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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
rauben, und aus der Liebe eine blosse regelmässige Stil-
lung eines physischen Bedürfnisses zu machen. Der Dienst,
welcher der Welt dadurch geleistet würde, müßte noth-
wendig einen Theil der schlimmen Würkung thun,
welche auf eine allgemeine Unterdrükung der Leidenschaf-
ten in der menschlichen Gesellschaft erfolgen müßte.

Hier ist also unser Rath -- die Tartüffen, und
die armen Köpfe, welche die Welt bereden wollen, die
Excremente ihres milzsüchtigen Gehirns für Reliquien
zu küssen, mögen ihre Köpfe schütteln so stark sie kön-
nen! -- Meine jungen Freunde, beschäftiget euch
mit den Vorbereitungen zu eurer Bestimmung --
oder mit ihrer würklichen Erfüllung. Bewerbet euch
um die Verdienste, von denen die Hochachtung der Ver-
nünftigen und der Nachwelt die Belohnung ist; und
um die Tugend, welche allein den innerlichen Wohl-
stand unsers Wesens ausmacht -- Haltet ein, Herr
Sittenlehrer, ruffet ihr; das ist nicht was wir von
euch hören wollten, alles das hat uns Claville besser
gesagt, als ihr es könntet, und Abbt besser als Cla-
ville -- euer Mittel gegen die Liebe? --
Mittel gegen die Liebe? dafür behüte uns der Him-
mel! -- oder wenn ihr dergleichen wollt, so fin-
det ihr sie bey allen moralischen Quaksalbern, und --
in allen Apotheken. Unser Rath geht gerade auf das
Gegentheil. Wenn ihr ja lieben wollt oder müßt -- --
nun, so kommt alles, glaubet mir, auf den Gegenstand

an

Agathon.
rauben, und aus der Liebe eine bloſſe regelmaͤſſige Stil-
lung eines phyſiſchen Beduͤrfniſſes zu machen. Der Dienſt,
welcher der Welt dadurch geleiſtet wuͤrde, muͤßte noth-
wendig einen Theil der ſchlimmen Wuͤrkung thun,
welche auf eine allgemeine Unterdruͤkung der Leidenſchaf-
ten in der menſchlichen Geſellſchaft erfolgen muͤßte.

Hier iſt alſo unſer Rath — die Tartuͤffen, und
die armen Koͤpfe, welche die Welt bereden wollen, die
Excremente ihres milzſuͤchtigen Gehirns fuͤr Reliquien
zu kuͤſſen, moͤgen ihre Koͤpfe ſchuͤtteln ſo ſtark ſie koͤn-
nen! — Meine jungen Freunde, beſchaͤftiget euch
mit den Vorbereitungen zu eurer Beſtimmung —
oder mit ihrer wuͤrklichen Erfuͤllung. Bewerbet euch
um die Verdienſte, von denen die Hochachtung der Ver-
nuͤnftigen und der Nachwelt die Belohnung iſt; und
um die Tugend, welche allein den innerlichen Wohl-
ſtand unſers Weſens ausmacht — Haltet ein, Herr
Sittenlehrer, ruffet ihr; das iſt nicht was wir von
euch hoͤren wollten, alles das hat uns Claville beſſer
geſagt, als ihr es koͤnntet, und Abbt beſſer als Cla-
ville — euer Mittel gegen die Liebe?
Mittel gegen die Liebe? dafuͤr behuͤte uns der Him-
mel! — oder wenn ihr dergleichen wollt, ſo fin-
det ihr ſie bey allen moraliſchen Quakſalbern, und —
in allen Apotheken. Unſer Rath geht gerade auf das
Gegentheil. Wenn ihr ja lieben wollt oder muͤßt — —
nun, ſo kommt alles, glaubet mir, auf den Gegenſtand

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[46/0048] Agathon. rauben, und aus der Liebe eine bloſſe regelmaͤſſige Stil- lung eines phyſiſchen Beduͤrfniſſes zu machen. Der Dienſt, welcher der Welt dadurch geleiſtet wuͤrde, muͤßte noth- wendig einen Theil der ſchlimmen Wuͤrkung thun, welche auf eine allgemeine Unterdruͤkung der Leidenſchaf- ten in der menſchlichen Geſellſchaft erfolgen muͤßte. Hier iſt alſo unſer Rath — die Tartuͤffen, und die armen Koͤpfe, welche die Welt bereden wollen, die Excremente ihres milzſuͤchtigen Gehirns fuͤr Reliquien zu kuͤſſen, moͤgen ihre Koͤpfe ſchuͤtteln ſo ſtark ſie koͤn- nen! — Meine jungen Freunde, beſchaͤftiget euch mit den Vorbereitungen zu eurer Beſtimmung — oder mit ihrer wuͤrklichen Erfuͤllung. Bewerbet euch um die Verdienſte, von denen die Hochachtung der Ver- nuͤnftigen und der Nachwelt die Belohnung iſt; und um die Tugend, welche allein den innerlichen Wohl- ſtand unſers Weſens ausmacht — Haltet ein, Herr Sittenlehrer, ruffet ihr; das iſt nicht was wir von euch hoͤren wollten, alles das hat uns Claville beſſer geſagt, als ihr es koͤnntet, und Abbt beſſer als Cla- ville — euer Mittel gegen die Liebe? — Mittel gegen die Liebe? dafuͤr behuͤte uns der Him- mel! — oder wenn ihr dergleichen wollt, ſo fin- det ihr ſie bey allen moraliſchen Quakſalbern, und — in allen Apotheken. Unſer Rath geht gerade auf das Gegentheil. Wenn ihr ja lieben wollt oder muͤßt — — nun, ſo kommt alles, glaubet mir, auf den Gegenſtand an

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/48>, abgerufen am 24.11.2024.