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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der auf freyem Felde, und die Musik erhub
sich von neuem so lieblich als jemals und
hätte sie es bereuen lassen können, daß sie dem
Orte entflohen waren, wenn sie nicht ge-
wußt hätten, daß es eine süßklingende Täu-
scherey
war, die nur außer ihm in der Ferne
anlockte, aber in ihm selbst ganz verloren
gieng. Demungeachtet hielt sich Akante oft-
mals auf, um sich von dem lieblichen Kon-
zerte entzücken zu lassen, allein Belphegor
trabte so frisch davon, daß sie jede Minute
nutzen mußte, um ihm nachzukommen.

Belphegor konnte nicht aufhören, über
das Gesehne zu eifern, und Akante unterließ
eben so wenig, es zu bewundern: jenem
schmeckte jeder Bissen übel, weil er -- nach
seinem Ausdrucke -- in diesem Vaterlande
der Thorheit gewachsen war, und diese war
noch zu voll von Entzücken über diese näm-
lichen Abgeschmacktheiten, um Appetit und
Speise zu sühlen.

Einen kleinen schmalen Weg wurden sie
gewahr; sie überließen sich ihm, und er
führte sie in einen Wald: sie giengen lange

Zeit

der auf freyem Felde, und die Muſik erhub
ſich von neuem ſo lieblich als jemals und
haͤtte ſie es bereuen laſſen koͤnnen, daß ſie dem
Orte entflohen waren, wenn ſie nicht ge-
wußt haͤtten, daß es eine ſuͤßklingende Taͤu-
ſcherey
war, die nur außer ihm in der Ferne
anlockte, aber in ihm ſelbſt ganz verloren
gieng. Demungeachtet hielt ſich Akante oft-
mals auf, um ſich von dem lieblichen Kon-
zerte entzuͤcken zu laſſen, allein Belphegor
trabte ſo friſch davon, daß ſie jede Minute
nutzen mußte, um ihm nachzukommen.

Belphegor konnte nicht aufhoͤren, uͤber
das Geſehne zu eifern, und Akante unterließ
eben ſo wenig, es zu bewundern: jenem
ſchmeckte jeder Biſſen uͤbel, weil er — nach
ſeinem Ausdrucke — in dieſem Vaterlande
der Thorheit gewachſen war, und dieſe war
noch zu voll von Entzuͤcken uͤber dieſe naͤm-
lichen Abgeſchmacktheiten, um Appetit und
Speiſe zu ſuͤhlen.

Einen kleinen ſchmalen Weg wurden ſie
gewahr; ſie uͤberließen ſich ihm, und er
fuͤhrte ſie in einen Wald: ſie giengen lange

Zeit
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[187/0193] der auf freyem Felde, und die Muſik erhub ſich von neuem ſo lieblich als jemals und haͤtte ſie es bereuen laſſen koͤnnen, daß ſie dem Orte entflohen waren, wenn ſie nicht ge- wußt haͤtten, daß es eine ſuͤßklingende Taͤu- ſcherey war, die nur außer ihm in der Ferne anlockte, aber in ihm ſelbſt ganz verloren gieng. Demungeachtet hielt ſich Akante oft- mals auf, um ſich von dem lieblichen Kon- zerte entzuͤcken zu laſſen, allein Belphegor trabte ſo friſch davon, daß ſie jede Minute nutzen mußte, um ihm nachzukommen. Belphegor konnte nicht aufhoͤren, uͤber das Geſehne zu eifern, und Akante unterließ eben ſo wenig, es zu bewundern: jenem ſchmeckte jeder Biſſen uͤbel, weil er — nach ſeinem Ausdrucke — in dieſem Vaterlande der Thorheit gewachſen war, und dieſe war noch zu voll von Entzuͤcken uͤber dieſe naͤm- lichen Abgeſchmacktheiten, um Appetit und Speiſe zu ſuͤhlen. Einen kleinen ſchmalen Weg wurden ſie gewahr; ſie uͤberließen ſich ihm, und er fuͤhrte ſie in einen Wald: ſie giengen lange Zeit

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/193>, abgerufen am 04.05.2024.