Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

herrschen wollen, und wer den andern hat
daniederwerfen können, der ist der Herr ge-
wesen. Es war ja immer so, wie wir in
Historienbüchern finden, daß der Schwache,

Unterdrückung genießen ließ; und diejenigen
Herren, die ihren eignen Verlust nicht achte-
ten, sondern die Absichten ihres Monarchen
unterstüzten sind meines Bedünkens mehr als
Scipione und Türenne: denn sie besiegten den
Eigennuz, den hartnäckigsten schlausten Feind.--
Jhr Dichter und Redner! für solche Hand-
lungen allein solltet ihr Wiz und Beredsamkeit
haben! Bis zum Aubeten kann ich den Monar-
chen lieben, der seinen Blick auf die niedere
verachtete Klasse der Menschheit wirft und ih-
nen zwar nicht Bequemlichkeiten, Ueberfluß,
Verfeinerung geben will -- eine schädliche
Gabe! -- sondern von den vielen Einschrän-
kungen der Freiheit, die sie zur Arbeit nöthi-
gen, diejenigen hinwegnimmt, die ohne Revo-
lution
weggenommen werden können, den Her-
ren einen kleinen zu verschmerzenden Verlust,
und dem Unterthan ungleich größern Vortheil
verschaffen: wie ich hingegen nie ohne inner-
liche Erschütterung einen sonst guten Mann--
im Durchschnitte genommen! -- mit Ernst
behaupten hören konnte, daß ein Bauer nichts
D

herrſchen wollen, und wer den andern hat
daniederwerfen koͤnnen, der iſt der Herr ge-
weſen. Es war ja immer ſo, wie wir in
Hiſtorienbuͤchern finden, daß der Schwache,

Unterdruͤckung genießen ließ; und diejenigen
Herren, die ihren eignen Verluſt nicht achte-
ten, ſondern die Abſichten ihres Monarchen
unterſtuͤzten ſind meines Beduͤnkens mehr als
Scipione und Tuͤrenne: denn ſie beſiegten den
Eigennuz, den hartnaͤckigſten ſchlauſten Feind.—
Jhr Dichter und Redner! fuͤr ſolche Hand-
lungen allein ſolltet ihr Wiz und Beredſamkeit
haben! Bis zum Aubeten kann ich den Monar-
chen lieben, der ſeinen Blick auf die niedere
verachtete Klaſſe der Menſchheit wirft und ih-
nen zwar nicht Bequemlichkeiten, Ueberfluß,
Verfeinerung geben will — eine ſchaͤdliche
Gabe! — ſondern von den vielen Einſchraͤn-
kungen der Freiheit, die ſie zur Arbeit noͤthi-
gen, diejenigen hinwegnimmt, die ohne Revo-
lution
weggenommen werden koͤnnen, den Her-
ren einen kleinen zu verſchmerzenden Verluſt,
und dem Unterthan ungleich groͤßern Vortheil
verſchaffen: wie ich hingegen nie ohne inner-
liche Erſchuͤtterung einen ſonſt guten Mann—
im Durchſchnitte genommen! — mit Ernſt
behaupten hoͤren konnte, daß ein Bauer nichts
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="49"/>
herr&#x017F;chen wollen, und wer den andern hat<lb/>
daniederwerfen ko&#x0364;nnen, der i&#x017F;t der Herr ge-<lb/>
we&#x017F;en. Es war ja immer &#x017F;o, wie wir in<lb/>
Hi&#x017F;torienbu&#x0364;chern finden, daß der Schwache,<lb/><note next="#f04" xml:id="f03" prev="#f02" place="foot" n="*)">Unterdru&#x0364;ckung genießen ließ; und diejenigen<lb/>
Herren, die ihren eignen Verlu&#x017F;t nicht achte-<lb/>
ten, &#x017F;ondern die Ab&#x017F;ichten ihres Monarchen<lb/>
unter&#x017F;tu&#x0364;zten &#x017F;ind meines Bedu&#x0364;nkens mehr als<lb/>
Scipione und Tu&#x0364;renne: denn &#x017F;ie be&#x017F;iegten den<lb/>
Eigennuz, den hartna&#x0364;ckig&#x017F;ten &#x017F;chlau&#x017F;ten Feind.&#x2014;<lb/>
Jhr Dichter und Redner! fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">&#x017F;olche</hi> Hand-<lb/>
lungen allein &#x017F;olltet ihr Wiz und Bered&#x017F;amkeit<lb/>
haben! Bis zum Aubeten kann ich den Monar-<lb/>
chen lieben, der &#x017F;einen Blick auf die niedere<lb/>
verachtete Kla&#x017F;&#x017F;e der Men&#x017F;chheit wirft und ih-<lb/>
nen zwar nicht Bequemlichkeiten, Ueberfluß,<lb/>
Verfeinerung geben will &#x2014; eine &#x017F;cha&#x0364;dliche<lb/>
Gabe! &#x2014; &#x017F;ondern von den vielen Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kungen der Freiheit, die &#x017F;ie zur Arbeit no&#x0364;thi-<lb/>
gen, diejenigen hinwegnimmt, die <hi rendition="#fr">ohne Revo-<lb/>
lution</hi> weggenommen werden ko&#x0364;nnen, den Her-<lb/>
ren einen kleinen zu ver&#x017F;chmerzenden Verlu&#x017F;t,<lb/>
und dem Unterthan ungleich gro&#x0364;ßern Vortheil<lb/>
ver&#x017F;chaffen: wie ich hingegen nie ohne inner-<lb/>
liche Er&#x017F;chu&#x0364;tterung einen &#x017F;on&#x017F;t guten Mann&#x2014;<lb/>
im Durch&#x017F;chnitte genommen! &#x2014; mit Ern&#x017F;t<lb/>
behaupten ho&#x0364;ren konnte, daß ein Bauer nichts</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0069] herrſchen wollen, und wer den andern hat daniederwerfen koͤnnen, der iſt der Herr ge- weſen. Es war ja immer ſo, wie wir in Hiſtorienbuͤchern finden, daß der Schwache, *) *) Unterdruͤckung genießen ließ; und diejenigen Herren, die ihren eignen Verluſt nicht achte- ten, ſondern die Abſichten ihres Monarchen unterſtuͤzten ſind meines Beduͤnkens mehr als Scipione und Tuͤrenne: denn ſie beſiegten den Eigennuz, den hartnaͤckigſten ſchlauſten Feind.— Jhr Dichter und Redner! fuͤr ſolche Hand- lungen allein ſolltet ihr Wiz und Beredſamkeit haben! Bis zum Aubeten kann ich den Monar- chen lieben, der ſeinen Blick auf die niedere verachtete Klaſſe der Menſchheit wirft und ih- nen zwar nicht Bequemlichkeiten, Ueberfluß, Verfeinerung geben will — eine ſchaͤdliche Gabe! — ſondern von den vielen Einſchraͤn- kungen der Freiheit, die ſie zur Arbeit noͤthi- gen, diejenigen hinwegnimmt, die ohne Revo- lution weggenommen werden koͤnnen, den Her- ren einen kleinen zu verſchmerzenden Verluſt, und dem Unterthan ungleich groͤßern Vortheil verſchaffen: wie ich hingegen nie ohne inner- liche Erſchuͤtterung einen ſonſt guten Mann— im Durchſchnitte genommen! — mit Ernſt behaupten hoͤren konnte, daß ein Bauer nichts D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/69
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/69>, abgerufen am 24.11.2024.