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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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beide Augen unverwandt auf ihn emporge-
richtet, ohne neben sich mit Einem Blicke zu
schauen. Der Vogel schien zuweilen nur zu
schweben und ihre Ankunft zu erwarten:
seine Verfolger sammelten ihre letzten Kräfte,
eilten hinzu, und kaum glaubten sie mit
ihren Fingerspitzen den strahlenvollen Spie-
gel seines Schwanzes zu berühren, als er
langsam fortschwebte und sie entkröftet hin-
ter sich zurückließ. Da das Schauspiel auf
einer weiten ausgebreiteten Ebne vor sich
gieng, so konnten die beyden Zuschauer un-
gehindert jede Bewegung bemerken. Die
Nachsetzenden rafften sich zwar jedesmal,
daß ihnen der Vogel einen solchen Betrug
spielte, wieder auf und verfolgten ihren
Raub von neuem, allein da ihre Kräfte un-
gleich waren, so kam ihm der eine meistens
um etliche Schritte näher als der andre,
worüber dieser sich so erbitterte, daß er alle
seine Stärke anwandte, jenen Glücklichern
von seinem Vorsprunge zurückzuziehn, und
da eine solche Aufhaltung gleichfalls Erbit-
terung erregen mußte, so zankten sie sich so
lange herum, bis keiner von beiden einen
Schritt weiter gehen konnte, oder der Vogel

indessen

beide Augen unverwandt auf ihn emporge-
richtet, ohne neben ſich mit Einem Blicke zu
ſchauen. Der Vogel ſchien zuweilen nur zu
ſchweben und ihre Ankunft zu erwarten:
ſeine Verfolger ſammelten ihre letzten Kraͤfte,
eilten hinzu, und kaum glaubten ſie mit
ihren Fingerſpitzen den ſtrahlenvollen Spie-
gel ſeines Schwanzes zu beruͤhren, als er
langſam fortſchwebte und ſie entkroͤftet hin-
ter ſich zuruͤckließ. Da das Schauſpiel auf
einer weiten ausgebreiteten Ebne vor ſich
gieng, ſo konnten die beyden Zuſchauer un-
gehindert jede Bewegung bemerken. Die
Nachſetzenden rafften ſich zwar jedesmal,
daß ihnen der Vogel einen ſolchen Betrug
ſpielte, wieder auf und verfolgten ihren
Raub von neuem, allein da ihre Kraͤfte un-
gleich waren, ſo kam ihm der eine meiſtens
um etliche Schritte naͤher als der andre,
woruͤber dieſer ſich ſo erbitterte, daß er alle
ſeine Staͤrke anwandte, jenen Gluͤcklichern
von ſeinem Vorſprunge zuruͤckzuziehn, und
da eine ſolche Aufhaltung gleichfalls Erbit-
terung erregen mußte, ſo zankten ſie ſich ſo
lange herum, bis keiner von beiden einen
Schritt weiter gehen konnte, oder der Vogel

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[168/0174] beide Augen unverwandt auf ihn emporge- richtet, ohne neben ſich mit Einem Blicke zu ſchauen. Der Vogel ſchien zuweilen nur zu ſchweben und ihre Ankunft zu erwarten: ſeine Verfolger ſammelten ihre letzten Kraͤfte, eilten hinzu, und kaum glaubten ſie mit ihren Fingerſpitzen den ſtrahlenvollen Spie- gel ſeines Schwanzes zu beruͤhren, als er langſam fortſchwebte und ſie entkroͤftet hin- ter ſich zuruͤckließ. Da das Schauſpiel auf einer weiten ausgebreiteten Ebne vor ſich gieng, ſo konnten die beyden Zuſchauer un- gehindert jede Bewegung bemerken. Die Nachſetzenden rafften ſich zwar jedesmal, daß ihnen der Vogel einen ſolchen Betrug ſpielte, wieder auf und verfolgten ihren Raub von neuem, allein da ihre Kraͤfte un- gleich waren, ſo kam ihm der eine meiſtens um etliche Schritte naͤher als der andre, woruͤber dieſer ſich ſo erbitterte, daß er alle ſeine Staͤrke anwandte, jenen Gluͤcklichern von ſeinem Vorſprunge zuruͤckzuziehn, und da eine ſolche Aufhaltung gleichfalls Erbit- terung erregen mußte, ſo zankten ſie ſich ſo lange herum, bis keiner von beiden einen Schritt weiter gehen konnte, oder der Vogel indeſſen

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/174>, abgerufen am 04.05.2024.