Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. nunft in seiner Betrübniß sey; er glanbte bey nähererVergleichung zu finden, daß seine Leidenschaft für Danae durch die Vollkommenheit des Gegenstands gänzlich ge- rechtfertiget würden, und so vorzüglich ihm kurz zuvor die Glükseligkeit seines delphischen Lebens, und die un- schuldigen Freuden der ersten noch unerfahrnen Liebe geschienen hatten; so unwesentlich fand er sie izt in Vergleichung mit demjenigen, was ihn die schöne Da- nae in ihren Armen hatte erfahren lassen. Das blosse Andenken daran sezte sein Blut in Feuer, und seine Seele in Entzükung; seine angesirengteste Einbildung erlag unter der Bestrebung eine vollkommnere Wonne zu erfinden. Psyche schien ihm izt, so liebenswürdig sie immer eignen
Agathon. nunft in ſeiner Betruͤbniß ſey; er glanbte bey naͤhererVergleichung zu finden, daß ſeine Leidenſchaft fuͤr Danae durch die Vollkommenheit des Gegenſtands gaͤnzlich ge- rechtfertiget wuͤrden, und ſo vorzuͤglich ihm kurz zuvor die Gluͤkſeligkeit ſeines delphiſchen Lebens, und die un- ſchuldigen Freuden der erſten noch unerfahrnen Liebe geſchienen hatten; ſo unweſentlich fand er ſie izt in Vergleichung mit demjenigen, was ihn die ſchoͤne Da- nae in ihren Armen hatte erfahren laſſen. Das bloſſe Andenken daran ſezte ſein Blut in Feuer, und ſeine Seele in Entzuͤkung; ſeine angeſirengteſte Einbildung erlag unter der Beſtrebung eine vollkommnere Wonne zu erfinden. Pſyche ſchien ihm izt, ſo liebenswuͤrdig ſie immer eignen
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Agathon.
nunft in ſeiner Betruͤbniß ſey; er glanbte bey naͤherer
Vergleichung zu finden, daß ſeine Leidenſchaft fuͤr Danae
durch die Vollkommenheit des Gegenſtands gaͤnzlich ge-
rechtfertiget wuͤrden, und ſo vorzuͤglich ihm kurz zuvor
die Gluͤkſeligkeit ſeines delphiſchen Lebens, und die un-
ſchuldigen Freuden der erſten noch unerfahrnen Liebe
geſchienen hatten; ſo unweſentlich fand er ſie izt in
Vergleichung mit demjenigen, was ihn die ſchoͤne Da-
nae in ihren Armen hatte erfahren laſſen. Das bloſſe
Andenken daran ſezte ſein Blut in Feuer, und ſeine
Seele in Entzuͤkung; ſeine angeſirengteſte Einbildung
erlag unter der Beſtrebung eine vollkommnere Wonne
zu erfinden.
Pſyche ſchien ihm izt, ſo liebenswuͤrdig ſie immer
ſeyn mochte, zu nichts anderm beſtimmt geweſen zu
ſeyn, als die Empfindlichkeit ſeines Herzens zu entwi-
keln, um ihn faͤhig zu machen, die Vorzuͤge der unver-
gleichlichen Danae zu empfinden. Er ſchrieb es
einem Ruͤkfall in ſeine ehmalige Schwaͤrmerey zu, daß
er ſich durch einen Traum, welchen er mit aller ſeiner
ſonderbaren Beſchaffenheit, doch fuͤr nichts mehr als
ein Spiel der Phantaſie halten konnte, in ſo heftige
Bewegungen haͤtte ſezen laſſen. Das einzige, was ihn
noch heunruhigte, war der Vorwurf der Untreue ge-
gen ſeine einſt ſo zaͤrtlich geliebte und ſo zaͤrtlich wie-
der liebende Pſyche. Allein die Unmoͤglichkeit von der
unwiderſtehlichen Danae nicht uͤberwunden zu werden;
(ein Punct, wovon er ſo vollkommen als von ſeinem
eignen
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