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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Siehst du, Brüderchen? sagte Medardus
zu Belphegorn, als sie auf einem öffent-
lichen Platze niedergesezt wurden: sagte ich
dir nicht? wer weis, wozu das gut ist, daß
Prinz Amurat sich erstach, daß die Markisinn
gespaltet, alle unsre Mitsklaven niedergehauen,
und die Schiffer von uns ersäuft wurden? --
Siehst du nun? Wir sollten hier die Löwen
verjagen, und vielleicht gar --

Viel Anstalt zu einem kleinen Nutzen! sag-
te Belphegor, wenn er dies ganz seyn soll! --

Nur Geduld, Brüderchen! Wer weis,
wer weis!

Es war die hergebrachte Gewohnheit des
Landes, daß die heiligen Löwen nach einem
glücklich abgelaufnen Löwenkriege mit einem
Menschen beschenkt wurden, dessen Aufopfe-
rung sie wegen des Schadens wieder versöh-
nen sollte, den man ihrem Geschlechte zuge-
fügt hatte. Aus einer ökonomischen Absicht,
die Eingebornen des Dorfs zu schonen, ka-
men die Priester diesmal auf den sinnreichen
Einfall, einen von den drey angelangten
Weißen dazu anzuwenden, die ihnen ohnehin
verdächtig worden waren, weil sie die Ueber-
windung der Feinde bewerkstelligt, und da-

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Siehſt du, Bruͤderchen? ſagte Medardus
zu Belphegorn, als ſie auf einem oͤffent-
lichen Platze niedergeſezt wurden: ſagte ich
dir nicht? wer weis, wozu das gut iſt, daß
Prinz Amurat ſich erſtach, daß die Markiſinn
geſpaltet, alle unſre Mitſklaven niedergehauen,
und die Schiffer von uns erſaͤuft wurden? —
Siehſt du nun? Wir ſollten hier die Loͤwen
verjagen, und vielleicht gar —

Viel Anſtalt zu einem kleinen Nutzen! ſag-
te Belphegor, wenn er dies ganz ſeyn ſoll! —

Nur Geduld, Bruͤderchen! Wer weis,
wer weis!

Es war die hergebrachte Gewohnheit des
Landes, daß die heiligen Loͤwen nach einem
gluͤcklich abgelaufnen Loͤwenkriege mit einem
Menſchen beſchenkt wurden, deſſen Aufopfe-
rung ſie wegen des Schadens wieder verſoͤh-
nen ſollte, den man ihrem Geſchlechte zuge-
fuͤgt hatte. Aus einer oͤkonomiſchen Abſicht,
die Eingebornen des Dorfs zu ſchonen, ka-
men die Prieſter diesmal auf den ſinnreichen
Einfall, einen von den drey angelangten
Weißen dazu anzuwenden, die ihnen ohnehin
verdaͤchtig worden waren, weil ſie die Ueber-
windung der Feinde bewerkſtelligt, und da-

P 3
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[229/0249] Siehſt du, Bruͤderchen? ſagte Medardus zu Belphegorn, als ſie auf einem oͤffent- lichen Platze niedergeſezt wurden: ſagte ich dir nicht? wer weis, wozu das gut iſt, daß Prinz Amurat ſich erſtach, daß die Markiſinn geſpaltet, alle unſre Mitſklaven niedergehauen, und die Schiffer von uns erſaͤuft wurden? — Siehſt du nun? Wir ſollten hier die Loͤwen verjagen, und vielleicht gar — Viel Anſtalt zu einem kleinen Nutzen! ſag- te Belphegor, wenn er dies ganz ſeyn ſoll! — Nur Geduld, Bruͤderchen! Wer weis, wer weis! Es war die hergebrachte Gewohnheit des Landes, daß die heiligen Loͤwen nach einem gluͤcklich abgelaufnen Loͤwenkriege mit einem Menſchen beſchenkt wurden, deſſen Aufopfe- rung ſie wegen des Schadens wieder verſoͤh- nen ſollte, den man ihrem Geſchlechte zuge- fuͤgt hatte. Aus einer oͤkonomiſchen Abſicht, die Eingebornen des Dorfs zu ſchonen, ka- men die Prieſter diesmal auf den ſinnreichen Einfall, einen von den drey angelangten Weißen dazu anzuwenden, die ihnen ohnehin verdaͤchtig worden waren, weil ſie die Ueber- windung der Feinde bewerkſtelligt, und da- P 3

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/249>, abgerufen am 24.11.2024.