Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.In der Vorhalle wurde Ansas gründlich nach seinen näheren Verhältnissen ausgefragt und von dem Offizier wegen seiner Zudringlichkeit gescholten. Er vertheidigte sich, so gut er konnte, mit seiner Noth, und die zutrauliche Art, mit der er in gebrochenem Deutsch seine Leidensgeschichte erzählte und seine Hoffnungen vortrug, schien so originell, daß die Herren unmerklich Interesse für den armen Menschen gewannen, der eine so weite und beschwerliche Reise in dem naiven Glauben gemacht hatte, der König könne sich um die häuslichen Verhältnisse auch des geringsten seiner Unterthanen bekümmern. Der Adjutant versprach ihm endlich, den Brief selbst abzugeben, aber Ansas meinte, es wäre ihm doch lieber, wenn er seinen guten König selbst sehen könnte, und er wolle doch auch wissen, was er zu Hause dem Executor zu sagen habe, wenn der sich wieder bei ihm melde, und ob es erlaubt sei, daß den armen Littauern ihr ererbtes Land von den Deutschen weggenommen werde. Der Offizier bedeutete ihn, daß der König unmöglich Jeden selbst hören und sprechen könne, hieß ihn aber doch warten und ging hinein. Nach einer Weile kam er zurück, sagte, daß der König den Brief gelesen und seinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt habe, ihm Bescheid zu geben, führte ihn auch durch eine Reihe von Zimmern nach einem Cabinet und meldete ihn an. Ansas Wanags fühlte sich durch den Gedanken, einer so hochgestellten Persönlichkeit gegenübertreten In der Vorhalle wurde Ansas gründlich nach seinen näheren Verhältnissen ausgefragt und von dem Offizier wegen seiner Zudringlichkeit gescholten. Er vertheidigte sich, so gut er konnte, mit seiner Noth, und die zutrauliche Art, mit der er in gebrochenem Deutsch seine Leidensgeschichte erzählte und seine Hoffnungen vortrug, schien so originell, daß die Herren unmerklich Interesse für den armen Menschen gewannen, der eine so weite und beschwerliche Reise in dem naiven Glauben gemacht hatte, der König könne sich um die häuslichen Verhältnisse auch des geringsten seiner Unterthanen bekümmern. Der Adjutant versprach ihm endlich, den Brief selbst abzugeben, aber Ansas meinte, es wäre ihm doch lieber, wenn er seinen guten König selbst sehen könnte, und er wolle doch auch wissen, was er zu Hause dem Executor zu sagen habe, wenn der sich wieder bei ihm melde, und ob es erlaubt sei, daß den armen Littauern ihr ererbtes Land von den Deutschen weggenommen werde. Der Offizier bedeutete ihn, daß der König unmöglich Jeden selbst hören und sprechen könne, hieß ihn aber doch warten und ging hinein. Nach einer Weile kam er zurück, sagte, daß der König den Brief gelesen und seinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt habe, ihm Bescheid zu geben, führte ihn auch durch eine Reihe von Zimmern nach einem Cabinet und meldete ihn an. Ansas Wanags fühlte sich durch den Gedanken, einer so hochgestellten Persönlichkeit gegenübertreten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0071"/> <p>In der Vorhalle wurde Ansas gründlich nach seinen näheren Verhältnissen ausgefragt und von dem Offizier wegen seiner Zudringlichkeit gescholten. Er vertheidigte sich, so gut er konnte, mit seiner Noth, und die zutrauliche Art, mit der er in gebrochenem Deutsch seine Leidensgeschichte erzählte und seine Hoffnungen vortrug, schien so originell, daß die Herren unmerklich Interesse für den armen Menschen gewannen, der eine so weite und beschwerliche Reise in dem naiven Glauben gemacht hatte, der König könne sich um die häuslichen Verhältnisse auch des geringsten seiner Unterthanen bekümmern. Der Adjutant versprach ihm endlich, den Brief selbst abzugeben, aber Ansas meinte, es wäre ihm doch lieber, wenn er seinen guten König selbst sehen könnte, und er wolle doch auch wissen, was er zu Hause dem Executor zu sagen habe, wenn der sich wieder bei ihm melde, und ob es erlaubt sei, daß den armen Littauern ihr ererbtes Land von den Deutschen weggenommen werde. Der Offizier bedeutete ihn, daß der König unmöglich Jeden selbst hören und sprechen könne, hieß ihn aber doch warten und ging hinein. Nach einer Weile kam er zurück, sagte, daß der König den Brief gelesen und seinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt habe, ihm Bescheid zu geben, führte ihn auch durch eine Reihe von Zimmern nach einem Cabinet und meldete ihn an.</p><lb/> <p>Ansas Wanags fühlte sich durch den Gedanken, einer so hochgestellten Persönlichkeit gegenübertreten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
In der Vorhalle wurde Ansas gründlich nach seinen näheren Verhältnissen ausgefragt und von dem Offizier wegen seiner Zudringlichkeit gescholten. Er vertheidigte sich, so gut er konnte, mit seiner Noth, und die zutrauliche Art, mit der er in gebrochenem Deutsch seine Leidensgeschichte erzählte und seine Hoffnungen vortrug, schien so originell, daß die Herren unmerklich Interesse für den armen Menschen gewannen, der eine so weite und beschwerliche Reise in dem naiven Glauben gemacht hatte, der König könne sich um die häuslichen Verhältnisse auch des geringsten seiner Unterthanen bekümmern. Der Adjutant versprach ihm endlich, den Brief selbst abzugeben, aber Ansas meinte, es wäre ihm doch lieber, wenn er seinen guten König selbst sehen könnte, und er wolle doch auch wissen, was er zu Hause dem Executor zu sagen habe, wenn der sich wieder bei ihm melde, und ob es erlaubt sei, daß den armen Littauern ihr ererbtes Land von den Deutschen weggenommen werde. Der Offizier bedeutete ihn, daß der König unmöglich Jeden selbst hören und sprechen könne, hieß ihn aber doch warten und ging hinein. Nach einer Weile kam er zurück, sagte, daß der König den Brief gelesen und seinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt habe, ihm Bescheid zu geben, führte ihn auch durch eine Reihe von Zimmern nach einem Cabinet und meldete ihn an.
Ansas Wanags fühlte sich durch den Gedanken, einer so hochgestellten Persönlichkeit gegenübertreten
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