Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gen an den Bach und strichen Rühs an, bis er wieder zu sich kam. Einige Bauern murrten zwar, daß es jetzt genug sei; der Basler ließ sich aber nicht erbitten, bis der Maurer entstellt und verwirrt aus dem Walde gerannt kam und rief: Laßt ihn gehen; er ist unschuldig am Blut; der Junge hat's gethan, ich weiß es gewiß! Darüber erhob sich ein Streit unter den Gesellen, weil der Hauptmann die Büchse wieder angelegt hatte und Rühs wieder umgesunken war. Ein Holzwagen knarrte im Walde; der Basler lachte: Jetzt ist er gestraft! warf dem Jäger seine geladene Büchse wieder vor die Füße und winkte seinen Gesellen ab. Rühs griff instinktmäßig und halb betäubt nach seinem Gewehr; er wollte auffahren und dem Bauern eine Kugel nachsenden; aber die Kraft verließ ihn. Es wäre auch Gott versucht! stammelte er; es wurde ihm schwarz vor den Augen. Er mußte lange gelegen haben; denn als ihn Otto in diesem Zustande traf, spielte die Sonne lustig im Laub und der Thau war aufgesogen. Der Jüngling schleppte ihn an die Ruhbank unter den sieben Buchen, treu besorgt um den Alten, der endlich die Sprache fand und nun des Langen und Breiten erzählte. So hat der Maurerkarle vor zwanzig Jahren doch Recht gehabt, sagte er -- stockte aber inmitten der Rede und schaute gegen den Berg. gen an den Bach und strichen Rühs an, bis er wieder zu sich kam. Einige Bauern murrten zwar, daß es jetzt genug sei; der Basler ließ sich aber nicht erbitten, bis der Maurer entstellt und verwirrt aus dem Walde gerannt kam und rief: Laßt ihn gehen; er ist unschuldig am Blut; der Junge hat's gethan, ich weiß es gewiß! Darüber erhob sich ein Streit unter den Gesellen, weil der Hauptmann die Büchse wieder angelegt hatte und Rühs wieder umgesunken war. Ein Holzwagen knarrte im Walde; der Basler lachte: Jetzt ist er gestraft! warf dem Jäger seine geladene Büchse wieder vor die Füße und winkte seinen Gesellen ab. Rühs griff instinktmäßig und halb betäubt nach seinem Gewehr; er wollte auffahren und dem Bauern eine Kugel nachsenden; aber die Kraft verließ ihn. Es wäre auch Gott versucht! stammelte er; es wurde ihm schwarz vor den Augen. Er mußte lange gelegen haben; denn als ihn Otto in diesem Zustande traf, spielte die Sonne lustig im Laub und der Thau war aufgesogen. Der Jüngling schleppte ihn an die Ruhbank unter den sieben Buchen, treu besorgt um den Alten, der endlich die Sprache fand und nun des Langen und Breiten erzählte. So hat der Maurerkarle vor zwanzig Jahren doch Recht gehabt, sagte er — stockte aber inmitten der Rede und schaute gegen den Berg. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072"/> gen an den Bach und strichen Rühs an, bis er wieder zu sich kam. Einige Bauern murrten zwar, daß es jetzt genug sei; der Basler ließ sich aber nicht erbitten, bis der Maurer entstellt und verwirrt aus dem Walde gerannt kam und rief: Laßt ihn gehen; er ist unschuldig am Blut; der Junge hat's gethan, ich weiß es gewiß!</p><lb/> <p>Darüber erhob sich ein Streit unter den Gesellen, weil der Hauptmann die Büchse wieder angelegt hatte und Rühs wieder umgesunken war.</p><lb/> <p>Ein Holzwagen knarrte im Walde; der Basler lachte: Jetzt ist er gestraft! warf dem Jäger seine geladene Büchse wieder vor die Füße und winkte seinen Gesellen ab.</p><lb/> <p>Rühs griff instinktmäßig und halb betäubt nach seinem Gewehr; er wollte auffahren und dem Bauern eine Kugel nachsenden; aber die Kraft verließ ihn. Es wäre auch Gott versucht! stammelte er; es wurde ihm schwarz vor den Augen.</p><lb/> <p>Er mußte lange gelegen haben; denn als ihn Otto in diesem Zustande traf, spielte die Sonne lustig im Laub und der Thau war aufgesogen. Der Jüngling schleppte ihn an die Ruhbank unter den sieben Buchen, treu besorgt um den Alten, der endlich die Sprache fand und nun des Langen und Breiten erzählte.</p><lb/> <p>So hat der Maurerkarle vor zwanzig Jahren doch Recht gehabt, sagte er — stockte aber inmitten der Rede und schaute gegen den Berg.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
gen an den Bach und strichen Rühs an, bis er wieder zu sich kam. Einige Bauern murrten zwar, daß es jetzt genug sei; der Basler ließ sich aber nicht erbitten, bis der Maurer entstellt und verwirrt aus dem Walde gerannt kam und rief: Laßt ihn gehen; er ist unschuldig am Blut; der Junge hat's gethan, ich weiß es gewiß!
Darüber erhob sich ein Streit unter den Gesellen, weil der Hauptmann die Büchse wieder angelegt hatte und Rühs wieder umgesunken war.
Ein Holzwagen knarrte im Walde; der Basler lachte: Jetzt ist er gestraft! warf dem Jäger seine geladene Büchse wieder vor die Füße und winkte seinen Gesellen ab.
Rühs griff instinktmäßig und halb betäubt nach seinem Gewehr; er wollte auffahren und dem Bauern eine Kugel nachsenden; aber die Kraft verließ ihn. Es wäre auch Gott versucht! stammelte er; es wurde ihm schwarz vor den Augen.
Er mußte lange gelegen haben; denn als ihn Otto in diesem Zustande traf, spielte die Sonne lustig im Laub und der Thau war aufgesogen. Der Jüngling schleppte ihn an die Ruhbank unter den sieben Buchen, treu besorgt um den Alten, der endlich die Sprache fand und nun des Langen und Breiten erzählte.
So hat der Maurerkarle vor zwanzig Jahren doch Recht gehabt, sagte er — stockte aber inmitten der Rede und schaute gegen den Berg.
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/72>, abgerufen am 04.07.2024. |