Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.geht, versteh, Karle, mich allein: meine Tochter ist zu gut für dich! -- Er schlug die Thüre zu; während er den Gang hinabschritt aber, sagte er zu dem Mädchen: Und du, laß dir gesagt sein, laß das Scherwenzen mit dem Jäger! Ich habe aber nichts Unrechtes mit ihm, und er meint es ehrlich, entgegnete Ammrey. Was ehrlich? -- Seit wann meint es ein Baron ehrlich mit einer Bauerntochter? Sieh, Ammrey, sprach er so laut, daß man es in der Stube hörte und eine wilde Freude dem Maurer übers Gesicht zuckte: sieh Ammrey, laß es unterwegs, oder bei Gott, ich schieße ihn todt; man soll mir kein Kind zur Kirche tragen, was keinen Vater hat! -- Du bist mein Einziges, setzte er ruhiger hinzu, als Ammrey ohne Gegenrede schon die Klinke ihrer Kammerthür gefaßt hatte; wegen dir lass' ich heute alle alten Kameraden laufen und will meine Tage vollends in Ruh' verleben. Jetzt weißt du es. -- Er bot ihr die Hand und schob sie freundlicher in die kleine, weißgetünchte Kammer, durch deren Scheiben das Mondlicht spielte. Sie stellte sich ans Fenster und brach die verdorrten Blätter an ihren Levkoystöcken aus. Es war das erste Wort, welches sie von Otto's hohem Stand hörte. Langsam drängten sich die Thränen aus ihren Augen; ihr war bitter weh ums Herz -- Und doch ist er lieb und treu! hauchte sie in die Nachtluft hinaus, küßte geht, versteh, Karle, mich allein: meine Tochter ist zu gut für dich! — Er schlug die Thüre zu; während er den Gang hinabschritt aber, sagte er zu dem Mädchen: Und du, laß dir gesagt sein, laß das Scherwenzen mit dem Jäger! Ich habe aber nichts Unrechtes mit ihm, und er meint es ehrlich, entgegnete Ammrey. Was ehrlich? — Seit wann meint es ein Baron ehrlich mit einer Bauerntochter? Sieh, Ammrey, sprach er so laut, daß man es in der Stube hörte und eine wilde Freude dem Maurer übers Gesicht zuckte: sieh Ammrey, laß es unterwegs, oder bei Gott, ich schieße ihn todt; man soll mir kein Kind zur Kirche tragen, was keinen Vater hat! — Du bist mein Einziges, setzte er ruhiger hinzu, als Ammrey ohne Gegenrede schon die Klinke ihrer Kammerthür gefaßt hatte; wegen dir lass' ich heute alle alten Kameraden laufen und will meine Tage vollends in Ruh' verleben. Jetzt weißt du es. — Er bot ihr die Hand und schob sie freundlicher in die kleine, weißgetünchte Kammer, durch deren Scheiben das Mondlicht spielte. Sie stellte sich ans Fenster und brach die verdorrten Blätter an ihren Levkoystöcken aus. Es war das erste Wort, welches sie von Otto's hohem Stand hörte. Langsam drängten sich die Thränen aus ihren Augen; ihr war bitter weh ums Herz — Und doch ist er lieb und treu! hauchte sie in die Nachtluft hinaus, küßte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050"/> geht, versteh, Karle, mich allein: meine Tochter ist zu gut für dich! —</p><lb/> <p>Er schlug die Thüre zu; während er den Gang hinabschritt aber, sagte er zu dem Mädchen: Und du, laß dir gesagt sein, laß das Scherwenzen mit dem Jäger!</p><lb/> <p>Ich habe aber nichts Unrechtes mit ihm, und er meint es ehrlich, entgegnete Ammrey.</p><lb/> <p>Was ehrlich? — Seit wann meint es ein Baron ehrlich mit einer Bauerntochter? Sieh, Ammrey, sprach er so laut, daß man es in der Stube hörte und eine wilde Freude dem Maurer übers Gesicht zuckte: sieh Ammrey, laß es unterwegs, oder bei Gott, ich schieße ihn todt; man soll mir kein Kind zur Kirche tragen, was keinen Vater hat! — Du bist mein Einziges, setzte er ruhiger hinzu, als Ammrey ohne Gegenrede schon die Klinke ihrer Kammerthür gefaßt hatte; wegen dir lass' ich heute alle alten Kameraden laufen und will meine Tage vollends in Ruh' verleben. Jetzt weißt du es. — Er bot ihr die Hand und schob sie freundlicher in die kleine, weißgetünchte Kammer, durch deren Scheiben das Mondlicht spielte.</p><lb/> <p>Sie stellte sich ans Fenster und brach die verdorrten Blätter an ihren Levkoystöcken aus. Es war das erste Wort, welches sie von Otto's hohem Stand hörte. Langsam drängten sich die Thränen aus ihren Augen; ihr war bitter weh ums Herz — Und doch ist er lieb und treu! hauchte sie in die Nachtluft hinaus, küßte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
geht, versteh, Karle, mich allein: meine Tochter ist zu gut für dich! —
Er schlug die Thüre zu; während er den Gang hinabschritt aber, sagte er zu dem Mädchen: Und du, laß dir gesagt sein, laß das Scherwenzen mit dem Jäger!
Ich habe aber nichts Unrechtes mit ihm, und er meint es ehrlich, entgegnete Ammrey.
Was ehrlich? — Seit wann meint es ein Baron ehrlich mit einer Bauerntochter? Sieh, Ammrey, sprach er so laut, daß man es in der Stube hörte und eine wilde Freude dem Maurer übers Gesicht zuckte: sieh Ammrey, laß es unterwegs, oder bei Gott, ich schieße ihn todt; man soll mir kein Kind zur Kirche tragen, was keinen Vater hat! — Du bist mein Einziges, setzte er ruhiger hinzu, als Ammrey ohne Gegenrede schon die Klinke ihrer Kammerthür gefaßt hatte; wegen dir lass' ich heute alle alten Kameraden laufen und will meine Tage vollends in Ruh' verleben. Jetzt weißt du es. — Er bot ihr die Hand und schob sie freundlicher in die kleine, weißgetünchte Kammer, durch deren Scheiben das Mondlicht spielte.
Sie stellte sich ans Fenster und brach die verdorrten Blätter an ihren Levkoystöcken aus. Es war das erste Wort, welches sie von Otto's hohem Stand hörte. Langsam drängten sich die Thränen aus ihren Augen; ihr war bitter weh ums Herz — Und doch ist er lieb und treu! hauchte sie in die Nachtluft hinaus, küßte
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/50>, abgerufen am 04.07.2024. |