Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gutsland lag, ging der Alte auch gerade mit der Sprache heraus auf den Hauptpunkt. Ist's nicht eine Schande, das anzusehen? sagte er, sich im Sattel aufrichtend. Da läßt nun der liebe Herrgott auf den Plan genau ebenso seine Sonne scheinen und seinen Regen fallen, wie auf unser Feld, und man kann deines Vaters Halme zählen. Mir thut das Herz weh, wenn ich so etwas sehe. Gieb Acht, das soll bald anders werden, wenn der Strich erst mir gehört! -- Stehst du schon in Unterhandlung, Herr? fragte Ansas grinsend zurück. -- Kommt doch nur auf mich an, ob ich zugreifen will, oder nicht, lachte Geelhaar; für jetzt hat's noch keine Noth, wirst aber vielleicht noch einmal selbst hinter meinem deutschen Pfluge hergehen, wenn er da Furchen schneidet. Ansas antwortete nicht, aber er ballte die Faust in der Tasche und that sich einen Schwur, daß der Deutsche sein Vatererbe nicht haben sollte, was er auch für Künste anwende. Ich weiß, weßhalb ich dir diene, dachte er bei sich; wenn ich mein Herr sein werde, sollst du dich verwundern, was ich von dir gelernt habe. Als Ansas Wanags einundzwanzig Jahre alt geworden war, wurde er zum Militär eingezogen. Da ihm zu sechs Fuß nur wenige Zolle fehlten, bezeichnete man den hoch- und schlankgewachsenen Bauernsohn für die Garde, und so kam er nach Potsdam und Berlin. Sein Hauptmann, ein Herr aus alter gräflicher Familie, fand Gefallen an ihm und wählte ihn Gutsland lag, ging der Alte auch gerade mit der Sprache heraus auf den Hauptpunkt. Ist's nicht eine Schande, das anzusehen? sagte er, sich im Sattel aufrichtend. Da läßt nun der liebe Herrgott auf den Plan genau ebenso seine Sonne scheinen und seinen Regen fallen, wie auf unser Feld, und man kann deines Vaters Halme zählen. Mir thut das Herz weh, wenn ich so etwas sehe. Gieb Acht, das soll bald anders werden, wenn der Strich erst mir gehört! — Stehst du schon in Unterhandlung, Herr? fragte Ansas grinsend zurück. — Kommt doch nur auf mich an, ob ich zugreifen will, oder nicht, lachte Geelhaar; für jetzt hat's noch keine Noth, wirst aber vielleicht noch einmal selbst hinter meinem deutschen Pfluge hergehen, wenn er da Furchen schneidet. Ansas antwortete nicht, aber er ballte die Faust in der Tasche und that sich einen Schwur, daß der Deutsche sein Vatererbe nicht haben sollte, was er auch für Künste anwende. Ich weiß, weßhalb ich dir diene, dachte er bei sich; wenn ich mein Herr sein werde, sollst du dich verwundern, was ich von dir gelernt habe. Als Ansas Wanags einundzwanzig Jahre alt geworden war, wurde er zum Militär eingezogen. Da ihm zu sechs Fuß nur wenige Zolle fehlten, bezeichnete man den hoch- und schlankgewachsenen Bauernsohn für die Garde, und so kam er nach Potsdam und Berlin. Sein Hauptmann, ein Herr aus alter gräflicher Familie, fand Gefallen an ihm und wählte ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017"/> Gutsland lag, ging der Alte auch gerade mit der Sprache heraus auf den Hauptpunkt. Ist's nicht eine Schande, das anzusehen? sagte er, sich im Sattel aufrichtend. Da läßt nun der liebe Herrgott auf den Plan genau ebenso seine Sonne scheinen und seinen Regen fallen, wie auf unser Feld, und man kann deines Vaters Halme zählen. Mir thut das Herz weh, wenn ich so etwas sehe. Gieb Acht, das soll bald anders werden, wenn der Strich erst mir gehört! — Stehst du schon in Unterhandlung, Herr? fragte Ansas grinsend zurück. — Kommt doch nur auf mich an, ob ich zugreifen will, oder nicht, lachte Geelhaar; für jetzt hat's noch keine Noth, wirst aber vielleicht noch einmal selbst hinter meinem deutschen Pfluge hergehen, wenn er da Furchen schneidet. Ansas antwortete nicht, aber er ballte die Faust in der Tasche und that sich einen Schwur, daß der Deutsche sein Vatererbe nicht haben sollte, was er auch für Künste anwende. Ich weiß, weßhalb ich dir diene, dachte er bei sich; wenn ich mein Herr sein werde, sollst du dich verwundern, was ich von dir gelernt habe.</p><lb/> <p>Als Ansas Wanags einundzwanzig Jahre alt geworden war, wurde er zum Militär eingezogen. Da ihm zu sechs Fuß nur wenige Zolle fehlten, bezeichnete man den hoch- und schlankgewachsenen Bauernsohn für die Garde, und so kam er nach Potsdam und Berlin. Sein Hauptmann, ein Herr aus alter gräflicher Familie, fand Gefallen an ihm und wählte ihn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Gutsland lag, ging der Alte auch gerade mit der Sprache heraus auf den Hauptpunkt. Ist's nicht eine Schande, das anzusehen? sagte er, sich im Sattel aufrichtend. Da läßt nun der liebe Herrgott auf den Plan genau ebenso seine Sonne scheinen und seinen Regen fallen, wie auf unser Feld, und man kann deines Vaters Halme zählen. Mir thut das Herz weh, wenn ich so etwas sehe. Gieb Acht, das soll bald anders werden, wenn der Strich erst mir gehört! — Stehst du schon in Unterhandlung, Herr? fragte Ansas grinsend zurück. — Kommt doch nur auf mich an, ob ich zugreifen will, oder nicht, lachte Geelhaar; für jetzt hat's noch keine Noth, wirst aber vielleicht noch einmal selbst hinter meinem deutschen Pfluge hergehen, wenn er da Furchen schneidet. Ansas antwortete nicht, aber er ballte die Faust in der Tasche und that sich einen Schwur, daß der Deutsche sein Vatererbe nicht haben sollte, was er auch für Künste anwende. Ich weiß, weßhalb ich dir diene, dachte er bei sich; wenn ich mein Herr sein werde, sollst du dich verwundern, was ich von dir gelernt habe.
Als Ansas Wanags einundzwanzig Jahre alt geworden war, wurde er zum Militär eingezogen. Da ihm zu sechs Fuß nur wenige Zolle fehlten, bezeichnete man den hoch- und schlankgewachsenen Bauernsohn für die Garde, und so kam er nach Potsdam und Berlin. Sein Hauptmann, ein Herr aus alter gräflicher Familie, fand Gefallen an ihm und wählte ihn
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/17>, abgerufen am 16.07.2024. |