Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

der Erde außer dir! -- Einer von beyden
Wegen muß dich zur Glückseligkeit führen:
du mußt entweder mit der Welt rasen, oder
dich von ihr trennen! Der denkende Mann,
mit starkempfindendem Herze, der nur zu-
weilen sich in ihr Spiel mischt und nur sel-
ten eine Karte zugiebt, der verliert allzeit an
seiner Ruhe, besonders wenn er jedesmal
den Fuß zurückzieht und nachdenkt und ver-
gleicht und erwägt. -- Ich betrat den
zweyten Pfad: dich stieß das Schicksal auf
den ersten, aber du verließest ihn, wie ich
merke, du irrtest von einem zum andern,
du wolltest rasen und auch vernünftig seyn;
und siehe! die Stunden der Vernunst, des
Nachdenkens wurden für dich Stunden der
Angst, der Beunruhigung." --

Weiser, ehrwürdiger Mann! rief Belphe-
gor entflammt, führe mich auf den Weg
meiner ersten Jugend zurück, in die Gefilde
der Einbildung, in welchen du bisher ge-
wandelt hast! Ich bleibe bey dir: ich baue
statt deiner das Feld und erarbeite meine
und deine Nahrung: wenn der Abend mir
den Schweis abkühlt, dann sitze ich mit
dir unter dem Schatten dieser Zypressen und

schwärme

der Erde außer dir! — Einer von beyden
Wegen muß dich zur Gluͤckſeligkeit fuͤhren:
du mußt entweder mit der Welt raſen, oder
dich von ihr trennen! Der denkende Mann,
mit ſtarkempfindendem Herze, der nur zu-
weilen ſich in ihr Spiel miſcht und nur ſel-
ten eine Karte zugiebt, der verliert allzeit an
ſeiner Ruhe, beſonders wenn er jedesmal
den Fuß zuruͤckzieht und nachdenkt und ver-
gleicht und erwaͤgt. — Ich betrat den
zweyten Pfad: dich ſtieß das Schickſal auf
den erſten, aber du verließeſt ihn, wie ich
merke, du irrteſt von einem zum andern,
du wollteſt raſen und auch vernuͤnftig ſeyn;
und ſiehe! die Stunden der Vernunſt, des
Nachdenkens wurden fuͤr dich Stunden der
Angſt, der Beunruhigung.„ —

Weiſer, ehrwuͤrdiger Mann! rief Belphe-
gor entflammt, fuͤhre mich auf den Weg
meiner erſten Jugend zuruͤck, in die Gefilde
der Einbildung, in welchen du bisher ge-
wandelt haſt! Ich bleibe bey dir: ich baue
ſtatt deiner das Feld und erarbeite meine
und deine Nahrung: wenn der Abend mir
den Schweis abkuͤhlt, dann ſitze ich mit
dir unter dem Schatten dieſer Zypreſſen und

ſchwaͤrme
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="105"/>
der Erde außer dir! &#x2014; Einer von beyden<lb/>
Wegen muß dich zur Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit fu&#x0364;hren:<lb/>
du mußt entweder mit der Welt ra&#x017F;en, oder<lb/>
dich von ihr trennen! Der denkende Mann,<lb/>
mit &#x017F;tarkempfindendem Herze, der nur zu-<lb/>
weilen &#x017F;ich in ihr Spiel mi&#x017F;cht und nur &#x017F;el-<lb/>
ten eine Karte zugiebt, der verliert allzeit an<lb/>
&#x017F;einer Ruhe, be&#x017F;onders wenn er jedesmal<lb/>
den Fuß zuru&#x0364;ckzieht und nachdenkt und ver-<lb/>
gleicht und erwa&#x0364;gt. &#x2014; Ich betrat den<lb/>
zweyten Pfad: dich &#x017F;tieß das Schick&#x017F;al auf<lb/>
den er&#x017F;ten, aber du verließe&#x017F;t ihn, wie ich<lb/>
merke, du irrte&#x017F;t von einem zum andern,<lb/>
du wollte&#x017F;t ra&#x017F;en und auch vernu&#x0364;nftig &#x017F;eyn;<lb/>
und &#x017F;iehe! die Stunden der Vernun&#x017F;t, des<lb/>
Nachdenkens wurden fu&#x0364;r dich Stunden der<lb/>
Ang&#x017F;t, der Beunruhigung.&#x201E; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wei&#x017F;er, ehrwu&#x0364;rdiger Mann! rief Belphe-<lb/>
gor entflammt, fu&#x0364;hre mich auf den Weg<lb/>
meiner er&#x017F;ten Jugend zuru&#x0364;ck, in die Gefilde<lb/>
der Einbildung, in welchen du bisher ge-<lb/>
wandelt ha&#x017F;t! Ich bleibe bey dir: ich baue<lb/>
&#x017F;tatt deiner das Feld und erarbeite meine<lb/>
und deine Nahrung: wenn der Abend mir<lb/>
den Schweis abku&#x0364;hlt, dann &#x017F;itze ich mit<lb/>
dir unter dem Schatten die&#x017F;er Zypre&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chwa&#x0364;rme</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0111] der Erde außer dir! — Einer von beyden Wegen muß dich zur Gluͤckſeligkeit fuͤhren: du mußt entweder mit der Welt raſen, oder dich von ihr trennen! Der denkende Mann, mit ſtarkempfindendem Herze, der nur zu- weilen ſich in ihr Spiel miſcht und nur ſel- ten eine Karte zugiebt, der verliert allzeit an ſeiner Ruhe, beſonders wenn er jedesmal den Fuß zuruͤckzieht und nachdenkt und ver- gleicht und erwaͤgt. — Ich betrat den zweyten Pfad: dich ſtieß das Schickſal auf den erſten, aber du verließeſt ihn, wie ich merke, du irrteſt von einem zum andern, du wollteſt raſen und auch vernuͤnftig ſeyn; und ſiehe! die Stunden der Vernunſt, des Nachdenkens wurden fuͤr dich Stunden der Angſt, der Beunruhigung.„ — Weiſer, ehrwuͤrdiger Mann! rief Belphe- gor entflammt, fuͤhre mich auf den Weg meiner erſten Jugend zuruͤck, in die Gefilde der Einbildung, in welchen du bisher ge- wandelt haſt! Ich bleibe bey dir: ich baue ſtatt deiner das Feld und erarbeite meine und deine Nahrung: wenn der Abend mir den Schweis abkuͤhlt, dann ſitze ich mit dir unter dem Schatten dieſer Zypreſſen und ſchwaͤrme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/111
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/111>, abgerufen am 07.05.2024.