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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Eilftes Buch, viertes Capitel.
stuhnd sie auf, näherte sich dem Critolaus, und ließ dem
mehr als jemals bezauberten Agathon Zeit, sich in eine
ruhigere Gemüthsfassung zu sezen.

Coetera intus agentur -- Unsere schönen Leserinnen
wissen nun schon genug, um sich vorstellen zu können,
was diese zärtliche Scene für Folgen haben mußte.
Danae und Critolaus wurden gar bald gute Freunde.
Dieser junge Mann gestuhnd, seine Psyche ausgenom-
men, nichts vollkommners gesehen zu haben, als Danae;
und Danae erfuhr mit vielem Vergnügen, daß Critolaus
der Gemahl der schönen Psyche, und Psyche die wieder-
gefundene Schwester Agathons sey. Sie hatte nicht
viel Mühe ihre Gäste zu bereden, das Nachtlager in
ihrem Hause anzunehmen; unsre Liebenden hätten also
die Schuld sich selbst beymessen müssen, wenn sie keine
Gelegenheit gefunden hätten, sich umständlich zu bespre-
chen, und gegen einander zu erklären. Die schöne
Danae meldete ihrem Freunde, daß sie die Verrätherey
des Hippias, und die Ursache der heimlichen Entweichung
Agathons, bey ihrer Zurükkunft nach Smyrna bald ent-
dekt habe. Sie verbarg ihm nicht, daß der Schmerz
ihn verlohren zu haben, sie zu dem seltsamen Entschluß
gebracht, der Welt zu entsagen, und in irgend einer
entlegenen Einöde sich selbst für die Schwachheiten und
Fehltritte ihres vergangenen Lebens zu bestraffen; jedoch
sezte sie hinzu, hoffe sie, daß wenn sie einmal Gelegen-
heit haben würde, ihm eine ganz aufrichtige und um-
ständliche Erzählung der Geschichte ihres Herzens bis

auf

Eilftes Buch, viertes Capitel.
ſtuhnd ſie auf, naͤherte ſich dem Critolaus, und ließ dem
mehr als jemals bezauberten Agathon Zeit, ſich in eine
ruhigere Gemuͤthsfaſſung zu ſezen.

Cœtera intus agentur ‒‒ Unſere ſchoͤnen Leſerinnen
wiſſen nun ſchon genug, um ſich vorſtellen zu koͤnnen,
was dieſe zaͤrtliche Scene fuͤr Folgen haben mußte.
Danae und Critolaus wurden gar bald gute Freunde.
Dieſer junge Mann geſtuhnd, ſeine Pſyche ausgenom-
men, nichts vollkommners geſehen zu haben, als Danae;
und Danae erfuhr mit vielem Vergnuͤgen, daß Critolaus
der Gemahl der ſchoͤnen Pſyche, und Pſyche die wieder-
gefundene Schweſter Agathons ſey. Sie hatte nicht
viel Muͤhe ihre Gaͤſte zu bereden, das Nachtlager in
ihrem Hauſe anzunehmen; unſre Liebenden haͤtten alſo
die Schuld ſich ſelbſt beymeſſen muͤſſen, wenn ſie keine
Gelegenheit gefunden haͤtten, ſich umſtaͤndlich zu beſpre-
chen, und gegen einander zu erklaͤren. Die ſchoͤne
Danae meldete ihrem Freunde, daß ſie die Verraͤtherey
des Hippias, und die Urſache der heimlichen Entweichung
Agathons, bey ihrer Zuruͤkkunft nach Smyrna bald ent-
dekt habe. Sie verbarg ihm nicht, daß der Schmerz
ihn verlohren zu haben, ſie zu dem ſeltſamen Entſchluß
gebracht, der Welt zu entſagen, und in irgend einer
entlegenen Einoͤde ſich ſelbſt fuͤr die Schwachheiten und
Fehltritte ihres vergangenen Lebens zu beſtraffen; jedoch
ſezte ſie hinzu, hoffe ſie, daß wenn ſie einmal Gelegen-
heit haben wuͤrde, ihm eine ganz aufrichtige und um-
ſtaͤndliche Erzaͤhlung der Geſchichte ihres Herzens bis

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[347/0349] Eilftes Buch, viertes Capitel. ſtuhnd ſie auf, naͤherte ſich dem Critolaus, und ließ dem mehr als jemals bezauberten Agathon Zeit, ſich in eine ruhigere Gemuͤthsfaſſung zu ſezen. Cœtera intus agentur ‒‒ Unſere ſchoͤnen Leſerinnen wiſſen nun ſchon genug, um ſich vorſtellen zu koͤnnen, was dieſe zaͤrtliche Scene fuͤr Folgen haben mußte. Danae und Critolaus wurden gar bald gute Freunde. Dieſer junge Mann geſtuhnd, ſeine Pſyche ausgenom- men, nichts vollkommners geſehen zu haben, als Danae; und Danae erfuhr mit vielem Vergnuͤgen, daß Critolaus der Gemahl der ſchoͤnen Pſyche, und Pſyche die wieder- gefundene Schweſter Agathons ſey. Sie hatte nicht viel Muͤhe ihre Gaͤſte zu bereden, das Nachtlager in ihrem Hauſe anzunehmen; unſre Liebenden haͤtten alſo die Schuld ſich ſelbſt beymeſſen muͤſſen, wenn ſie keine Gelegenheit gefunden haͤtten, ſich umſtaͤndlich zu beſpre- chen, und gegen einander zu erklaͤren. Die ſchoͤne Danae meldete ihrem Freunde, daß ſie die Verraͤtherey des Hippias, und die Urſache der heimlichen Entweichung Agathons, bey ihrer Zuruͤkkunft nach Smyrna bald ent- dekt habe. Sie verbarg ihm nicht, daß der Schmerz ihn verlohren zu haben, ſie zu dem ſeltſamen Entſchluß gebracht, der Welt zu entſagen, und in irgend einer entlegenen Einoͤde ſich ſelbſt fuͤr die Schwachheiten und Fehltritte ihres vergangenen Lebens zu beſtraffen; jedoch ſezte ſie hinzu, hoffe ſie, daß wenn ſie einmal Gelegen- heit haben wuͤrde, ihm eine ganz aufrichtige und um- ſtaͤndliche Erzaͤhlung der Geſchichte ihres Herzens bis auf

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/349>, abgerufen am 22.11.2024.