Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. selbst zu unterliegen pflegten, gleichgültig oder gewaf-net fanden; so blieb ihnen, bis auf irgend eine günstige Gelegenheit nichts übrig, als ihn durch den magischen Dunst einer subtilen Schmeicheley einzuschläfern, welche er desto leichter für Freundschaft halten konnte, da sie alle Anscheinungen derselben hatte; und je mehr er be- rechtiget war, in einem Lande, worinn er sich um alle verdient machte, einen jeden für seinen Freund zu hal- ten. Diese Absicht gelang ihnen, und man muß ge- stehen, daß sie dadurch schon ein grosses über ihn ge- wonnen hatten. Uebrigens können wir nicht umhin, es mag nun un- zu --
Agathon. ſelbſt zu unterliegen pflegten, gleichguͤltig oder gewaf-net fanden; ſo blieb ihnen, bis auf irgend eine guͤnſtige Gelegenheit nichts uͤbrig, als ihn durch den magiſchen Dunſt einer ſubtilen Schmeicheley einzuſchlaͤfern, welche er deſto leichter fuͤr Freundſchaft halten konnte, da ſie alle Anſcheinungen derſelben hatte; und je mehr er be- rechtiget war, in einem Lande, worinn er ſich um alle verdient machte, einen jeden fuͤr ſeinen Freund zu hal- ten. Dieſe Abſicht gelang ihnen, und man muß ge- ſtehen, daß ſie dadurch ſchon ein groſſes uͤber ihn ge- wonnen hatten. Uebrigens koͤnnen wir nicht umhin, es mag nun un- zu ‒‒
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Agathon.
ſelbſt zu unterliegen pflegten, gleichguͤltig oder gewaf-
net fanden; ſo blieb ihnen, bis auf irgend eine guͤnſtige
Gelegenheit nichts uͤbrig, als ihn durch den magiſchen
Dunſt einer ſubtilen Schmeicheley einzuſchlaͤfern, welche
er deſto leichter fuͤr Freundſchaft halten konnte, da ſie
alle Anſcheinungen derſelben hatte; und je mehr er be-
rechtiget war, in einem Lande, worinn er ſich um alle
verdient machte, einen jeden fuͤr ſeinen Freund zu hal-
ten. Dieſe Abſicht gelang ihnen, und man muß ge-
ſtehen, daß ſie dadurch ſchon ein groſſes uͤber ihn ge-
wonnen hatten.
Uebrigens koͤnnen wir nicht umhin, es mag nun un-
ſerm Helden nachtheilig ſeyn oder nicht, zu geſtehen,
daß zu einer Zeit, da ſein Anſehen den hoͤchſten Gipfel
erreicht hatte; da Dionys ihn mit Beweiſen einer un-
begrenzten Gunſt uͤberhaͤufte; da er von dem ganzen
Sicilien fuͤr ſeinen Schuzgott angeſehen wurde, und
das ſeltne, wo nicht ganz unerhoͤrte Gluͤk zu genieſſen
ſchien, in einem ſo blendenden Gluͤksſtande lauter Be-
wundrer und Freunde, und keinen Feind zu haben ‒‒
die Damen zu Syracus die einzigen waren, welche
ihre wenige Zufriedenheit mit ſeinem Betragen ziemlich
deutlich merken lieſſen. Mit einer Figur wie die
ſeinige, mit allem dem was den Augen und Herzen
nachſtellt in ſo auſſerordentlichem Grade begabt, war
es ſehr natuͤrlich, daß er die Aufmerkſamkeit der Schoͤnen
auf ſich ziehen mußte. Die Damen zu Syracus hatten
ſo gut Augen wie die zu Smyrna ‒‒‒ und Herzen da-
zu ‒‒
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