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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Siebentes Buch, sechstes Capitel.
schaft über das Meer fest zu sezen; nicht in der Absicht
Eroberungen zu machen, sondern sich in eine solche Ach-
tung bey den Auswärtigen zu sezen, daß jedermann
ihre Freundschaft suche, und niemand es wagen dürfe,
ihren Unwillen zu reizen; daß für einen am Meer gele-
genen Frey-Staat ein gutes Vernehmen mit allen übri-
gen Völkern, und eine so weit als nur möglich ausge-
breitete Handlung, der natürliche und unfehlbare Weg
sey, nach und nach zu einer Grösse zu gelangen, deren
Ziel nicht abzusehen sey; daß aber hiezu die Erhaltung
seiner eigenen Freyheit, und zu dieser die Freyheit aller
übrigen, sonderheitlich der benachbarten, oder wenig-
stens ihre Erhaltung bey ihrer alten und natürlichen
Form und Verfassung, nöthig sey; daß Bündnisse mit
seinen Nachbarn, und eine solche Freundschaft, wobey
der andere eben so wol seinen Vortheil sinde, als wir
den unsrigen, einem solchen Staat weit mehr Macht,
Ansehen und Einfluß auf die allgemeine Verfassung des
politischen Systems der Welt geben müßten, als die
Unterwerffung derselben, weil ein Freund allezeit mehr
werth sey, als ein Sclave; daß die Gerechtigkeit der
einzige Grund der Macht und Dauer eines Staats, so
wie das einzige Band der Gesellschaft zwischen einzelnen
Menschen und ganzen Nationen, sey; daß diese Gerechtig-
keit fodre, eine jede politische Gesellschaft (sie möge
groß oder klein seyn) als unsers gleichen anzusehen,
und ihr eben die Rechte zu zugestehen, welche wir für
uns selbst foderten; daß ein nach diesen Grund-Säzen
eingerichtetes Betragen das gewisseste Mittel sey, sich ein

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Siebentes Buch, ſechstes Capitel.
ſchaft uͤber das Meer feſt zu ſezen; nicht in der Abſicht
Eroberungen zu machen, ſondern ſich in eine ſolche Ach-
tung bey den Auswaͤrtigen zu ſezen, daß jedermann
ihre Freundſchaft ſuche, und niemand es wagen duͤrfe,
ihren Unwillen zu reizen; daß fuͤr einen am Meer gele-
genen Frey-Staat ein gutes Vernehmen mit allen uͤbri-
gen Voͤlkern, und eine ſo weit als nur moͤglich ausge-
breitete Handlung, der natuͤrliche und unfehlbare Weg
ſey, nach und nach zu einer Groͤſſe zu gelangen, deren
Ziel nicht abzuſehen ſey; daß aber hiezu die Erhaltung
ſeiner eigenen Freyheit, und zu dieſer die Freyheit aller
uͤbrigen, ſonderheitlich der benachbarten, oder wenig-
ſtens ihre Erhaltung bey ihrer alten und natuͤrlichen
Form und Verfaſſung, noͤthig ſey; daß Buͤndniſſe mit
ſeinen Nachbarn, und eine ſolche Freundſchaft, wobey
der andere eben ſo wol ſeinen Vortheil ſinde, als wir
den unſrigen, einem ſolchen Staat weit mehr Macht,
Anſehen und Einfluß auf die allgemeine Verfaſſung des
politiſchen Syſtems der Welt geben muͤßten, als die
Unterwerffung derſelben, weil ein Freund allezeit mehr
werth ſey, als ein Sclave; daß die Gerechtigkeit der
einzige Grund der Macht und Dauer eines Staats, ſo
wie das einzige Band der Geſellſchaft zwiſchen einzelnen
Menſchen und ganzen Nationen, ſey; daß dieſe Gerechtig-
keit fodre, eine jede politiſche Geſellſchaft (ſie moͤge
groß oder klein ſeyn) als unſers gleichen anzuſehen,
und ihr eben die Rechte zu zugeſtehen, welche wir fuͤr
uns ſelbſt foderten; daß ein nach dieſen Grund-Saͤzen
eingerichtetes Betragen das gewiſſeſte Mittel ſey, ſich ein

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[343/0365] Siebentes Buch, ſechstes Capitel. ſchaft uͤber das Meer feſt zu ſezen; nicht in der Abſicht Eroberungen zu machen, ſondern ſich in eine ſolche Ach- tung bey den Auswaͤrtigen zu ſezen, daß jedermann ihre Freundſchaft ſuche, und niemand es wagen duͤrfe, ihren Unwillen zu reizen; daß fuͤr einen am Meer gele- genen Frey-Staat ein gutes Vernehmen mit allen uͤbri- gen Voͤlkern, und eine ſo weit als nur moͤglich ausge- breitete Handlung, der natuͤrliche und unfehlbare Weg ſey, nach und nach zu einer Groͤſſe zu gelangen, deren Ziel nicht abzuſehen ſey; daß aber hiezu die Erhaltung ſeiner eigenen Freyheit, und zu dieſer die Freyheit aller uͤbrigen, ſonderheitlich der benachbarten, oder wenig- ſtens ihre Erhaltung bey ihrer alten und natuͤrlichen Form und Verfaſſung, noͤthig ſey; daß Buͤndniſſe mit ſeinen Nachbarn, und eine ſolche Freundſchaft, wobey der andere eben ſo wol ſeinen Vortheil ſinde, als wir den unſrigen, einem ſolchen Staat weit mehr Macht, Anſehen und Einfluß auf die allgemeine Verfaſſung des politiſchen Syſtems der Welt geben muͤßten, als die Unterwerffung derſelben, weil ein Freund allezeit mehr werth ſey, als ein Sclave; daß die Gerechtigkeit der einzige Grund der Macht und Dauer eines Staats, ſo wie das einzige Band der Geſellſchaft zwiſchen einzelnen Menſchen und ganzen Nationen, ſey; daß dieſe Gerechtig- keit fodre, eine jede politiſche Geſellſchaft (ſie moͤge groß oder klein ſeyn) als unſers gleichen anzuſehen, und ihr eben die Rechte zu zugeſtehen, welche wir fuͤr uns ſelbſt foderten; daß ein nach dieſen Grund-Saͤzen eingerichtetes Betragen das gewiſſeſte Mittel ſey, ſich ein allge- Y 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/365>, abgerufen am 22.11.2024.