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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Vorstellung erschienen war, that ihnen ihr
Lehrmeister mit betrübtem Herzen zu wissen,
daß sie wegen der Verwundung des Priesters
das Angesicht des Königs nicht schauen könn-
ten, wenn sie nicht vorher durch gewisse hei-
lige Gebräuche und Büßungen von ihrer
Sünde gereinigt wären; Medardus, berich-
tete er ihnen ferner, sey zwar noch am Leben,
würde aber niemals wieder aus dem Reiche
kommen; denn er sey unter die Zahl der hei-
ligen Thiere versezt worden. Zugleich ließ
ihnen der König seine Vermittelung bey den
Priestern anbieten, die er vermögen wollte,
ihnen wenigsiens drey Wochen von der nö-
thigen Reinigung zu erlassen, da sie eigentlich
vier ganze Wochen dauern sollte, aber unter
dem Bedinge, daß sie ihm gleichfalls einen
Dienst erzeigten. Sie stünden herzlich gern
zu Befehl und erfuhren darauf, daß der Kö-
nig zur Verherrlichung seines Reichs eine Ge-
sandschaft aus Europa zu bekommen wünschte
und daher sie ersuchte, diese Gesandten vor-
zustellen. Da es bey einem so elenden Duo-
dezmonarchen keine Gefahr haben konnte, eine
solche Komödie zu spielen, und sie vielleicht
die Loslassung ihres Freundes durch ihre Ein-

Vorſtellung erſchienen war, that ihnen ihr
Lehrmeiſter mit betruͤbtem Herzen zu wiſſen,
daß ſie wegen der Verwundung des Prieſters
das Angeſicht des Koͤnigs nicht ſchauen koͤnn-
ten, wenn ſie nicht vorher durch gewiſſe hei-
lige Gebraͤuche und Buͤßungen von ihrer
Suͤnde gereinigt waͤren; Medardus, berich-
tete er ihnen ferner, ſey zwar noch am Leben,
wuͤrde aber niemals wieder aus dem Reiche
kommen; denn er ſey unter die Zahl der hei-
ligen Thiere verſezt worden. Zugleich ließ
ihnen der Koͤnig ſeine Vermittelung bey den
Prieſtern anbieten, die er vermoͤgen wollte,
ihnen wenigſiens drey Wochen von der noͤ-
thigen Reinigung zu erlaſſen, da ſie eigentlich
vier ganze Wochen dauern ſollte, aber unter
dem Bedinge, daß ſie ihm gleichfalls einen
Dienſt erzeigten. Sie ſtuͤnden herzlich gern
zu Befehl und erfuhren darauf, daß der Koͤ-
nig zur Verherrlichung ſeines Reichs eine Ge-
ſandſchaft aus Europa zu bekommen wuͤnſchte
und daher ſie erſuchte, dieſe Geſandten vor-
zuſtellen. Da es bey einem ſo elenden Duo-
dezmonarchen keine Gefahr haben konnte, eine
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[237/0257] Vorſtellung erſchienen war, that ihnen ihr Lehrmeiſter mit betruͤbtem Herzen zu wiſſen, daß ſie wegen der Verwundung des Prieſters das Angeſicht des Koͤnigs nicht ſchauen koͤnn- ten, wenn ſie nicht vorher durch gewiſſe hei- lige Gebraͤuche und Buͤßungen von ihrer Suͤnde gereinigt waͤren; Medardus, berich- tete er ihnen ferner, ſey zwar noch am Leben, wuͤrde aber niemals wieder aus dem Reiche kommen; denn er ſey unter die Zahl der hei- ligen Thiere verſezt worden. Zugleich ließ ihnen der Koͤnig ſeine Vermittelung bey den Prieſtern anbieten, die er vermoͤgen wollte, ihnen wenigſiens drey Wochen von der noͤ- thigen Reinigung zu erlaſſen, da ſie eigentlich vier ganze Wochen dauern ſollte, aber unter dem Bedinge, daß ſie ihm gleichfalls einen Dienſt erzeigten. Sie ſtuͤnden herzlich gern zu Befehl und erfuhren darauf, daß der Koͤ- nig zur Verherrlichung ſeines Reichs eine Ge- ſandſchaft aus Europa zu bekommen wuͤnſchte und daher ſie erſuchte, dieſe Geſandten vor- zuſtellen. Da es bey einem ſo elenden Duo- dezmonarchen keine Gefahr haben konnte, eine ſolche Komoͤdie zu ſpielen, und ſie vielleicht die Loslaſſung ihres Freundes durch ihre Ein-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/257>, abgerufen am 17.05.2024.