hat: Als Agathon, zum Unglük für ihn und für Sici- lien, durch einen Eifer, der an einem Staats-Mann von so vieler Einsicht kaum zu entschuldigen war, sich verleiten ließ, den glüklichen Fortgang der verschiedenen Absichten, welchen Dionys -- Cleonissa -- die Princes- sinnen -- und vielleicht auch Philistus -- schon so nahe zu seyn glaubten, durch seine unzeitige Dazwischenkunft zu unterbrechen.
Drittes Capitel. Grosse Fehler wider die Staats-Kunst, welche Agathon begieng --- Folgen davon.
Die Vertraulichkeit, worin Dionys mit seinen Günst- lingen zu leben pflegte, und das natürliche Bedürfnis eines Verliebten, jemand zu haben, dem er sein Leiden oder seine Glükseligkeit entdeken kan -- hatten ihm nicht erlaubt, dem Agathon aus seiner neuen Liebe ein Ge- heimniß zu machen; und dieser trieb die Gefälligkeit an- fänglich so weit, sich von dem schwazhaftesten Liebha- ber, der jemals gewesen war, mit den Angelegenheiten seines Herzens ganze Stunden durch langeweile machen zu lassen, in denen es dem guten Prinzen kein einziges mal einfiel, daß diese Angelegenheiten einem dritten un- möglich so wichtig vorkommen könnten, als sie ihm selbst waren. Ohne seine Wahl geradezu zu mißbilligen (wo- von er eine schlechte Würkung hätte hoffen können) be- gnügte er sich anfangs, ihm die Schwierigkeiten, welche er bey einer Dame von so strenger und systematischer
Tugend
Agathon.
hat: Als Agathon, zum Ungluͤk fuͤr ihn und fuͤr Sici- lien, durch einen Eifer, der an einem Staats-Mann von ſo vieler Einſicht kaum zu entſchuldigen war, ſich verleiten ließ, den gluͤklichen Fortgang der verſchiedenen Abſichten, welchen Dionys ‒‒ Cleoniſſa ‒‒ die Princeſ- ſinnen ‒‒ und vielleicht auch Philiſtus ‒‒ ſchon ſo nahe zu ſeyn glaubten, durch ſeine unzeitige Dazwiſchenkunft zu unterbrechen.
Drittes Capitel. Groſſe Fehler wider die Staats-Kunſt, welche Agathon begieng ‒‒‒ Folgen davon.
Die Vertraulichkeit, worin Dionys mit ſeinen Guͤnſt- lingen zu leben pflegte, und das natuͤrliche Beduͤrfnis eines Verliebten, jemand zu haben, dem er ſein Leiden oder ſeine Gluͤkſeligkeit entdeken kan ‒‒ hatten ihm nicht erlaubt, dem Agathon aus ſeiner neuen Liebe ein Ge- heimniß zu machen; und dieſer trieb die Gefaͤlligkeit an- faͤnglich ſo weit, ſich von dem ſchwazhafteſten Liebha- ber, der jemals geweſen war, mit den Angelegenheiten ſeines Herzens ganze Stunden durch langeweile machen zu laſſen, in denen es dem guten Prinzen kein einziges mal einfiel, daß dieſe Angelegenheiten einem dritten un- moͤglich ſo wichtig vorkommen koͤnnten, als ſie ihm ſelbſt waren. Ohne ſeine Wahl geradezu zu mißbilligen (wo- von er eine ſchlechte Wuͤrkung haͤtte hoffen koͤnnen) be- gnuͤgte er ſich anfangs, ihm die Schwierigkeiten, welche er bey einer Dame von ſo ſtrenger und ſyſtematiſcher
Tugend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0236"n="234"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/>
hat: Als Agathon, zum Ungluͤk fuͤr ihn und fuͤr Sici-<lb/>
lien, durch einen Eifer, der an einem Staats-Mann<lb/>
von ſo vieler Einſicht kaum zu entſchuldigen war, ſich<lb/>
