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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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eilte sich, schlüpfte zwar hindurch, aber zer-
riß sich das Kleid, und das ganze Gesicht
war voller Ritze.

Die erste Dornenpallisade war durchkro-
chen: kaum hatten sie ausgeschnaubt, als
sie eine zweite aufforderte. Sie thaten das
nämliche mit dem nämlichen Glücke und Un-
glücke. -- Es zeigte sich eine dritte: auch
diese wurde überwunden; und so arbeiteten
sie sich noch durch zwo Mauern hindurch,
wo sich Belphegor ungeduldig hinwarf und
schlechterdings nicht weiter wollte: allein
Akante bat ihn mit allen weiblichen Künsten,
mit einem Kniefalle, mit Thränen, mit Lieb-
kosungen; er war unerbittlich. -- Sagte
ich dir nicht, sprach er unmuthig, daß wir
in Dornen und Sümpfe gerathen würden?
Wo gehst du auf diesem Planeten Einen
Schritt, ohne daß deine Füße nicht bluten?
Verstopfe deine Ohren! verschließe deine Au-
gen! sey kein Mensch, wenn du auf ihm ohne
Ungemach leben willst! -- War das nicht
mein Rath? -- Wer weis, wie viele Tage-
reisen lang wir ohne Nahrung, ohne Klei-
dung uns unter tausend Schmerzen durch
diese vermaledeyten Doruenzäune durchar-

beiten
M

eilte ſich, ſchluͤpfte zwar hindurch, aber zer-
riß ſich das Kleid, und das ganze Geſicht
war voller Ritze.

Die erſte Dornenpalliſade war durchkro-
chen: kaum hatten ſie ausgeſchnaubt, als
ſie eine zweite aufforderte. Sie thaten das
naͤmliche mit dem naͤmlichen Gluͤcke und Un-
gluͤcke. — Es zeigte ſich eine dritte: auch
dieſe wurde uͤberwunden; und ſo arbeiteten
ſie ſich noch durch zwo Mauern hindurch,
wo ſich Belphegor ungeduldig hinwarf und
ſchlechterdings nicht weiter wollte: allein
Akante bat ihn mit allen weiblichen Kuͤnſten,
mit einem Kniefalle, mit Thraͤnen, mit Lieb-
koſungen; er war unerbittlich. — Sagte
ich dir nicht, ſprach er unmuthig, daß wir
in Dornen und Suͤmpfe gerathen wuͤrden?
Wo gehſt du auf dieſem Planeten Einen
Schritt, ohne daß deine Fuͤße nicht bluten?
Verſtopfe deine Ohren! verſchließe deine Au-
gen! ſey kein Menſch, wenn du auf ihm ohne
Ungemach leben willſt! — War das nicht
mein Rath? — Wer weis, wie viele Tage-
reiſen lang wir ohne Nahrung, ohne Klei-
dung uns unter tauſend Schmerzen durch
dieſe vermaledeyten Doruenzaͤune durchar-

beiten
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[175/0181] eilte ſich, ſchluͤpfte zwar hindurch, aber zer- riß ſich das Kleid, und das ganze Geſicht war voller Ritze. Die erſte Dornenpalliſade war durchkro- chen: kaum hatten ſie ausgeſchnaubt, als ſie eine zweite aufforderte. Sie thaten das naͤmliche mit dem naͤmlichen Gluͤcke und Un- gluͤcke. — Es zeigte ſich eine dritte: auch dieſe wurde uͤberwunden; und ſo arbeiteten ſie ſich noch durch zwo Mauern hindurch, wo ſich Belphegor ungeduldig hinwarf und ſchlechterdings nicht weiter wollte: allein Akante bat ihn mit allen weiblichen Kuͤnſten, mit einem Kniefalle, mit Thraͤnen, mit Lieb- koſungen; er war unerbittlich. — Sagte ich dir nicht, ſprach er unmuthig, daß wir in Dornen und Suͤmpfe gerathen wuͤrden? Wo gehſt du auf dieſem Planeten Einen Schritt, ohne daß deine Fuͤße nicht bluten? Verſtopfe deine Ohren! verſchließe deine Au- gen! ſey kein Menſch, wenn du auf ihm ohne Ungemach leben willſt! — War das nicht mein Rath? — Wer weis, wie viele Tage- reiſen lang wir ohne Nahrung, ohne Klei- dung uns unter tauſend Schmerzen durch dieſe vermaledeyten Doruenzaͤune durchar- beiten M

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/181>, abgerufen am 04.05.2024.