Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Füllen; von der Mühle an mußt' ich es traben hören. Wenn's so laut hergeht, so läuft ja ein Fuchs noch weg, wenn er nur Einen Lauf hat. Wie oft soll ich's dem Herrn Otto noch sagen, daß er vorsichtig sein muß, wenn er an diesem verdammten Mühlbach aufwärts rennt; abwärts kann er traben wie ein Pferd; aber aufwärts! -- nein; wer oben im Thal steht, hört das Kommen so laut und deutlich, als wären die Steinblöcke lauter Saiten, an denen der Ton hinaufläuft. Nein, nein, Herr von Eyach; wenn der Herr so viel Lärm macht im Wald, so muß er zum wenigsten den grünen Rock ausziehen, oder man singt ihm in acht Tagen: "Nun ruhen seine Todtenbeine". -- Dabei sperrte er den weiten Mund auf, zog die ledernen Backen in tausend Fältchen zurück und ließ das Gesicht zwischen Dummheit und Schlauheit; doch salutirte er zugleich und griff an die Mütze, denn zu viel wollte er doch auch nicht gesagt haben. Meint man doch, man sei unter den Türken und nicht mehr in einem Lande, wo das Gesetz gilt, wenn man Euch hört, Rühs; wo in aller Welt schießt man denn bei Tag auf einen Jäger in des Königs Rock? antwortete etwas erhitzt der junge Mann, indem er das Blut von der Hand wischte, die aufgeritzt war. Und Ihr könnt auch nicht fliegen und nicht, ohne daß man's hört, von dort hier herüberkommen -- damit deutete er auf die Stelle, wo er abgesprungen war, wohl acht Fuß von der Spalte, in der sie kauerten -- und da, Füllen; von der Mühle an mußt' ich es traben hören. Wenn's so laut hergeht, so läuft ja ein Fuchs noch weg, wenn er nur Einen Lauf hat. Wie oft soll ich's dem Herrn Otto noch sagen, daß er vorsichtig sein muß, wenn er an diesem verdammten Mühlbach aufwärts rennt; abwärts kann er traben wie ein Pferd; aber aufwärts! — nein; wer oben im Thal steht, hört das Kommen so laut und deutlich, als wären die Steinblöcke lauter Saiten, an denen der Ton hinaufläuft. Nein, nein, Herr von Eyach; wenn der Herr so viel Lärm macht im Wald, so muß er zum wenigsten den grünen Rock ausziehen, oder man singt ihm in acht Tagen: „Nun ruhen seine Todtenbeine“. — Dabei sperrte er den weiten Mund auf, zog die ledernen Backen in tausend Fältchen zurück und ließ das Gesicht zwischen Dummheit und Schlauheit; doch salutirte er zugleich und griff an die Mütze, denn zu viel wollte er doch auch nicht gesagt haben. Meint man doch, man sei unter den Türken und nicht mehr in einem Lande, wo das Gesetz gilt, wenn man Euch hört, Rühs; wo in aller Welt schießt man denn bei Tag auf einen Jäger in des Königs Rock? antwortete etwas erhitzt der junge Mann, indem er das Blut von der Hand wischte, die aufgeritzt war. Und Ihr könnt auch nicht fliegen und nicht, ohne daß man's hört, von dort hier herüberkommen — damit deutete er auf die Stelle, wo er abgesprungen war, wohl acht Fuß von der Spalte, in der sie kauerten — und da, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021"/> Füllen; von der Mühle an mußt' ich es traben hören. Wenn's so laut hergeht, so läuft ja ein Fuchs noch weg, wenn er nur Einen Lauf hat. Wie oft soll ich's dem Herrn Otto noch sagen, daß er vorsichtig sein muß, wenn er an diesem verdammten Mühlbach aufwärts rennt; abwärts kann er traben wie ein Pferd; aber aufwärts! — nein; wer oben im Thal steht, hört das Kommen so laut und deutlich, als wären die Steinblöcke lauter Saiten, an denen der Ton hinaufläuft.</p><lb/> <p>Nein, nein, Herr von Eyach; wenn der Herr so viel Lärm macht im Wald, so muß er zum wenigsten den grünen Rock ausziehen, oder man singt ihm in acht Tagen: „Nun ruhen seine Todtenbeine“. — Dabei sperrte er den weiten Mund auf, zog die ledernen Backen in tausend Fältchen zurück und ließ das Gesicht zwischen Dummheit und Schlauheit; doch salutirte er zugleich und griff an die Mütze, denn zu viel wollte er doch auch nicht gesagt haben.</p><lb/> <p>Meint man doch, man sei unter den Türken und nicht mehr in einem Lande, wo das Gesetz gilt, wenn man Euch hört, Rühs; wo in aller Welt schießt man denn bei Tag auf einen Jäger in des Königs Rock? antwortete etwas erhitzt der junge Mann, indem er das Blut von der Hand wischte, die aufgeritzt war. Und Ihr könnt auch nicht fliegen und nicht, ohne daß man's hört, von dort hier herüberkommen — damit deutete er auf die Stelle, wo er abgesprungen war, wohl acht Fuß von der Spalte, in der sie kauerten — und da,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Füllen; von der Mühle an mußt' ich es traben hören. Wenn's so laut hergeht, so läuft ja ein Fuchs noch weg, wenn er nur Einen Lauf hat. Wie oft soll ich's dem Herrn Otto noch sagen, daß er vorsichtig sein muß, wenn er an diesem verdammten Mühlbach aufwärts rennt; abwärts kann er traben wie ein Pferd; aber aufwärts! — nein; wer oben im Thal steht, hört das Kommen so laut und deutlich, als wären die Steinblöcke lauter Saiten, an denen der Ton hinaufläuft.
Nein, nein, Herr von Eyach; wenn der Herr so viel Lärm macht im Wald, so muß er zum wenigsten den grünen Rock ausziehen, oder man singt ihm in acht Tagen: „Nun ruhen seine Todtenbeine“. — Dabei sperrte er den weiten Mund auf, zog die ledernen Backen in tausend Fältchen zurück und ließ das Gesicht zwischen Dummheit und Schlauheit; doch salutirte er zugleich und griff an die Mütze, denn zu viel wollte er doch auch nicht gesagt haben.
Meint man doch, man sei unter den Türken und nicht mehr in einem Lande, wo das Gesetz gilt, wenn man Euch hört, Rühs; wo in aller Welt schießt man denn bei Tag auf einen Jäger in des Königs Rock? antwortete etwas erhitzt der junge Mann, indem er das Blut von der Hand wischte, die aufgeritzt war. Und Ihr könnt auch nicht fliegen und nicht, ohne daß man's hört, von dort hier herüberkommen — damit deutete er auf die Stelle, wo er abgesprungen war, wohl acht Fuß von der Spalte, in der sie kauerten — und da,
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/21>, abgerufen am 04.07.2024. |