gor glühte: der Junge kam dazu, riß den Zaun zwischen den beiden Gärten nieder, der Vater gab ihm zur Belohnung seiner Tapfer- keit noch ein Stückchen Land dazu, der arme Ueberwundne mußte sein Eigenthum mit dem Rücken ansehn, und sich als einen schwachen elenden Nichtswürdigen oben drein verach- ten lassen.
Belphegor stuzte, wollte aus diesem Hau- se der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ sich aber doch auf vieles Bitten zum Essen dabehalten. Der Herr des Hauses würgte zwo Tauben: Belphegor bedauerte bey sich die armen Krea- turen, und verzehrte sie beide vom Halse bis zu den Beinen ohne das mindeste Mitleiden, als sie gebraten auf dem Tische erschienen. Da er satt war, reiste er fort, that unter- wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech- tigkeit! der Habicht würgt die Taube, der stärkre Bruder den schwächern, und der Mensch verschlingt die unschuldigen Thiere! Ja, Fromal -- alles ist ungerecht wie Akante.
Die Nacht nöthigte ihn bald zu einer neuen Einkehr. Kaum hatte er sie erreicht, als ihn ein hagrer Kerl, der müßig an ei- nem Baume lehnte, auf die Seite zog und
gor gluͤhte: der Junge kam dazu, riß den Zaun zwiſchen den beiden Gaͤrten nieder, der Vater gab ihm zur Belohnung ſeiner Tapfer- keit noch ein Stuͤckchen Land dazu, der arme Ueberwundne mußte ſein Eigenthum mit dem Ruͤcken anſehn, und ſich als einen ſchwachen elenden Nichtswuͤrdigen oben drein verach- ten laſſen.
Belphegor ſtuzte, wollte aus dieſem Hau- ſe der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ ſich aber doch auf vieles Bitten zum Eſſen dabehalten. Der Herr des Hauſes wuͤrgte zwo Tauben: Belphegor bedauerte bey ſich die armen Krea- turen, und verzehrte ſie beide vom Halſe bis zu den Beinen ohne das mindeſte Mitleiden, als ſie gebraten auf dem Tiſche erſchienen. Da er ſatt war, reiſte er fort, that unter- wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech- tigkeit! der Habicht wuͤrgt die Taube, der ſtaͤrkre Bruder den ſchwaͤchern, und der Menſch verſchlingt die unſchuldigen Thiere! Ja, Fromal — alles iſt ungerecht wie Akante.
Die Nacht noͤthigte ihn bald zu einer neuen Einkehr. Kaum hatte er ſie erreicht, als ihn ein hagrer Kerl, der muͤßig an ei- nem Baume lehnte, auf die Seite zog und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0040"n="20"/>
gor gluͤhte: der Junge kam dazu, riß den<lb/>
Zaun zwiſchen den beiden Gaͤrten nieder, der<lb/>
Vater gab ihm zur Belohnung ſeiner Tapfer-<lb/>
keit noch ein Stuͤckchen Land dazu, der arme<lb/>
Ueberwundne mußte ſein Eigenthum mit dem<lb/>
Ruͤcken anſehn, und ſich als einen ſchwachen<lb/>
elenden Nichtswuͤrdigen oben drein verach-<lb/>
ten laſſen.</p><lb/><p>Belphegor ſtuzte, wollte aus dieſem Hau-<lb/>ſe der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ ſich aber<lb/>
doch auf vieles Bitten zum Eſſen dabehalten.<lb/>
Der Herr des Hauſes wuͤrgte zwo Tauben:<lb/>
Belphegor bedauerte bey ſich die armen Krea-<lb/>
turen, und verzehrte ſie beide vom Halſe bis<lb/>
zu den Beinen ohne das mindeſte Mitleiden,<lb/>
als ſie gebraten auf dem Tiſche erſchienen.<lb/>
Da er ſatt war, reiſte er fort, that unter-<lb/>
wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech-<lb/>
tigkeit! der Habicht wuͤrgt die Taube, der<lb/>ſtaͤrkre Bruder den ſchwaͤchern, und der<lb/>
Menſch verſchlingt die unſchuldigen Thiere!<lb/>
Ja, Fromal — alles iſt ungerecht wie Akante.</p><lb/><p>Die Nacht noͤthigte ihn bald zu einer<lb/>
neuen Einkehr. Kaum hatte er ſie erreicht,<lb/>
als ihn ein hagrer Kerl, der muͤßig an ei-<lb/>
nem Baume lehnte, auf die Seite zog und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[20/0040]
gor gluͤhte: der Junge kam dazu, riß den
Zaun zwiſchen den beiden Gaͤrten nieder, der
Vater gab ihm zur Belohnung ſeiner Tapfer-
keit noch ein Stuͤckchen Land dazu, der arme
Ueberwundne mußte ſein Eigenthum mit dem
Ruͤcken anſehn, und ſich als einen ſchwachen
elenden Nichtswuͤrdigen oben drein verach-
ten laſſen.
Belphegor ſtuzte, wollte aus dieſem Hau-
ſe der Ungerechtigkeit entfliehn, ließ ſich aber
doch auf vieles Bitten zum Eſſen dabehalten.
Der Herr des Hauſes wuͤrgte zwo Tauben:
Belphegor bedauerte bey ſich die armen Krea-
turen, und verzehrte ſie beide vom Halſe bis
zu den Beinen ohne das mindeſte Mitleiden,
als ſie gebraten auf dem Tiſche erſchienen.
Da er ſatt war, reiſte er fort, that unter-
wegs einen Seufzer und rief: O Ungerech-
tigkeit! der Habicht wuͤrgt die Taube, der
ſtaͤrkre Bruder den ſchwaͤchern, und der
Menſch verſchlingt die unſchuldigen Thiere!
Ja, Fromal — alles iſt ungerecht wie Akante.
Die Nacht noͤthigte ihn bald zu einer
neuen Einkehr. Kaum hatte er ſie erreicht,
als ihn ein hagrer Kerl, der muͤßig an ei-
nem Baume lehnte, auf die Seite zog und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/40>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.