Ruf einer Stimme erweckte. Er schlug die Augen auf und wurde einen Mann gewahr, der ihn arabisch anredete. So wenig er auch von der Sprache wußte, so konnte er doch seine Begebenheit und sein Verlangen nach Hülfe darinne ausdrücken. Der Ara- ber machte sogleich die großmüthige Anstalt ihn fortzuschaffen, und ließ ihn auf ein Ka- meel laden, daß er kurz vorher nebst etlichen andern einer reisenden Karavane abgenom- men hatte, wobey er seinen Leuten den Be- fehl gab, den Verwundeten in sein Schloß zu bringen und bis zu seiner Ankunft gehö- rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie man leicht merkt, gleichfalls ein Räuber von Profession, kam in einigen Wochen auf sein Schloß zurück und fand Belphegorn von seinen Wunden geheilt. Er war so edelmüthig, jeden Dank von sich abzuleh- nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf so lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel- phegor wurde von Dankbarkeit über eine solche Begegnung um so viel lebhafter ge- rührt, weil die üble Behandlung, die er bisher von den Menschen in verschiedenen Welttheilen erdulden mußte, das menschli-
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Ruf einer Stimme erweckte. Er ſchlug die Augen auf und wurde einen Mann gewahr, der ihn arabiſch anredete. So wenig er auch von der Sprache wußte, ſo konnte er doch ſeine Begebenheit und ſein Verlangen nach Huͤlfe darinne ausdruͤcken. Der Ara- ber machte ſogleich die großmuͤthige Anſtalt ihn fortzuſchaffen, und ließ ihn auf ein Ka- meel laden, daß er kurz vorher nebſt etlichen andern einer reiſenden Karavane abgenom- men hatte, wobey er ſeinen Leuten den Be- fehl gab, den Verwundeten in ſein Schloß zu bringen und bis zu ſeiner Ankunft gehoͤ- rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie man leicht merkt, gleichfalls ein Raͤuber von Profeſſion, kam in einigen Wochen auf ſein Schloß zuruͤck und fand Belphegorn von ſeinen Wunden geheilt. Er war ſo edelmuͤthig, jeden Dank von ſich abzuleh- nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf ſo lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel- phegor wurde von Dankbarkeit uͤber eine ſolche Begegnung um ſo viel lebhafter ge- ruͤhrt, weil die uͤble Behandlung, die er bisher von den Menſchen in verſchiedenen Welttheilen erdulden mußte, das menſchli-
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Ruf einer Stimme erweckte. Er ſchlug die
Augen auf und wurde einen Mann gewahr,
der ihn arabiſch anredete. So wenig er
auch von der Sprache wußte, ſo konnte er
doch ſeine Begebenheit und ſein Verlangen
nach Huͤlfe darinne ausdruͤcken. Der Ara-
ber machte ſogleich die großmuͤthige Anſtalt
ihn fortzuſchaffen, und ließ ihn auf ein Ka-
meel laden, daß er kurz vorher nebſt etlichen
andern einer reiſenden Karavane abgenom-
men hatte, wobey er ſeinen Leuten den Be-
fehl gab, den Verwundeten in ſein Schloß
zu bringen und bis zu ſeiner Ankunft gehoͤ-
rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie
man leicht merkt, gleichfalls ein Raͤuber
von Profeſſion, kam in einigen Wochen auf
ſein Schloß zuruͤck und fand Belphegorn
von ſeinen Wunden geheilt. Er war ſo
edelmuͤthig, jeden Dank von ſich abzuleh-
nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf
ſo lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel-
phegor wurde von Dankbarkeit uͤber eine
ſolche Begegnung um ſo viel lebhafter ge-
ruͤhrt, weil die uͤble Behandlung, die er
bisher von den Menſchen in verſchiedenen
Welttheilen erdulden mußte, das menſchli-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/58>, abgerufen am 27.11.2024.
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