Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.stoßen, und verschwand dann vor jeder Verfolgung sicher im dunklen Wald. Kurz ehe die Beiden sich getroffen hatten, war es in der Mühle noch gar still hergegangen, wie in einem friedlichen, reinlichen Bauernhause. Die Junisonne hatte des Mittags ins Thal geschienen, und doch strömte der große Ofen von Backsteinen mit grünverglas'ten Ziegeln eine gelinde Wärme aus. Auf demselben und auf der Bank rings um ihn her lagen die müden Bursche und ruhten von Nachtwachen und Bergsteigen aus. An der Ecke im eisernen Ring hing der Kienspann; grelles Licht und schwarzer Schatten wechselten in der Stube, wenn einer von den Gesellen, die auf der Ofenbank lagen, sein stummes Spiel von Gerade und Ungerade aufgab, die Kupferkreuzer zur Seite schob und neue Späne aufsteckte. Die vier ältesten saßen um den eichenen Tisch und tranken Wein, ohne aber allzuoft die zinnernen Kannen aufzuklappen; drei davon in bequemem Discuriren über das, was im Reich unten geschieht, über Steuer und Justiz; Einer in eine alte Bilderbibel vertieft, deren vergilbte Holzschnitte, wie Simson die Füchse ins Korn treibt oder der keusche Joseph flieht, ihn wohl unterhielten. Der Aelteste der drei Redenden war der Schluchtmüller selbst. Er war breit und eines Kopfes länger als die Uebrigen, wenn er auch etwas vorwärts gebeugt ging, als drückte ihn die Schwere seines eigenen Nackens. So starke Männer wollen leicht in allen Stücken die Ersten sein, das war bei ihm nicht; er stoßen, und verschwand dann vor jeder Verfolgung sicher im dunklen Wald. Kurz ehe die Beiden sich getroffen hatten, war es in der Mühle noch gar still hergegangen, wie in einem friedlichen, reinlichen Bauernhause. Die Junisonne hatte des Mittags ins Thal geschienen, und doch strömte der große Ofen von Backsteinen mit grünverglas'ten Ziegeln eine gelinde Wärme aus. Auf demselben und auf der Bank rings um ihn her lagen die müden Bursche und ruhten von Nachtwachen und Bergsteigen aus. An der Ecke im eisernen Ring hing der Kienspann; grelles Licht und schwarzer Schatten wechselten in der Stube, wenn einer von den Gesellen, die auf der Ofenbank lagen, sein stummes Spiel von Gerade und Ungerade aufgab, die Kupferkreuzer zur Seite schob und neue Späne aufsteckte. Die vier ältesten saßen um den eichenen Tisch und tranken Wein, ohne aber allzuoft die zinnernen Kannen aufzuklappen; drei davon in bequemem Discuriren über das, was im Reich unten geschieht, über Steuer und Justiz; Einer in eine alte Bilderbibel vertieft, deren vergilbte Holzschnitte, wie Simson die Füchse ins Korn treibt oder der keusche Joseph flieht, ihn wohl unterhielten. Der Aelteste der drei Redenden war der Schluchtmüller selbst. Er war breit und eines Kopfes länger als die Uebrigen, wenn er auch etwas vorwärts gebeugt ging, als drückte ihn die Schwere seines eigenen Nackens. So starke Männer wollen leicht in allen Stücken die Ersten sein, das war bei ihm nicht; er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043"/> stoßen, und verschwand dann vor jeder Verfolgung sicher im dunklen Wald.</p><lb/> <p>Kurz ehe die Beiden sich getroffen hatten, war es in der Mühle noch gar still hergegangen, wie in einem friedlichen, reinlichen Bauernhause. Die Junisonne hatte des Mittags ins Thal geschienen, und doch strömte der große Ofen von Backsteinen mit grünverglas'ten Ziegeln eine gelinde Wärme aus. Auf demselben und auf der Bank rings um ihn her lagen die müden Bursche und ruhten von Nachtwachen und Bergsteigen aus. An der Ecke im eisernen Ring hing der Kienspann; grelles Licht und schwarzer Schatten wechselten in der Stube, wenn einer von den Gesellen, die auf der Ofenbank lagen, sein stummes Spiel von Gerade und Ungerade aufgab, die Kupferkreuzer zur Seite schob und neue Späne aufsteckte.</p><lb/> <p>Die vier ältesten saßen um den eichenen Tisch und tranken Wein, ohne aber allzuoft die zinnernen Kannen aufzuklappen; drei davon in bequemem Discuriren über das, was im Reich unten geschieht, über Steuer und Justiz; Einer in eine alte Bilderbibel vertieft, deren vergilbte Holzschnitte, wie Simson die Füchse ins Korn treibt oder der keusche Joseph flieht, ihn wohl unterhielten.</p><lb/> <p>Der Aelteste der drei Redenden war der Schluchtmüller selbst. Er war breit und eines Kopfes länger als die Uebrigen, wenn er auch etwas vorwärts gebeugt ging, als drückte ihn die Schwere seines eigenen Nackens. So starke Männer wollen leicht in allen Stücken die Ersten sein, das war bei ihm nicht; er<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
stoßen, und verschwand dann vor jeder Verfolgung sicher im dunklen Wald.
Kurz ehe die Beiden sich getroffen hatten, war es in der Mühle noch gar still hergegangen, wie in einem friedlichen, reinlichen Bauernhause. Die Junisonne hatte des Mittags ins Thal geschienen, und doch strömte der große Ofen von Backsteinen mit grünverglas'ten Ziegeln eine gelinde Wärme aus. Auf demselben und auf der Bank rings um ihn her lagen die müden Bursche und ruhten von Nachtwachen und Bergsteigen aus. An der Ecke im eisernen Ring hing der Kienspann; grelles Licht und schwarzer Schatten wechselten in der Stube, wenn einer von den Gesellen, die auf der Ofenbank lagen, sein stummes Spiel von Gerade und Ungerade aufgab, die Kupferkreuzer zur Seite schob und neue Späne aufsteckte.
Die vier ältesten saßen um den eichenen Tisch und tranken Wein, ohne aber allzuoft die zinnernen Kannen aufzuklappen; drei davon in bequemem Discuriren über das, was im Reich unten geschieht, über Steuer und Justiz; Einer in eine alte Bilderbibel vertieft, deren vergilbte Holzschnitte, wie Simson die Füchse ins Korn treibt oder der keusche Joseph flieht, ihn wohl unterhielten.
Der Aelteste der drei Redenden war der Schluchtmüller selbst. Er war breit und eines Kopfes länger als die Uebrigen, wenn er auch etwas vorwärts gebeugt ging, als drückte ihn die Schwere seines eigenen Nackens. So starke Männer wollen leicht in allen Stücken die Ersten sein, das war bei ihm nicht; er
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/43>, abgerufen am 16.02.2025. |