Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahrhunderte einem der größten europäi-
schen Genies *) Kopfschmerz und Nachden-
ken vergeblich gekostet hat -- das Geheim-
niß der allgemeinen Sprache. Sie konnten
sich mit den Menschenkindern aller Zonen
und Mittagskreise unterhalten, ohne ihre
Sprache zu wissen, wenn diese nur eine
kleine Anzahl Zeichen verstehen lernten, die
sie einem jeden durch eine eigne Methode
schnell und leicht beyzubringen wußten. So
bald diese Schriftzeichen gefaßt waren, de-
ren ungemeine Simplicität ihre Erlernung
außerordentlich erleichterte, so setzten sich die
beiden Interlokutoren an eine Tafel, die
mit feinem Sande bedeckt war, in welchem
jeder mit einem weissen Stäbchen seine Ge-
danken zeichnete, die er ausdrücken wollte;
der andre, so bald er den Sinn davon ge-
saßt hatte, machte den Sand mit einem
platten Instrumente wieber eben und setzte
das Gespräch durch die nämliche Zeich-
nung fort.

Auf diese Weise erfuhr Belphegor, der
sich mit seiner Gefährtinn zu seinem Vergnü-

gen
*) Leibnitz.

Jahrhunderte einem der groͤßten europaͤi-
ſchen Genies *) Kopfſchmerz und Nachden-
ken vergeblich gekoſtet hat — das Geheim-
niß der allgemeinen Sprache. Sie konnten
ſich mit den Menſchenkindern aller Zonen
und Mittagskreiſe unterhalten, ohne ihre
Sprache zu wiſſen, wenn dieſe nur eine
kleine Anzahl Zeichen verſtehen lernten, die
ſie einem jeden durch eine eigne Methode
ſchnell und leicht beyzubringen wußten. So
bald dieſe Schriftzeichen gefaßt waren, de-
ren ungemeine Simplicitaͤt ihre Erlernung
außerordentlich erleichterte, ſo ſetzten ſich die
beiden Interlokutoren an eine Tafel, die
mit feinem Sande bedeckt war, in welchem
jeder mit einem weiſſen Staͤbchen ſeine Ge-
danken zeichnete, die er ausdruͤcken wollte;
der andre, ſo bald er den Sinn davon ge-
ſaßt hatte, machte den Sand mit einem
platten Inſtrumente wieber eben und ſetzte
das Geſpraͤch durch die naͤmliche Zeich-
nung fort.

Auf dieſe Weiſe erfuhr Belphegor, der
ſich mit ſeiner Gefaͤhrtinn zu ſeinem Vergnuͤ-

gen
*) Leibnitz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="189"/>
Jahrhunderte einem der gro&#x0364;ßten europa&#x0364;i-<lb/>
&#x017F;chen Genies <note place="foot" n="*)">Leibnitz.</note> Kopf&#x017F;chmerz und Nachden-<lb/>
ken vergeblich geko&#x017F;tet hat &#x2014; das Geheim-<lb/>
niß der allgemeinen Sprache. Sie konnten<lb/>
&#x017F;ich mit den Men&#x017F;chenkindern aller Zonen<lb/>
und Mittagskrei&#x017F;e unterhalten, ohne ihre<lb/>
Sprache zu wi&#x017F;&#x017F;en, wenn die&#x017F;e nur eine<lb/>
kleine Anzahl Zeichen ver&#x017F;tehen lernten, die<lb/>
&#x017F;ie einem jeden durch eine eigne Methode<lb/>
&#x017F;chnell und leicht beyzubringen wußten. So<lb/>
bald die&#x017F;e Schriftzeichen gefaßt waren, de-<lb/>
ren ungemeine Simplicita&#x0364;t ihre Erlernung<lb/>
außerordentlich erleichterte, &#x017F;o &#x017F;etzten &#x017F;ich die<lb/>
beiden Interlokutoren an eine Tafel, die<lb/>
mit feinem Sande bedeckt war, in welchem<lb/>
jeder mit einem wei&#x017F;&#x017F;en Sta&#x0364;bchen &#x017F;eine Ge-<lb/>
danken zeichnete, die er ausdru&#x0364;cken wollte;<lb/>
der andre, &#x017F;o bald er den Sinn davon ge-<lb/>
&#x017F;aßt hatte, machte den Sand mit einem<lb/>
platten In&#x017F;trumente wieber eben und &#x017F;etzte<lb/>
das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch durch die na&#x0364;mliche Zeich-<lb/>
nung fort.</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e erfuhr Belphegor, der<lb/>
&#x017F;ich mit &#x017F;einer Gefa&#x0364;hrtinn zu &#x017F;einem Vergnu&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0195] Jahrhunderte einem der groͤßten europaͤi- ſchen Genies *) Kopfſchmerz und Nachden- ken vergeblich gekoſtet hat — das Geheim- niß der allgemeinen Sprache. Sie konnten ſich mit den Menſchenkindern aller Zonen und Mittagskreiſe unterhalten, ohne ihre Sprache zu wiſſen, wenn dieſe nur eine kleine Anzahl Zeichen verſtehen lernten, die ſie einem jeden durch eine eigne Methode ſchnell und leicht beyzubringen wußten. So bald dieſe Schriftzeichen gefaßt waren, de- ren ungemeine Simplicitaͤt ihre Erlernung außerordentlich erleichterte, ſo ſetzten ſich die beiden Interlokutoren an eine Tafel, die mit feinem Sande bedeckt war, in welchem jeder mit einem weiſſen Staͤbchen ſeine Ge- danken zeichnete, die er ausdruͤcken wollte; der andre, ſo bald er den Sinn davon ge- ſaßt hatte, machte den Sand mit einem platten Inſtrumente wieber eben und ſetzte das Geſpraͤch durch die naͤmliche Zeich- nung fort. Auf dieſe Weiſe erfuhr Belphegor, der ſich mit ſeiner Gefaͤhrtinn zu ſeinem Vergnuͤ- gen *) Leibnitz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/195
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/195>, abgerufen am 04.05.2024.