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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Zehentes Buch, drittes Capitel.
fündige Delicatesse mußte endlich der gründlichern Be-
trachtung weichen, daß er durch Ausschlagung eines so
billig scheinenden Verglichs sich selbst in Gefahr sezen
würde, ohne daß seiner Partey einiger Vortheil da-
durch zugienge; indem Dionys viel eher einwilligen
würde, ihn in der Stille aus dem Wege räumen zu lassen,
als zu zugeben, daß er mit soviel neuen Reizungen zur
Rache die Freyheit bekommen sollte, der Faction des
Dions wieder neues Leben einzuhauchen, und sich mit
diesem Prinzen zu seinem Untergang zu vereinigen. Die
reizenden Schilderungen, so ihm die Tarentiner von
dem glüklichen Leben machten, welches in dem ruhigen
Schoosse ihres Vaterlandes, und in der Gesellschaft
seiner Freunde auf ihn warte, vollendeten die Würkung,
welche natürlicher Weise der gewaltsame Zustand von Un-
ruhe, Sorgen und heftigen Leidenschaften, worinn er
einige Zeit her gelebt hatte, auf ein Gemüthe wie das
seinige machen mußte; und gaben ihm zu gleicher Zeit
den ganzen Abscheu vor dem geschäftigen Leben, welchen
er nach seiner Verbannung von Athen dagegen gefaßt,
und den ganzen Hang, welchen er zu Delphi für das
Contemplative gehabt hatte, wieder. Er bequemte sich
also endlich, einen Schritt zu thun, der ihm von den
Freunden Dions für eine feigherzige Verlassung der
guten Sache ausgelegt wurde; in der That aber das
einzige war, was ihm in den Umständen, worinn er
sich befand, vernünftiger Weise zu thun übrig blieb.
Wie viel dunkle Stunden würde er sich selbst, und wie
viele Sorgen und Mühe seinen Freunden erspart haben,

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Zehentes Buch, drittes Capitel.
fuͤndige Delicateſſe mußte endlich der gruͤndlichern Be-
trachtung weichen, daß er durch Ausſchlagung eines ſo
billig ſcheinenden Verglichs ſich ſelbſt in Gefahr ſezen
wuͤrde, ohne daß ſeiner Partey einiger Vortheil da-
durch zugienge; indem Dionys viel eher einwilligen
wuͤrde, ihn in der Stille aus dem Wege raͤumen zu laſſen,
als zu zugeben, daß er mit ſoviel neuen Reizungen zur
Rache die Freyheit bekommen ſollte, der Faction des
Dions wieder neues Leben einzuhauchen, und ſich mit
dieſem Prinzen zu ſeinem Untergang zu vereinigen. Die
reizenden Schilderungen, ſo ihm die Tarentiner von
dem gluͤklichen Leben machten, welches in dem ruhigen
Schooſſe ihres Vaterlandes, und in der Geſellſchaft
ſeiner Freunde auf ihn warte, vollendeten die Wuͤrkung,
welche natuͤrlicher Weiſe der gewaltſame Zuſtand von Un-
ruhe, Sorgen und heftigen Leidenſchaften, worinn er
einige Zeit her gelebt hatte, auf ein Gemuͤthe wie das
ſeinige machen mußte; und gaben ihm zu gleicher Zeit
den ganzen Abſcheu vor dem geſchaͤftigen Leben, welchen
er nach ſeiner Verbannung von Athen dagegen gefaßt,
und den ganzen Hang, welchen er zu Delphi fuͤr das
Contemplative gehabt hatte, wieder. Er bequemte ſich
alſo endlich, einen Schritt zu thun, der ihm von den
Freunden Dions fuͤr eine feigherzige Verlaſſung der
guten Sache ausgelegt wurde; in der That aber das
einzige war, was ihm in den Umſtaͤnden, worinn er
ſich befand, vernuͤnftiger Weiſe zu thun uͤbrig blieb.
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viele Sorgen und Muͤhe ſeinen Freunden erſpart haben,

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[261/0263] Zehentes Buch, drittes Capitel. fuͤndige Delicateſſe mußte endlich der gruͤndlichern Be- trachtung weichen, daß er durch Ausſchlagung eines ſo billig ſcheinenden Verglichs ſich ſelbſt in Gefahr ſezen wuͤrde, ohne daß ſeiner Partey einiger Vortheil da- durch zugienge; indem Dionys viel eher einwilligen wuͤrde, ihn in der Stille aus dem Wege raͤumen zu laſſen, als zu zugeben, daß er mit ſoviel neuen Reizungen zur Rache die Freyheit bekommen ſollte, der Faction des Dions wieder neues Leben einzuhauchen, und ſich mit dieſem Prinzen zu ſeinem Untergang zu vereinigen. Die reizenden Schilderungen, ſo ihm die Tarentiner von dem gluͤklichen Leben machten, welches in dem ruhigen Schooſſe ihres Vaterlandes, und in der Geſellſchaft ſeiner Freunde auf ihn warte, vollendeten die Wuͤrkung, welche natuͤrlicher Weiſe der gewaltſame Zuſtand von Un- ruhe, Sorgen und heftigen Leidenſchaften, worinn er einige Zeit her gelebt hatte, auf ein Gemuͤthe wie das ſeinige machen mußte; und gaben ihm zu gleicher Zeit den ganzen Abſcheu vor dem geſchaͤftigen Leben, welchen er nach ſeiner Verbannung von Athen dagegen gefaßt, und den ganzen Hang, welchen er zu Delphi fuͤr das Contemplative gehabt hatte, wieder. Er bequemte ſich alſo endlich, einen Schritt zu thun, der ihm von den Freunden Dions fuͤr eine feigherzige Verlaſſung der guten Sache ausgelegt wurde; in der That aber das einzige war, was ihm in den Umſtaͤnden, worinn er ſich befand, vernuͤnftiger Weiſe zu thun uͤbrig blieb. Wie viel dunkle Stunden wuͤrde er ſich ſelbſt, und wie viele Sorgen und Muͤhe ſeinen Freunden erſpart haben, wenn R 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/263>, abgerufen am 25.11.2024.