Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.--Todt, ergänzte der Kämmerer. Wanags athmete erleichtert auf. Das ist eine gute Nachricht, sagte er, sie hat mich genug gequält. Er vergaß einen Augenblick, daß er sich vergebens auf ein Wiedersehen mit Grita gefreut hatte. Heute war sie ja auch keinen Falls mehr zu erreichen; er trat also ins Haus ein, klinkte die Thür hinter sich zu, warf seine Tasche auf die Ofenbank und streckte sich daneben aus. Hast du etwas zu essen? fragte er. Der Kämmerer suchte aus der Schieblade des großen Tisches ein Stück Brod und eine Speckschwarte vor, reichte ihm auch aus der Brusttasche sein Schnapsfläschchen. Das ist eine gute Nachricht, wiederholte Ansas, nachdem er sich gestärkt hatte; seine Gedanken waren bei der Altsitzerin geblieben. Hat sie sich im Trunk das Genick abgestürzt, oder was war's mit ihr? Man hat sie eines Morgens früh auf der Haide todt gefunden, berichtete der Kämmerer. So ist sie innerlich verbrannt, meinte der Littauer, und der Teufel hat sie angesteckt. Der Kämmerer lachte, wie Einer der nicht gläubig ist und doch nicht widersprechen mag. Das war so die Meinung, sagte er, aber der Teufel hat vielleicht einen guten Helfershelfer gehabt. Wie das? Hm -- ich will nichts gesagt haben. Aber es kam doch zu plötzlich. Sie fiel sonst nicht so leicht um, und unter freiem Himmel hat sie manchmal schon —Todt, ergänzte der Kämmerer. Wanags athmete erleichtert auf. Das ist eine gute Nachricht, sagte er, sie hat mich genug gequält. Er vergaß einen Augenblick, daß er sich vergebens auf ein Wiedersehen mit Grita gefreut hatte. Heute war sie ja auch keinen Falls mehr zu erreichen; er trat also ins Haus ein, klinkte die Thür hinter sich zu, warf seine Tasche auf die Ofenbank und streckte sich daneben aus. Hast du etwas zu essen? fragte er. Der Kämmerer suchte aus der Schieblade des großen Tisches ein Stück Brod und eine Speckschwarte vor, reichte ihm auch aus der Brusttasche sein Schnapsfläschchen. Das ist eine gute Nachricht, wiederholte Ansas, nachdem er sich gestärkt hatte; seine Gedanken waren bei der Altsitzerin geblieben. Hat sie sich im Trunk das Genick abgestürzt, oder was war's mit ihr? Man hat sie eines Morgens früh auf der Haide todt gefunden, berichtete der Kämmerer. So ist sie innerlich verbrannt, meinte der Littauer, und der Teufel hat sie angesteckt. Der Kämmerer lachte, wie Einer der nicht gläubig ist und doch nicht widersprechen mag. Das war so die Meinung, sagte er, aber der Teufel hat vielleicht einen guten Helfershelfer gehabt. Wie das? Hm — ich will nichts gesagt haben. Aber es kam doch zu plötzlich. Sie fiel sonst nicht so leicht um, und unter freiem Himmel hat sie manchmal schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0078"/> <p>—Todt, ergänzte der Kämmerer.</p><lb/> <p>Wanags athmete erleichtert auf. Das ist eine gute Nachricht, sagte er, sie hat mich genug gequält. Er vergaß einen Augenblick, daß er sich vergebens auf ein Wiedersehen mit Grita gefreut hatte. Heute war sie ja auch keinen Falls mehr zu erreichen; er trat also ins Haus ein, klinkte die Thür hinter sich zu, warf seine Tasche auf die Ofenbank und streckte sich daneben aus. Hast du etwas zu essen? fragte er.</p><lb/> <p>Der Kämmerer suchte aus der Schieblade des großen Tisches ein Stück Brod und eine Speckschwarte vor, reichte ihm auch aus der Brusttasche sein Schnapsfläschchen. Das ist eine gute Nachricht, wiederholte Ansas, nachdem er sich gestärkt hatte; seine Gedanken waren bei der Altsitzerin geblieben. Hat sie sich im Trunk das Genick abgestürzt, oder was war's mit ihr?</p><lb/> <p>Man hat sie eines Morgens früh auf der Haide todt gefunden, berichtete der Kämmerer.</p><lb/> <p>So ist sie innerlich verbrannt, meinte der Littauer, und der Teufel hat sie angesteckt.</p><lb/> <p>Der Kämmerer lachte, wie Einer der nicht gläubig ist und doch nicht widersprechen mag. Das war so die Meinung, sagte er, aber der Teufel hat vielleicht einen guten Helfershelfer gehabt.</p><lb/> <p>Wie das?</p><lb/> <p>Hm — ich will nichts gesagt haben. Aber es kam doch zu plötzlich. Sie fiel sonst nicht so leicht um, und unter freiem Himmel hat sie manchmal schon<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
—Todt, ergänzte der Kämmerer.
Wanags athmete erleichtert auf. Das ist eine gute Nachricht, sagte er, sie hat mich genug gequält. Er vergaß einen Augenblick, daß er sich vergebens auf ein Wiedersehen mit Grita gefreut hatte. Heute war sie ja auch keinen Falls mehr zu erreichen; er trat also ins Haus ein, klinkte die Thür hinter sich zu, warf seine Tasche auf die Ofenbank und streckte sich daneben aus. Hast du etwas zu essen? fragte er.
Der Kämmerer suchte aus der Schieblade des großen Tisches ein Stück Brod und eine Speckschwarte vor, reichte ihm auch aus der Brusttasche sein Schnapsfläschchen. Das ist eine gute Nachricht, wiederholte Ansas, nachdem er sich gestärkt hatte; seine Gedanken waren bei der Altsitzerin geblieben. Hat sie sich im Trunk das Genick abgestürzt, oder was war's mit ihr?
Man hat sie eines Morgens früh auf der Haide todt gefunden, berichtete der Kämmerer.
So ist sie innerlich verbrannt, meinte der Littauer, und der Teufel hat sie angesteckt.
Der Kämmerer lachte, wie Einer der nicht gläubig ist und doch nicht widersprechen mag. Das war so die Meinung, sagte er, aber der Teufel hat vielleicht einen guten Helfershelfer gehabt.
Wie das?
Hm — ich will nichts gesagt haben. Aber es kam doch zu plötzlich. Sie fiel sonst nicht so leicht um, und unter freiem Himmel hat sie manchmal schon
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/78>, abgerufen am 16.02.2025. |