Neuntes Capitel. Wie Psyche und Agathon wieder getrennt werden.
Nachdem unsre Liebhaber aus ihrer Entzükung zurük- gekommen waren, verlangte Psyche von Agathon eben dieselbe Gefälligkeit, die sie durch Erzehlung ihrer Bege- benheiten für seine Neugierde gehabt hatte. Er melde- te ihr also, wiewol ihm die Zeit nicht erlaubte um- ständlich zu seyn, auf was Weise er von Delphi ent- flohen, wie er mit einem Athenienser bekannt gewor- den, und wie sich entdeket habe, daß dieser Athenienser sein Vater sey; wie er durch einen Zufall in die öffent- lichen Angelegenheiten verwikelt und durch seine Be- redsamkeit dem Volke angenehm geworden; die Dienste, die er der Republik geleistet; durch was für Mittel seine Neider das Volk wider ihn aufgebracht, und wie er vor wenig Tagen mit Verlust aller seiner väterli- chen Güter und Ansprüche lebenslänglich aus Athen verbannt worden; wie er den Entschluß gefaßt, eine Reise in die Morgenländer vorzunehmen, und durch was für einen Zufall er in die Hände der Cilicier ge- rathen. Sie fiengen nun auch an, sich über die Mit- tel ihrer Befreyung zu berathschlagen; allein die Bewe- gungen, welche die allmählich erwachenden Räuber machten, nöthigten Psyche sich aufs eilfertigste zu verber- gen, um einem Verdacht zuvorzukommen, wovon der
Schat-
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Erſtes Buch, Neuntes Capitel.
Neuntes Capitel. Wie Pſyche und Agathon wieder getrennt werden.
Nachdem unſre Liebhaber aus ihrer Entzuͤkung zuruͤk- gekommen waren, verlangte Pſyche von Agathon eben dieſelbe Gefaͤlligkeit, die ſie durch Erzehlung ihrer Bege- benheiten fuͤr ſeine Neugierde gehabt hatte. Er melde- te ihr alſo, wiewol ihm die Zeit nicht erlaubte um- ſtaͤndlich zu ſeyn, auf was Weiſe er von Delphi ent- flohen, wie er mit einem Athenienſer bekannt gewor- den, und wie ſich entdeket habe, daß dieſer Athenienſer ſein Vater ſey; wie er durch einen Zufall in die oͤffent- lichen Angelegenheiten verwikelt und durch ſeine Be- redſamkeit dem Volke angenehm geworden; die Dienſte, die er der Republik geleiſtet; durch was fuͤr Mittel ſeine Neider das Volk wider ihn aufgebracht, und wie er vor wenig Tagen mit Verluſt aller ſeiner vaͤterli- chen Guͤter und Anſpruͤche lebenslaͤnglich aus Athen verbannt worden; wie er den Entſchluß gefaßt, eine Reiſe in die Morgenlaͤnder vorzunehmen, und durch was fuͤr einen Zufall er in die Haͤnde der Cilicier ge- rathen. Sie fiengen nun auch an, ſich uͤber die Mit- tel ihrer Befreyung zu berathſchlagen; allein die Bewe- gungen, welche die allmaͤhlich erwachenden Raͤuber machten, noͤthigten Pſyche ſich aufs eilfertigſte zu verber- gen, um einem Verdacht zuvorzukommen, wovon der
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Erſtes Buch, Neuntes Capitel.
Neuntes Capitel.
Wie Pſyche und Agathon wieder getrennt
werden.
Nachdem unſre Liebhaber aus ihrer Entzuͤkung zuruͤk-
gekommen waren, verlangte Pſyche von Agathon eben
dieſelbe Gefaͤlligkeit, die ſie durch Erzehlung ihrer Bege-
benheiten fuͤr ſeine Neugierde gehabt hatte. Er melde-
te ihr alſo, wiewol ihm die Zeit nicht erlaubte um-
ſtaͤndlich zu ſeyn, auf was Weiſe er von Delphi ent-
flohen, wie er mit einem Athenienſer bekannt gewor-
den, und wie ſich entdeket habe, daß dieſer Athenienſer
ſein Vater ſey; wie er durch einen Zufall in die oͤffent-
lichen Angelegenheiten verwikelt und durch ſeine Be-
redſamkeit dem Volke angenehm geworden; die Dienſte,
die er der Republik geleiſtet; durch was fuͤr Mittel
ſeine Neider das Volk wider ihn aufgebracht, und wie
er vor wenig Tagen mit Verluſt aller ſeiner vaͤterli-
chen Guͤter und Anſpruͤche lebenslaͤnglich aus Athen
verbannt worden; wie er den Entſchluß gefaßt, eine
Reiſe in die Morgenlaͤnder vorzunehmen, und durch
was fuͤr einen Zufall er in die Haͤnde der Cilicier ge-
rathen. Sie fiengen nun auch an, ſich uͤber die Mit-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/47>, abgerufen am 18.12.2024.
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