verleiten ließ, den gluͤklichen Fortgang der verſchiedenen<lb/>
Abſichten, welchen Dionys ‒‒ Cleoniſſa ‒‒ die Princeſ-<lb/>ſinnen ‒‒ und vielleicht auch Philiſtus ‒‒ſchon ſo nahe<lb/>
zu ſeyn glaubten, durch ſeine unzeitige Dazwiſchenkunft<lb/>
zu unterbrechen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Drittes Capitel.</hi><lb/>
Groſſe Fehler wider die Staats-Kunſt, welche<lb/>
Agathon begieng ‒‒‒ Folgen davon.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Vertraulichkeit, worin Dionys mit ſeinen Guͤnſt-<lb/>
lingen zu leben pflegte, und das natuͤrliche Beduͤrfnis<lb/>
eines Verliebten, jemand zu haben, dem er ſein Leiden<lb/>
oder ſeine Gluͤkſeligkeit entdeken kan ‒‒ hatten ihm nicht<lb/>
erlaubt, dem Agathon aus ſeiner neuen Liebe ein Ge-<lb/>
heimniß zu machen; und dieſer trieb die Gefaͤlligkeit an-<lb/>
faͤnglich ſo weit, ſich von dem ſchwazhafteſten Liebha-<lb/>
ber, der jemals geweſen war, mit den Angelegenheiten<lb/>ſeines Herzens ganze Stunden durch langeweile machen<lb/>
zu laſſen, in denen es dem guten Prinzen kein einziges<lb/>
mal einfiel, daß dieſe Angelegenheiten einem dritten un-<lb/>
moͤglich ſo wichtig vorkommen koͤnnten, als ſie ihm ſelbſt<lb/>
waren. Ohne ſeine Wahl geradezu zu mißbilligen (wo-<lb/>
von er eine ſchlechte Wuͤrkung haͤtte hoffen koͤnnen) be-<lb/>
gnuͤgte er ſich anfangs, ihm die Schwierigkeiten, welche<lb/>
er bey einer Dame von ſo ſtrenger und ſyſtematiſcher<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Tugend</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[234/0236]
Agathon.
hat: Als Agathon, zum Ungluͤk fuͤr ihn und fuͤr Sici-
lien, durch einen Eifer, der an einem Staats-Mann
von ſo vieler Einſicht kaum zu entſchuldigen war, ſich
verleiten ließ, den gluͤklichen Fortgang der verſchiedenen
Abſichten, welchen Dionys ‒‒ Cleoniſſa ‒‒ die Princeſ-
ſinnen ‒‒ und vielleicht auch Philiſtus ‒‒ ſchon ſo nahe
zu ſeyn glaubten, durch ſeine unzeitige Dazwiſchenkunft
zu unterbrechen.
Drittes Capitel.
Groſſe Fehler wider die Staats-Kunſt, welche
Agathon begieng ‒‒‒ Folgen davon.
Die Vertraulichkeit, worin Dionys mit ſeinen Guͤnſt-
lingen zu leben pflegte, und das natuͤrliche Beduͤrfnis
eines Verliebten, jemand zu haben, dem er ſein Leiden
oder ſeine Gluͤkſeligkeit entdeken kan ‒‒ hatten ihm nicht
erlaubt, dem Agathon aus ſeiner neuen Liebe ein Ge-
heimniß zu machen; und dieſer trieb die Gefaͤlligkeit an-
faͤnglich ſo weit, ſich von dem ſchwazhafteſten Liebha-
ber, der jemals geweſen war, mit den Angelegenheiten
ſeines Herzens ganze Stunden durch langeweile machen
zu laſſen, in denen es dem guten Prinzen kein einziges
mal einfiel, daß dieſe Angelegenheiten einem dritten un-
moͤglich ſo wichtig vorkommen koͤnnten, als ſie ihm ſelbſt
waren. Ohne ſeine Wahl geradezu zu mißbilligen (wo-
von er eine ſchlechte Wuͤrkung haͤtte hoffen koͤnnen) be-
gnuͤgte er ſich anfangs, ihm die Schwierigkeiten, welche
er bey einer Dame von ſo ſtrenger und ſyſtematiſcher
Tugend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/236>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.