Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.palme gesellt sich zu den stolzen Bäumen. Purpurne Lichter funkeln um die Stämme; es wird gar geheim in der würzigen stillen Mittagswärme; auch die Wipfel rauschen nicht mehr. Der Alte trat hier aus dem Wasser, schlüpfte hinter einen Felsen mitten in die Farrenkräuter, bedeutete Otto dasselbe zu thun, und als er ringsum gespäht hatte, setzte er sich, legte die Flinte über die Knie und langte ein großes Stück Speck und Kartoffelbrod aus der Tasche. Das Besttheil schnitt er für seinen Begleiter ab, der die rauhe Kost nicht verschmähte. Der Herr Otto legt das Gewehr zu weit von sich weg, murmelte Rühs kauend und sich dehnend; der vollkommene Jäger thut das nie; und der Herr Vater hat es mir so auf die Seele gebunden, daß ich den jungen Herrn in aller Kunst soll unterrichten; -- aber auch der Herr Vater waren immer zu heißblütig; -- freilich, es sind jetzt an die vierzig Jahr, daß der jung war, und drunten auf dem Schloß am Neckar giebt's wohl nicht mehr viel, was ihm das Blut heiß macht. Otto lachte hell auf, aber die breite knöcherne Hand des Jägers deckte ihm rasch den Mund: Scht! Scht! Und dieser hatte Recht; ein heller Rehruf klang von dem Berge her, welcher jenseits des Baches und ihres Lagers emporstieg. Der Alte kaute ruhig zu Ende, warf sich auf den Bauch und kroch dann an die Ecke des Felsens vor, hinter welchem sie saßen. Die Erfahrung leitete sein palme gesellt sich zu den stolzen Bäumen. Purpurne Lichter funkeln um die Stämme; es wird gar geheim in der würzigen stillen Mittagswärme; auch die Wipfel rauschen nicht mehr. Der Alte trat hier aus dem Wasser, schlüpfte hinter einen Felsen mitten in die Farrenkräuter, bedeutete Otto dasselbe zu thun, und als er ringsum gespäht hatte, setzte er sich, legte die Flinte über die Knie und langte ein großes Stück Speck und Kartoffelbrod aus der Tasche. Das Besttheil schnitt er für seinen Begleiter ab, der die rauhe Kost nicht verschmähte. Der Herr Otto legt das Gewehr zu weit von sich weg, murmelte Rühs kauend und sich dehnend; der vollkommene Jäger thut das nie; und der Herr Vater hat es mir so auf die Seele gebunden, daß ich den jungen Herrn in aller Kunst soll unterrichten; — aber auch der Herr Vater waren immer zu heißblütig; — freilich, es sind jetzt an die vierzig Jahr, daß der jung war, und drunten auf dem Schloß am Neckar giebt's wohl nicht mehr viel, was ihm das Blut heiß macht. Otto lachte hell auf, aber die breite knöcherne Hand des Jägers deckte ihm rasch den Mund: Scht! Scht! Und dieser hatte Recht; ein heller Rehruf klang von dem Berge her, welcher jenseits des Baches und ihres Lagers emporstieg. Der Alte kaute ruhig zu Ende, warf sich auf den Bauch und kroch dann an die Ecke des Felsens vor, hinter welchem sie saßen. Die Erfahrung leitete sein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028"/> palme gesellt sich zu den stolzen Bäumen. Purpurne Lichter funkeln um die Stämme; es wird gar geheim in der würzigen stillen Mittagswärme; auch die Wipfel rauschen nicht mehr.</p><lb/> <p>Der Alte trat hier aus dem Wasser, schlüpfte hinter einen Felsen mitten in die Farrenkräuter, bedeutete Otto dasselbe zu thun, und als er ringsum gespäht hatte, setzte er sich, legte die Flinte über die Knie und langte ein großes Stück Speck und Kartoffelbrod aus der Tasche. Das Besttheil schnitt er für seinen Begleiter ab, der die rauhe Kost nicht verschmähte.</p><lb/> <p>Der Herr Otto legt das Gewehr zu weit von sich weg, murmelte Rühs kauend und sich dehnend; der vollkommene Jäger thut das nie; und der Herr Vater hat es mir so auf die Seele gebunden, daß ich den jungen Herrn in aller Kunst soll unterrichten; — aber auch der Herr Vater waren immer zu heißblütig; — freilich, es sind jetzt an die vierzig Jahr, daß der jung war, und drunten auf dem Schloß am Neckar giebt's wohl nicht mehr viel, was ihm das Blut heiß macht.</p><lb/> <p>Otto lachte hell auf, aber die breite knöcherne Hand des Jägers deckte ihm rasch den Mund: Scht! Scht! Und dieser hatte Recht; ein heller Rehruf klang von dem Berge her, welcher jenseits des Baches und ihres Lagers emporstieg.</p><lb/> <p>Der Alte kaute ruhig zu Ende, warf sich auf den Bauch und kroch dann an die Ecke des Felsens vor, hinter welchem sie saßen. Die Erfahrung leitete sein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
palme gesellt sich zu den stolzen Bäumen. Purpurne Lichter funkeln um die Stämme; es wird gar geheim in der würzigen stillen Mittagswärme; auch die Wipfel rauschen nicht mehr.
Der Alte trat hier aus dem Wasser, schlüpfte hinter einen Felsen mitten in die Farrenkräuter, bedeutete Otto dasselbe zu thun, und als er ringsum gespäht hatte, setzte er sich, legte die Flinte über die Knie und langte ein großes Stück Speck und Kartoffelbrod aus der Tasche. Das Besttheil schnitt er für seinen Begleiter ab, der die rauhe Kost nicht verschmähte.
Der Herr Otto legt das Gewehr zu weit von sich weg, murmelte Rühs kauend und sich dehnend; der vollkommene Jäger thut das nie; und der Herr Vater hat es mir so auf die Seele gebunden, daß ich den jungen Herrn in aller Kunst soll unterrichten; — aber auch der Herr Vater waren immer zu heißblütig; — freilich, es sind jetzt an die vierzig Jahr, daß der jung war, und drunten auf dem Schloß am Neckar giebt's wohl nicht mehr viel, was ihm das Blut heiß macht.
Otto lachte hell auf, aber die breite knöcherne Hand des Jägers deckte ihm rasch den Mund: Scht! Scht! Und dieser hatte Recht; ein heller Rehruf klang von dem Berge her, welcher jenseits des Baches und ihres Lagers emporstieg.
Der Alte kaute ruhig zu Ende, warf sich auf den Bauch und kroch dann an die Ecke des Felsens vor, hinter welchem sie saßen. Die Erfahrung leitete sein
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/28>, abgerufen am 04.07.2024. |