Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

darüber sind sie böse geworden; und weil sie
denken, sie könnens, so plagen sie mich so
lange, bis ich fortgehe. Meine Kinder sind
versorgt; mein Apfelwein ist diesen Abend
alle; und morgen geht die Reise fort. Die
Vorsicht ist überall. Meine Frau ist vor
Kummer gestorben -- Hier hielt er schluch-
zend inne: sogleich heiterte sich sein Gesicht
wieder auf: aber die Vorsicht lebt noch, sezte
er ruhig hinzu. -- Es war eine herzensgute
Frau -- er weinte -- gar ein goldnes Weib-
chen -- er weinte noch mehr. -- Da, Brü-
derchen! fuhr er auf einmal auf, indem die
Thränen noch über sein erheitertes Gesicht
herabliefen -- da Brüderchen! Jhr Anden-
ken! -- und brachte ihm den Krug zu. --

Ach Akante! du grausame Akante! rief Bel-
phegor, indem er den Krug dem Munde näherte.

Brüderchen, ist das deine Frau? rief Me-
dardus. --

Nein! aber -- kennst du das grausame
Felsenherz? --

"O, Närrchen, mehr als zu wohl! Jch ha-
"be als Jesuiterschüler dreyhundert wohlschme-
"ckende Hiebe um ihrentwillen bekommen --

daruͤber ſind ſie boͤſe geworden; und weil ſie
denken, ſie koͤnnens, ſo plagen ſie mich ſo
lange, bis ich fortgehe. Meine Kinder ſind
verſorgt; mein Apfelwein iſt dieſen Abend
alle; und morgen geht die Reiſe fort. Die
Vorſicht iſt uͤberall. Meine Frau iſt vor
Kummer geſtorben — Hier hielt er ſchluch-
zend inne: ſogleich heiterte ſich ſein Geſicht
wieder auf: aber die Vorſicht lebt noch, ſezte
er ruhig hinzu. — Es war eine herzensgute
Frau — er weinte — gar ein goldnes Weib-
chen — er weinte noch mehr. — Da, Bruͤ-
derchen! fuhr er auf einmal auf, indem die
Thraͤnen noch uͤber ſein erheitertes Geſicht
herabliefen — da Bruͤderchen! Jhr Anden-
ken! — und brachte ihm den Krug zu. —

Ach Akante! du grauſame Akante! rief Bel-
phegor, indem er den Krug dem Munde naͤherte.

Bruͤderchen, iſt das deine Frau? rief Me-
dardus. —

Nein! aber — kennſt du das grauſame
Felſenherz? —

„O, Naͤrrchen, mehr als zu wohl! Jch ha-
„be als Jeſuiterſchuͤler dreyhundert wohlſchme-
„ckende Hiebe um ihrentwillen bekommen —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="59"/>
daru&#x0364;ber &#x017F;ind &#x017F;ie bo&#x0364;&#x017F;e geworden; und weil &#x017F;ie<lb/>
denken, &#x017F;ie ko&#x0364;nnens, &#x017F;o plagen &#x017F;ie mich &#x017F;o<lb/>
lange, bis ich fortgehe. Meine Kinder &#x017F;ind<lb/>
ver&#x017F;orgt; mein Apfelwein i&#x017F;t die&#x017F;en Abend<lb/>
alle; und morgen geht die Rei&#x017F;e fort. Die<lb/>
Vor&#x017F;icht i&#x017F;t u&#x0364;berall. Meine Frau i&#x017F;t vor<lb/>
Kummer ge&#x017F;torben &#x2014; Hier hielt er &#x017F;chluch-<lb/>
zend inne: &#x017F;ogleich heiterte &#x017F;ich &#x017F;ein Ge&#x017F;icht<lb/>
wieder auf: aber die Vor&#x017F;icht lebt noch, &#x017F;ezte<lb/>
er ruhig hinzu. &#x2014; Es war eine herzensgute<lb/>
Frau &#x2014; er weinte &#x2014; gar ein goldnes Weib-<lb/>
chen &#x2014; er weinte noch mehr. &#x2014; Da, Bru&#x0364;-<lb/>
derchen! fuhr er auf einmal auf, indem die<lb/>
Thra&#x0364;nen noch u&#x0364;ber &#x017F;ein erheitertes Ge&#x017F;icht<lb/>
herabliefen &#x2014; da Bru&#x0364;derchen! Jhr Anden-<lb/>
ken! &#x2014; und brachte ihm den Krug zu. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ach Akante! du grau&#x017F;ame Akante! rief Bel-<lb/>
phegor, indem er den Krug dem Munde na&#x0364;herte.</p><lb/>
        <p>Bru&#x0364;derchen, i&#x017F;t das deine Frau? rief Me-<lb/>
dardus. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nein! aber &#x2014; kenn&#x017F;t du das grau&#x017F;ame<lb/>
Fel&#x017F;enherz? &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O, Na&#x0364;rrchen, mehr als zu wohl! Jch ha-<lb/>
&#x201E;be als Je&#x017F;uiter&#x017F;chu&#x0364;ler dreyhundert wohl&#x017F;chme-<lb/>
&#x201E;ckende Hiebe um ihrentwillen bekommen &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0079] daruͤber ſind ſie boͤſe geworden; und weil ſie denken, ſie koͤnnens, ſo plagen ſie mich ſo lange, bis ich fortgehe. Meine Kinder ſind verſorgt; mein Apfelwein iſt dieſen Abend alle; und morgen geht die Reiſe fort. Die Vorſicht iſt uͤberall. Meine Frau iſt vor Kummer geſtorben — Hier hielt er ſchluch- zend inne: ſogleich heiterte ſich ſein Geſicht wieder auf: aber die Vorſicht lebt noch, ſezte er ruhig hinzu. — Es war eine herzensgute Frau — er weinte — gar ein goldnes Weib- chen — er weinte noch mehr. — Da, Bruͤ- derchen! fuhr er auf einmal auf, indem die Thraͤnen noch uͤber ſein erheitertes Geſicht herabliefen — da Bruͤderchen! Jhr Anden- ken! — und brachte ihm den Krug zu. — Ach Akante! du grauſame Akante! rief Bel- phegor, indem er den Krug dem Munde naͤherte. Bruͤderchen, iſt das deine Frau? rief Me- dardus. — Nein! aber — kennſt du das grauſame Felſenherz? — „O, Naͤrrchen, mehr als zu wohl! Jch ha- „be als Jeſuiterſchuͤler dreyhundert wohlſchme- „ckende Hiebe um ihrentwillen bekommen —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/79
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/79>, abgerufen am 24.11.2024.