nur nächtliche Spiele der Phantasie, und nicht vielmehr innerliche Ahnungen wären, Blike, welche der Geist in der Stille und Freyheit, die ihm die schlummerndeu Sinne lassen, in die Zukunft und in eine weitere Sphäre thut, als diejenige, die von der Schwäche ihrer cör- perlichen Sinne umschrieben wird.
Jn einer solchen Stunde war es, als Hippias, den die Anmuth einer schönen Sommer-Nacht zum Spazier- gang einlud, ihn unter diesen Beschauungen überraschte, denen er, in der Meynung, allein zu seyn, sich zu überlassen pflegte. Hippias blieb eine Weile vor ihm stehen, ohne daß Agathon seiner gewahr wurde; end- lich aber redet' er ihn an, und ließ sich in ein Gespräch mit ihm ein; welches ihn nur allzusehr in dem Arg- wohn bestärkte, den er von dem Hang unsers Helden zu demjenigen, was er Schwärmerey nannte, bereits gefaßt hatte.
Sechstes
Agathon.
nur naͤchtliche Spiele der Phantaſie, und nicht vielmehr innerliche Ahnungen waͤren, Blike, welche der Geiſt in der Stille und Freyheit, die ihm die ſchlummerndeu Sinne laſſen, in die Zukunft und in eine weitere Sphaͤre thut, als diejenige, die von der Schwaͤche ihrer coͤr- perlichen Sinne umſchrieben wird.
Jn einer ſolchen Stunde war es, als Hippias, den die Anmuth einer ſchoͤnen Sommer-Nacht zum Spazier- gang einlud, ihn unter dieſen Beſchauungen uͤberraſchte, denen er, in der Meynung, allein zu ſeyn, ſich zu uͤberlaſſen pflegte. Hippias blieb eine Weile vor ihm ſtehen, ohne daß Agathon ſeiner gewahr wurde; end- lich aber redet’ er ihn an, und ließ ſich in ein Geſpraͤch mit ihm ein; welches ihn nur allzuſehr in dem Arg- wohn beſtaͤrkte, den er von dem Hang unſers Helden zu demjenigen, was er Schwaͤrmerey nannte, bereits gefaßt hatte.
Sechstes
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Agathon.
nur naͤchtliche Spiele der Phantaſie, und nicht vielmehr
innerliche Ahnungen waͤren, Blike, welche der Geiſt in
der Stille und Freyheit, die ihm die ſchlummerndeu
Sinne laſſen, in die Zukunft und in eine weitere Sphaͤre
thut, als diejenige, die von der Schwaͤche ihrer coͤr-
perlichen Sinne umſchrieben wird.
Jn einer ſolchen Stunde war es, als Hippias, den
die Anmuth einer ſchoͤnen Sommer-Nacht zum Spazier-
gang einlud, ihn unter dieſen Beſchauungen uͤberraſchte,
denen er, in der Meynung, allein zu ſeyn, ſich zu
uͤberlaſſen pflegte. Hippias blieb eine Weile vor ihm
ſtehen, ohne daß Agathon ſeiner gewahr wurde; end-
lich aber redet’ er ihn an, und ließ ſich in ein Geſpraͤch
mit ihm ein; welches ihn nur allzuſehr in dem Arg-
wohn beſtaͤrkte, den er von dem Hang unſers Helden
zu demjenigen, was er Schwaͤrmerey nannte, bereits
gefaßt hatte.
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/78>, abgerufen am 21.11.2024.
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