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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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und versicherte sie, daß er auf ihrer Schwelle
sich ermordet habe, zeigte ihnen seinen bluti-
gen Dolch, wies ihnen sein Grab, und ließ
sie seinen Leichnam ausgraben und besichti-
gen. Wider so deutliche Beweise hatten sie
freilich nicht Lust, etwas einzuwenden; allein
da sie einmal zum Morden ausgeschickt waren,
und in der Türkey ein Menschenleben die
wohlfeilste Waare ist, so spalteten sie, um
der Absicht ihrer Sendung ein Genüge zu
thun, die alte Markisinn nebst ihrer Skla-
vinn, jede in zwey Stücken, und die beiden
Fremden, weil sie noch jung waren und also
etwas gelten mußten, beschlossen sie mitzu-
nehmen und an den ersten Liebhaber als Skla-
ven zu verkaufen, wovon aber weder Belphe-
gor noch Medardus etwas wußten, weil sie
die Sprache ihrer Ueberwältiger nicht ver-
standen; ehe sie es vermuthen konnten, wa-
ren sie das rechtmäßige Eigenthum eines
Mannes, der sie zu den niedrigsten Beschäf-
tigungen bestimmte. -- Siehst du, Brüder-
chen? sagte Medardus, als er zum erstenmale
seine elende Kost genoß, nun ist es mit dem
Apfelweine vorbey! der ganze schöne Vor-
rath, den ich mir in meine Wohnung habe

und verſicherte ſie, daß er auf ihrer Schwelle
ſich ermordet habe, zeigte ihnen ſeinen bluti-
gen Dolch, wies ihnen ſein Grab, und ließ
ſie ſeinen Leichnam ausgraben und beſichti-
gen. Wider ſo deutliche Beweiſe hatten ſie
freilich nicht Luſt, etwas einzuwenden; allein
da ſie einmal zum Morden ausgeſchickt waren,
und in der Tuͤrkey ein Menſchenleben die
wohlfeilſte Waare iſt, ſo ſpalteten ſie, um
der Abſicht ihrer Sendung ein Genuͤge zu
thun, die alte Markiſinn nebſt ihrer Skla-
vinn, jede in zwey Stuͤcken, und die beiden
Fremden, weil ſie noch jung waren und alſo
etwas gelten mußten, beſchloſſen ſie mitzu-
nehmen und an den erſten Liebhaber als Skla-
ven zu verkaufen, wovon aber weder Belphe-
gor noch Medardus etwas wußten, weil ſie
die Sprache ihrer Ueberwaͤltiger nicht ver-
ſtanden; ehe ſie es vermuthen konnten, wa-
ren ſie das rechtmaͤßige Eigenthum eines
Mannes, der ſie zu den niedrigſten Beſchaͤf-
tigungen beſtimmte. — Siehſt du, Bruͤder-
chen? ſagte Medardus, als er zum erſtenmale
ſeine elende Koſt genoß, nun iſt es mit dem
Apfelweine vorbey! der ganze ſchoͤne Vor-
rath, den ich mir in meine Wohnung habe

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[142/0162] und verſicherte ſie, daß er auf ihrer Schwelle ſich ermordet habe, zeigte ihnen ſeinen bluti- gen Dolch, wies ihnen ſein Grab, und ließ ſie ſeinen Leichnam ausgraben und beſichti- gen. Wider ſo deutliche Beweiſe hatten ſie freilich nicht Luſt, etwas einzuwenden; allein da ſie einmal zum Morden ausgeſchickt waren, und in der Tuͤrkey ein Menſchenleben die wohlfeilſte Waare iſt, ſo ſpalteten ſie, um der Abſicht ihrer Sendung ein Genuͤge zu thun, die alte Markiſinn nebſt ihrer Skla- vinn, jede in zwey Stuͤcken, und die beiden Fremden, weil ſie noch jung waren und alſo etwas gelten mußten, beſchloſſen ſie mitzu- nehmen und an den erſten Liebhaber als Skla- ven zu verkaufen, wovon aber weder Belphe- gor noch Medardus etwas wußten, weil ſie die Sprache ihrer Ueberwaͤltiger nicht ver- ſtanden; ehe ſie es vermuthen konnten, wa- ren ſie das rechtmaͤßige Eigenthum eines Mannes, der ſie zu den niedrigſten Beſchaͤf- tigungen beſtimmte. — Siehſt du, Bruͤder- chen? ſagte Medardus, als er zum erſtenmale ſeine elende Koſt genoß, nun iſt es mit dem Apfelweine vorbey! der ganze ſchoͤne Vor- rath, den ich mir in meine Wohnung habe

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/162>, abgerufen am 08.05.2024.