Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterdessen hatte der Franzose, ihr Lehr-
meister in dem Hofcerimoniell, mit Hülfe sei-
nes Ehrgeizes einen wichtigen Grund ent-
deckt, seine beiden Schüler von Herzensgrun-
de zu hassen. Die Ehre und Herrlichkeit die-
ser hohen Gesandschaft, die er sich vorher
nicht so groß vorgestellt hatte, leuchtete ihm
izt, da er so müßig in der Ferne zusehn mußte,
so stark in das Gesicht, daß er weder Fro-
maln noch Belphegorn mit offnen Augen an-
schauen konnte. Er gieng um sie herum, machte
ihnen steife frostige Komplimente, stichelte
mit unter ein wenig auf ihre genoßne Ehre,
versicherte mit etwas bittrer Großmuth, daß
er sie von sich selbst abgelehnt habe, ob es
gleich in seiner Macht gestanden hätte, sie
vor allen andern zu erlangen, und gab dabey
zu verstehn, daß sie ihm die ganze Verbind-
lichkeit dafür schuldig wären. Fromal und
Belphegor gaben ihm gleichfalls zu verstehn,
daß sie ihm zwar Verbindlichkeit für seinen
guten Willen, aber nicht für die Sache hät-
ten, die das beschwerlichste Possenspiel der
Welt wäre. Sie lachten und scherzten; und
in drey Tagen war der Franzose unsichtbar.

Unterdeſſen hatte der Franzoſe, ihr Lehr-
meiſter in dem Hofcerimoniell, mit Huͤlfe ſei-
nes Ehrgeizes einen wichtigen Grund ent-
deckt, ſeine beiden Schuͤler von Herzensgrun-
de zu haſſen. Die Ehre und Herrlichkeit die-
ſer hohen Geſandſchaft, die er ſich vorher
nicht ſo groß vorgeſtellt hatte, leuchtete ihm
izt, da er ſo muͤßig in der Ferne zuſehn mußte,
ſo ſtark in das Geſicht, daß er weder Fro-
maln noch Belphegorn mit offnen Augen an-
ſchauen konnte. Er gieng um ſie herum, machte
ihnen ſteife froſtige Komplimente, ſtichelte
mit unter ein wenig auf ihre genoßne Ehre,
verſicherte mit etwas bittrer Großmuth, daß
er ſie von ſich ſelbſt abgelehnt habe, ob es
gleich in ſeiner Macht geſtanden haͤtte, ſie
vor allen andern zu erlangen, und gab dabey
zu verſtehn, daß ſie ihm die ganze Verbind-
lichkeit dafuͤr ſchuldig waͤren. Fromal und
Belphegor gaben ihm gleichfalls zu verſtehn,
daß ſie ihm zwar Verbindlichkeit fuͤr ſeinen
guten Willen, aber nicht fuͤr die Sache haͤt-
ten, die das beſchwerlichſte Poſſenſpiel der
Welt waͤre. Sie lachten und ſcherzten; und
in drey Tagen war der Franzoſe unſichtbar.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0271" n="251"/>
        <p>Unterde&#x017F;&#x017F;en hatte der Franzo&#x017F;e, ihr Lehr-<lb/>
mei&#x017F;ter in dem Hofcerimoniell, mit Hu&#x0364;lfe &#x017F;ei-<lb/>
nes Ehrgeizes einen wichtigen Grund ent-<lb/>
deckt, &#x017F;eine beiden Schu&#x0364;ler von Herzensgrun-<lb/>
de zu ha&#x017F;&#x017F;en. Die Ehre und Herrlichkeit die-<lb/>
&#x017F;er hohen Ge&#x017F;and&#x017F;chaft, die er &#x017F;ich vorher<lb/>
nicht &#x017F;o groß vorge&#x017F;tellt hatte, leuchtete ihm<lb/>
izt, da er &#x017F;o mu&#x0364;ßig in der Ferne zu&#x017F;ehn mußte,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tark in das Ge&#x017F;icht, daß er weder Fro-<lb/>
maln noch Belphegorn mit offnen Augen an-<lb/>
&#x017F;chauen konnte. Er gieng um &#x017F;ie herum, machte<lb/>
ihnen &#x017F;teife fro&#x017F;tige Komplimente, &#x017F;tichelte<lb/>
mit unter ein wenig auf ihre genoßne Ehre,<lb/>
ver&#x017F;icherte mit etwas bittrer Großmuth, daß<lb/>
er &#x017F;ie von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t abgelehnt habe, ob es<lb/>
gleich in &#x017F;einer Macht ge&#x017F;tanden ha&#x0364;tte, &#x017F;ie<lb/>
vor allen andern zu erlangen, und gab dabey<lb/>
zu ver&#x017F;tehn, daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ihm</hi> die ganze Verbind-<lb/>
lichkeit dafu&#x0364;r &#x017F;chuldig wa&#x0364;ren. Fromal und<lb/>
Belphegor gaben ihm gleichfalls zu ver&#x017F;tehn,<lb/>
daß &#x017F;ie ihm zwar Verbindlichkeit fu&#x0364;r &#x017F;einen<lb/>
guten Willen, aber nicht fu&#x0364;r die Sache ha&#x0364;t-<lb/>
ten, die das be&#x017F;chwerlich&#x017F;te Po&#x017F;&#x017F;en&#x017F;piel der<lb/>
Welt wa&#x0364;re. Sie lachten und &#x017F;cherzten; und<lb/>
in drey Tagen war der Franzo&#x017F;e un&#x017F;ichtbar.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0271] Unterdeſſen hatte der Franzoſe, ihr Lehr- meiſter in dem Hofcerimoniell, mit Huͤlfe ſei- nes Ehrgeizes einen wichtigen Grund ent- deckt, ſeine beiden Schuͤler von Herzensgrun- de zu haſſen. Die Ehre und Herrlichkeit die- ſer hohen Geſandſchaft, die er ſich vorher nicht ſo groß vorgeſtellt hatte, leuchtete ihm izt, da er ſo muͤßig in der Ferne zuſehn mußte, ſo ſtark in das Geſicht, daß er weder Fro- maln noch Belphegorn mit offnen Augen an- ſchauen konnte. Er gieng um ſie herum, machte ihnen ſteife froſtige Komplimente, ſtichelte mit unter ein wenig auf ihre genoßne Ehre, verſicherte mit etwas bittrer Großmuth, daß er ſie von ſich ſelbſt abgelehnt habe, ob es gleich in ſeiner Macht geſtanden haͤtte, ſie vor allen andern zu erlangen, und gab dabey zu verſtehn, daß ſie ihm die ganze Verbind- lichkeit dafuͤr ſchuldig waͤren. Fromal und Belphegor gaben ihm gleichfalls zu verſtehn, daß ſie ihm zwar Verbindlichkeit fuͤr ſeinen guten Willen, aber nicht fuͤr die Sache haͤt- ten, die das beſchwerlichſte Poſſenſpiel der Welt waͤre. Sie lachten und ſcherzten; und in drey Tagen war der Franzoſe unſichtbar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/271
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/271>, abgerufen am 25.11.2024.