Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht über Namen und Vorstellungs-
arten
streiten: darinne kommen wir alle
überein, und dieß sehen wir alle so evident,
als unsre Augen uns von dem Daseyn einer
Sonne überzeugen, daß ein festgeketteter,
nothwendiger, unwidertreiblicher Zusam-
menhang in den Begebenheiten der Erde und
jedes Bewohners derselben vorhanden ist:
wer dieß läugnet, spielt mit Worten. Wer
sich eine von den beiden Vorstellungsarten
dieses Zusammenhangs wählt, wähle dieje-
nige, die ihm nach seiner Lage Thätigkeit
zur Handlung und Beruhigung in der Wider-
wärtigkeit mittheilt; und er hat wohl ge-
wählt: aber wessen Gewalt ist es überlassen,
eine solche Wahl zu treffen? Allmählich er-
zeugt sich aus seinen Kenntnissen, Schicksa-
len und Beobachtungen darüber ein gewisser
lichter Schimmer der größern Wahrschein-
lichkeit, der eine von jenen Meinungen in
seinem Kopfe hervorstechender macht; und
ich kann mir vorstellen, daß dieser Mann bey
dem Fatum eben so viele Beruhigung findet,
als ein andrer bey der Vorsehung. --

Medard. Unmöglich, Brüderchen!
Das trockne, leere, geistlose Fatum vergli-

chen

nicht uͤber Namen und Vorſtellungs-
arten
ſtreiten: darinne kommen wir alle
uͤberein, und dieß ſehen wir alle ſo evident,
als unſre Augen uns von dem Daſeyn einer
Sonne uͤberzeugen, daß ein feſtgeketteter,
nothwendiger, unwidertreiblicher Zuſam-
menhang in den Begebenheiten der Erde und
jedes Bewohners derſelben vorhanden iſt:
wer dieß laͤugnet, ſpielt mit Worten. Wer
ſich eine von den beiden Vorſtellungsarten
dieſes Zuſammenhangs waͤhlt, waͤhle dieje-
nige, die ihm nach ſeiner Lage Thaͤtigkeit
zur Handlung und Beruhigung in der Wider-
waͤrtigkeit mittheilt; und er hat wohl ge-
waͤhlt: aber weſſen Gewalt iſt es uͤberlaſſen,
eine ſolche Wahl zu treffen? Allmaͤhlich er-
zeugt ſich aus ſeinen Kenntniſſen, Schickſa-
len und Beobachtungen daruͤber ein gewiſſer
lichter Schimmer der groͤßern Wahrſchein-
lichkeit, der eine von jenen Meinungen in
ſeinem Kopfe hervorſtechender macht; und
ich kann mir vorſtellen, daß dieſer Mann bey
dem Fatum eben ſo viele Beruhigung findet,
als ein andrer bey der Vorſehung. —

Medard. Unmoͤglich, Bruͤderchen!
Das trockne, leere, geiſtloſe Fatum vergli-

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0289" n="283"/>
nicht u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Namen</hi> und <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;tellungs-<lb/>
arten</hi> &#x017F;treiten: darinne kommen wir alle<lb/>
u&#x0364;berein, und dieß &#x017F;ehen wir alle &#x017F;o evident,<lb/>
als un&#x017F;re Augen uns von dem Da&#x017F;eyn einer<lb/>
Sonne u&#x0364;berzeugen, daß ein fe&#x017F;tgeketteter,<lb/>
nothwendiger, unwidertreiblicher Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang in den Begebenheiten der Erde und<lb/>
jedes Bewohners der&#x017F;elben vorhanden i&#x017F;t:<lb/>
wer dieß la&#x0364;ugnet, &#x017F;pielt mit Worten. Wer<lb/>
&#x017F;ich eine von den beiden Vor&#x017F;tellungsarten<lb/>
die&#x017F;es Zu&#x017F;ammenhangs wa&#x0364;hlt, wa&#x0364;hle dieje-<lb/>
nige, die ihm nach &#x017F;einer Lage Tha&#x0364;tigkeit<lb/>
zur Handlung und Beruhigung in der Wider-<lb/>
wa&#x0364;rtigkeit mittheilt; und er hat wohl ge-<lb/>
wa&#x0364;hlt: aber we&#x017F;&#x017F;en Gewalt i&#x017F;t es u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
eine &#x017F;olche Wahl zu treffen? Allma&#x0364;hlich er-<lb/>
zeugt &#x017F;ich aus &#x017F;einen Kenntni&#x017F;&#x017F;en, Schick&#x017F;a-<lb/>
len und Beobachtungen daru&#x0364;ber ein gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
lichter Schimmer der gro&#x0364;ßern Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeit, der eine von jenen Meinungen in<lb/>
&#x017F;einem Kopfe hervor&#x017F;techender macht; und<lb/>
ich kann mir vor&#x017F;tellen, daß die&#x017F;er Mann bey<lb/>
dem Fatum eben &#x017F;o viele Beruhigung findet,<lb/>
als ein andrer bey der Vor&#x017F;ehung. &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Medard.</hi> Unmo&#x0364;glich, Bru&#x0364;derchen!<lb/>
Das trockne, leere, gei&#x017F;tlo&#x017F;e Fatum vergli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0289] nicht uͤber Namen und Vorſtellungs- arten ſtreiten: darinne kommen wir alle uͤberein, und dieß ſehen wir alle ſo evident, als unſre Augen uns von dem Daſeyn einer Sonne uͤberzeugen, daß ein feſtgeketteter, nothwendiger, unwidertreiblicher Zuſam- menhang in den Begebenheiten der Erde und jedes Bewohners derſelben vorhanden iſt: wer dieß laͤugnet, ſpielt mit Worten. Wer ſich eine von den beiden Vorſtellungsarten dieſes Zuſammenhangs waͤhlt, waͤhle dieje- nige, die ihm nach ſeiner Lage Thaͤtigkeit zur Handlung und Beruhigung in der Wider- waͤrtigkeit mittheilt; und er hat wohl ge- waͤhlt: aber weſſen Gewalt iſt es uͤberlaſſen, eine ſolche Wahl zu treffen? Allmaͤhlich er- zeugt ſich aus ſeinen Kenntniſſen, Schickſa- len und Beobachtungen daruͤber ein gewiſſer lichter Schimmer der groͤßern Wahrſchein- lichkeit, der eine von jenen Meinungen in ſeinem Kopfe hervorſtechender macht; und ich kann mir vorſtellen, daß dieſer Mann bey dem Fatum eben ſo viele Beruhigung findet, als ein andrer bey der Vorſehung. — Medard. Unmoͤglich, Bruͤderchen! Das trockne, leere, geiſtloſe Fatum vergli- chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/289
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/289>, abgerufen am 23.12.2024.