͤglichem behagen, So neu ihr's iſt, ihr herz unendlich leicht verſteht, Iſt — was ihr Huͤons Augen ſagen. 39. Ein ſanfter druk der warmen hand, Ein ſeufzer, der das volle herz entladet, Ein leiſer kuß, der roſenwang' entwandt, Und, o! ein blik, in Amors thau gebadet, Was uͤberzeugt, gewinnt und ruͤhrt wie dies? Was geht ſo ſchnell, trotz dem behendſten pfeile Von herz zu herz, trifft ſo gewiß Den zweck, und macht ſo wenig langeweile? 40. In ſeelgeſpraͤchen dieſer art Verlohr das wortgeſpraͤch ſich ſtets bey unſern beyden. Oft ſchlichen ſie, um zeugen zu vermeiden, In ihr gemach, und ſtanden da gepaart Am offnen fenſter, oder ſaßen Auf ihrem Sofa. Doch, auch dann nicht ganz allein, Die Amme wenigſtens muß ſtets zugegen ſeyn; Denn Huͤon ſelber bat ihn nie allein zu laſſen. 41. Noch

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/132>, abgerufen am 29.11.2024.