Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

gor glühte: der Junge kam dazu, riß den
Zaun zwischen den beiden Gärten nieder, der
Vater gab ihm zur Belohnung seiner Tapfer-
keit noch ein Stückchen Land dazu, der arme
Ueberwundne mußte sein Eigenthum mit dem
Rücken ansehn, und sich als einen schwachen
elenden Nichtswürdigen oben drein verach-
ten lassen.

Belphegor stuzte, wollte aus diesem Hau-
se der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ sich aber
doch auf vieles Bitten zum Essen dabehalten.
Der Herr des Hauses würgte zwo Tauben:
Belphegor bedauerte bey sich die armen Krea-
turen, und verzehrte sie beide vom Halse bis
zu den Beinen ohne das mindeste Mitleiden,
als sie gebraten auf dem Tische erschienen.
Da er satt war, reiste er fort, that unter-
wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech-
tigkeit! der Habicht würgt die Taube, der
stärkre Bruder den schwächern, und der
Mensch verschlingt die unschuldigen Thiere!
Ja, Fromal -- alles ist ungerecht wie Akante.

Die Nacht nöthigte ihn bald zu einer
neuen Einkehr. Kaum hatte er sie erreicht,
als ihn ein hagrer Kerl, der müßig an ei-
nem Baume lehnte, auf die Seite zog und

gor gluͤhte: der Junge kam dazu, riß den
Zaun zwiſchen den beiden Gaͤrten nieder, der
Vater gab ihm zur Belohnung ſeiner Tapfer-
keit noch ein Stuͤckchen Land dazu, der arme
Ueberwundne mußte ſein Eigenthum mit dem
Ruͤcken anſehn, und ſich als einen ſchwachen
elenden Nichtswuͤrdigen oben drein verach-
ten laſſen.

Belphegor ſtuzte, wollte aus dieſem Hau-
ſe der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ ſich aber
doch auf vieles Bitten zum Eſſen dabehalten.
Der Herr des Hauſes wuͤrgte zwo Tauben:
Belphegor bedauerte bey ſich die armen Krea-
turen, und verzehrte ſie beide vom Halſe bis
zu den Beinen ohne das mindeſte Mitleiden,
als ſie gebraten auf dem Tiſche erſchienen.
Da er ſatt war, reiſte er fort, that unter-
wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech-
tigkeit! der Habicht wuͤrgt die Taube, der
ſtaͤrkre Bruder den ſchwaͤchern, und der
Menſch verſchlingt die unſchuldigen Thiere!
Ja, Fromal — alles iſt ungerecht wie Akante.

Die Nacht noͤthigte ihn bald zu einer
neuen Einkehr. Kaum hatte er ſie erreicht,
als ihn ein hagrer Kerl, der muͤßig an ei-
nem Baume lehnte, auf die Seite zog und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="20"/>
gor glu&#x0364;hte: der Junge kam dazu, riß den<lb/>
Zaun zwi&#x017F;chen den beiden Ga&#x0364;rten nieder, der<lb/>
Vater gab ihm zur Belohnung &#x017F;einer Tapfer-<lb/>
keit noch ein Stu&#x0364;ckchen Land dazu, der arme<lb/>
Ueberwundne mußte &#x017F;ein Eigenthum mit dem<lb/>
Ru&#x0364;cken an&#x017F;ehn, und &#x017F;ich als einen &#x017F;chwachen<lb/>
elenden Nichtswu&#x0364;rdigen oben drein verach-<lb/>
ten la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Belphegor &#x017F;tuzte, wollte aus die&#x017F;em Hau-<lb/>
&#x017F;e der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ &#x017F;ich aber<lb/>
doch auf vieles Bitten zum E&#x017F;&#x017F;en dabehalten.<lb/>
Der Herr des Hau&#x017F;es wu&#x0364;rgte zwo Tauben:<lb/>
Belphegor bedauerte bey &#x017F;ich die armen Krea-<lb/>
turen, und verzehrte &#x017F;ie beide vom Hal&#x017F;e bis<lb/>
zu den Beinen ohne das minde&#x017F;te Mitleiden,<lb/>
als &#x017F;ie gebraten auf dem Ti&#x017F;che er&#x017F;chienen.<lb/>
Da er &#x017F;att war, rei&#x017F;te er fort, that unter-<lb/>
wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech-<lb/>
tigkeit! der Habicht wu&#x0364;rgt die Taube, der<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkre Bruder den &#x017F;chwa&#x0364;chern, und der<lb/>
Men&#x017F;ch ver&#x017F;chlingt die un&#x017F;chuldigen Thiere!<lb/>
Ja, Fromal &#x2014; alles i&#x017F;t ungerecht wie Akante.</p><lb/>
        <p>Die Nacht no&#x0364;thigte ihn bald zu einer<lb/>
neuen Einkehr. Kaum hatte er &#x017F;ie erreicht,<lb/>
als ihn ein hagrer Kerl, der mu&#x0364;ßig an ei-<lb/>
nem Baume lehnte, auf die Seite zog und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0040] gor gluͤhte: der Junge kam dazu, riß den Zaun zwiſchen den beiden Gaͤrten nieder, der Vater gab ihm zur Belohnung ſeiner Tapfer- keit noch ein Stuͤckchen Land dazu, der arme Ueberwundne mußte ſein Eigenthum mit dem Ruͤcken anſehn, und ſich als einen ſchwachen elenden Nichtswuͤrdigen oben drein verach- ten laſſen. Belphegor ſtuzte, wollte aus dieſem Hau- ſe der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ ſich aber doch auf vieles Bitten zum Eſſen dabehalten. Der Herr des Hauſes wuͤrgte zwo Tauben: Belphegor bedauerte bey ſich die armen Krea- turen, und verzehrte ſie beide vom Halſe bis zu den Beinen ohne das mindeſte Mitleiden, als ſie gebraten auf dem Tiſche erſchienen. Da er ſatt war, reiſte er fort, that unter- wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech- tigkeit! der Habicht wuͤrgt die Taube, der ſtaͤrkre Bruder den ſchwaͤchern, und der Menſch verſchlingt die unſchuldigen Thiere! Ja, Fromal — alles iſt ungerecht wie Akante. Die Nacht noͤthigte ihn bald zu einer neuen Einkehr. Kaum hatte er ſie erreicht, als ihn ein hagrer Kerl, der muͤßig an ei- nem Baume lehnte, auf die Seite zog und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/40
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/40>, abgerufen am 27.11.2024.