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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
lich zu seyn wünschten. Sie arbeiten nur für denjeni-
gen, der ihre Bemühung für sein Vergnügen belohnen
kann. Der König von Persien selbst ist nicht mäch-
tig genug, den Zeuxes zu zwingen, daß er ihm eine
Leda mahle. Nur die Zauberkraft des Goldes, wel-
chem eine allgemeine Uebereinkunft der gesitteten Völker
den Werth aller nüzlichen und angenehmen Dinge bey-
gelegt hat, kann den Genie und den Fleiß einem Mi-
das dienstbar machen, der ohne seine Schäze kaum so
viel werth wäre, dem Mahler, der für ihn arbeitet,
die Farben zu reiben. Die Kunst, sich die Mittel zur
Glükseligkeit zu verschaffen, ist also schon gefunden,
mein lieber Callias, sobald wir die Kunst gefunden ha-
ben, einen genugsamen Vorrath von diesem Steine der
Weisen zu bekommen, der uns die ganze Natur unter-
wirft, der Millionen von unsers Gleichen zu frey-
willigen Sclaven unsrer Ueppigkeit macht, und der uns
in jedem schlauen Kopf einen dienstwilligen Mercur,
und dnrch den unwiderstehlichen Glanz eines goldnen
Regens, in jeder Schönen eine Dange finden läßt. Die
Kunst reich zu werden, Callias, ist im Grunde nichts an-
ders, als die Kunst, sich des Eigenthums andrer Leute mit
ihrem guten Willen zu bemächtigen. Ein Despot hat
unter dem Schuz eines Vorurtheils, welches demjeni-
gen sehr ähnlich ist, womit die Egypter den Crocodil
vergötterten, in diesem Stük einen ungemeinen Vor-
theil: Da sich seine Rechte so weit erstreken als seine
Macht, und diese Macht durch keine Pflichten einge-
schränkt ist, weil ihn niemand zwingen kann, sie zu er-

füllen;

Agathon.
lich zu ſeyn wuͤnſchten. Sie arbeiten nur fuͤr denjeni-
gen, der ihre Bemuͤhung fuͤr ſein Vergnuͤgen belohnen
kann. Der Koͤnig von Perſien ſelbſt iſt nicht maͤch-
tig genug, den Zeuxes zu zwingen, daß er ihm eine
Leda mahle. Nur die Zauberkraft des Goldes, wel-
chem eine allgemeine Uebereinkunft der geſitteten Voͤlker
den Werth aller nuͤzlichen und angenehmen Dinge bey-
gelegt hat, kann den Genie und den Fleiß einem Mi-
das dienſtbar machen, der ohne ſeine Schaͤze kaum ſo
viel werth waͤre, dem Mahler, der fuͤr ihn arbeitet,
die Farben zu reiben. Die Kunſt, ſich die Mittel zur
Gluͤkſeligkeit zu verſchaffen, iſt alſo ſchon gefunden,
mein lieber Callias, ſobald wir die Kunſt gefunden ha-
ben, einen genugſamen Vorrath von dieſem Steine der
Weiſen zu bekommen, der uns die ganze Natur unter-
wirft, der Millionen von unſers Gleichen zu frey-
willigen Sclaven unſrer Ueppigkeit macht, und der uns
in jedem ſchlauen Kopf einen dienſtwilligen Mercur,
und dnrch den unwiderſtehlichen Glanz eines goldnen
Regens, in jeder Schoͤnen eine Dange finden laͤßt. Die
Kunſt reich zu werden, Callias, iſt im Grunde nichts an-
ders, als die Kunſt, ſich des Eigenthums andrer Leute mit
ihrem guten Willen zu bemaͤchtigen. Ein Deſpot hat
unter dem Schuz eines Vorurtheils, welches demjeni-
gen ſehr aͤhnlich iſt, womit die Egypter den Crocodil
vergoͤtterten, in dieſem Stuͤk einen ungemeinen Vor-
theil: Da ſich ſeine Rechte ſo weit erſtreken als ſeine
Macht, und dieſe Macht durch keine Pflichten einge-
ſchraͤnkt iſt, weil ihn niemand zwingen kann, ſie zu er-

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[102/0124] Agathon. lich zu ſeyn wuͤnſchten. Sie arbeiten nur fuͤr denjeni- gen, der ihre Bemuͤhung fuͤr ſein Vergnuͤgen belohnen kann. Der Koͤnig von Perſien ſelbſt iſt nicht maͤch- tig genug, den Zeuxes zu zwingen, daß er ihm eine Leda mahle. Nur die Zauberkraft des Goldes, wel- chem eine allgemeine Uebereinkunft der geſitteten Voͤlker den Werth aller nuͤzlichen und angenehmen Dinge bey- gelegt hat, kann den Genie und den Fleiß einem Mi- das dienſtbar machen, der ohne ſeine Schaͤze kaum ſo viel werth waͤre, dem Mahler, der fuͤr ihn arbeitet, die Farben zu reiben. Die Kunſt, ſich die Mittel zur Gluͤkſeligkeit zu verſchaffen, iſt alſo ſchon gefunden, mein lieber Callias, ſobald wir die Kunſt gefunden ha- ben, einen genugſamen Vorrath von dieſem Steine der Weiſen zu bekommen, der uns die ganze Natur unter- wirft, der Millionen von unſers Gleichen zu frey- willigen Sclaven unſrer Ueppigkeit macht, und der uns in jedem ſchlauen Kopf einen dienſtwilligen Mercur, und dnrch den unwiderſtehlichen Glanz eines goldnen Regens, in jeder Schoͤnen eine Dange finden laͤßt. Die Kunſt reich zu werden, Callias, iſt im Grunde nichts an- ders, als die Kunſt, ſich des Eigenthums andrer Leute mit ihrem guten Willen zu bemaͤchtigen. Ein Deſpot hat unter dem Schuz eines Vorurtheils, welches demjeni- gen ſehr aͤhnlich iſt, womit die Egypter den Crocodil vergoͤtterten, in dieſem Stuͤk einen ungemeinen Vor- theil: Da ſich ſeine Rechte ſo weit erſtreken als ſeine Macht, und dieſe Macht durch keine Pflichten einge- ſchraͤnkt iſt, weil ihn niemand zwingen kann, ſie zu er- fuͤllen;

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/124>, abgerufen am 26.04.2024.